Kleines Lexikon über Johannes den Täufer

Ein seltsamer Heiliger

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Die Evangelien des Advent sind geprägt von Geschichten über Johannes den Täufer. Er ist eine der schillernsten Gestalten des Neuen Testaments: Aussteiger, Prophet, 
Verwandter Jesu, Geköpfter. Ein Überblick von Susanne Haverkamp

Foto: wikimedia
„Wolltet ihr einen Mann in feiner Kleidung sehen?“, fragt Jesus in der Lesung. Nein, dafür ist Johannes nicht der richtige Typ. Gemälde von Anton Raphael, um 1560. Foto: wikimedia

Quellen

Über Johannes den Täufer berichten alle vier Evangelisten – mit verschiedenen Schwerpunkten und Einzelheiten. Außerdem erwähnt ihn der jüdische Historiker Flavius Josephus, der um 90 n. Chr. eine jüdische Geschichte vorgelegt hat. Dass Johannes eine nachweisbare Persönlichkeit war, ist deshalb weitgehend unumstritten. Spätere Texte, wie etwa einige christliche Apokryphen und die mittelalterliche „Legenda aurea“, sind nur legendarischer Natur. Das historische Faktenwissen ist also begrenzt.
 

Herkunft

Johannes stammt aus gutem Haus. Nach Lukas ist sein Vater Zacharias Priester aus der Ordnung Abija, seine Mutter Elisabeth entstammt dem Geschlecht Aarons. Beide sind fromm und führen ein untadeliges Leben gemäß der Tora; lediglich ihre Kinderlosigkeit ist – nach damaliger Deutung – ein Makel. Dass die Geburt des Johannes während einer Tempelliturgie angekündigt wird, weist auf seine Bedeutung hin. Lukas folgt dabei dem biblischen Erzählschema der Geburt bedeutender Söhne von hochbetagten Eltern, etwa Isaak, Simson oder Samuel.


Erscheinungsbild

Während Flavius Josephus Johannes als „edlen Mann“ beschreibt, „der die Juden anhielt, nach Vollkommenheit zu streben“, überliefern die Evangelien eher das Bild eines wilden Wüstenheiligen. Markus und Matthäus erzählen von dem Gewand aus Kamelhaaren mit einem Ledergürtel und von Heuschrecken und wildem Honig als Nahrung. Damit wird Johannes sehr ähnlich wie Elija beschrieben (2 Könige 1,8). Die Bedeutung liegt nahe: Johannes ist ein Prophet und steht Elija, dem großen Propheten des Alten Testaments, in nichts nach.
Dass Johannes zottelige Haare hat und einen wilden Bart trägt, steht tatsächlich nirgends; es ist eher ein naheliegender Schluss, weil erzählt wird, dass er lange Zeit in der Wüste lebte. Dieser Schluss wird unterstützt durch den Hinweis des Lukas (1,15), dass Johannes keinen Wein trank – so wie die biblischen Nasiräer, fromme Männer, die sich aus religiösen Gründen zeitweise oder dauerhaft berauschender Getränke enthielten und sich die Haare nicht schnitten. 


Tätigkeit und Botschaft

Johannes ist ein Bußprediger. In harten Worten kündigt er das baldige Strafgericht Gottes an und mahnt die Menschen, sich rechtzeitig zu bekehren. Die Taufe im Jordan, ein Waschungsritual, bei dem der Täufling in das fließende Wasser eingetaucht wird, ist neu und ursprünglich johanneisch; auch Flavius Josephus berichtet davon. Diese „Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden“ (Markus 1,4) hat wenig mit den sonstigen rituellen Waschungen im Judentum zu tun; dass Johannes sie einführt, zeigt, dass er prophetische und priesterliche Vollmacht für sich in Anspruch nimmt.
Johannes hat mit seiner Predigt viel Erfolg. Auch deshalb, weil zu dieser Zeit große messianische Bewegungen und Hoffnungen im Umlauf sind. Johannes ist Teil davon – weil er selbst auf den Messias hofft und weil er von einigen für den Messias gehalten wird.


Johannes und Jesus

Nach Lukas sind Elisabeth und Maria Cousinen, ihre Söhne trennt nur ein halbes Jahr. Die übrigen Evangelisten kennen keine familiäre Verbindung. Auch ansonsten ist die Beziehung der beiden nicht eindeutig. Sicher ist, dass Johannes auf einen Messias wartet, der das göttliche Gericht bringt und dem er den Weg bereiten will. Unsicher ist, ob er in Jesus diesen Messias erkennt. Der Evangelist Johannes sagt: Ja – und macht den Täufer zum wichtigen Zeugen.
Markus und Matthäus lassen ihn hingegen zweifeln. Noch kurz vor seinem Tod, heißt es, schickt Johannes Jünger zu Jesus, um zu fragen: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?“ (Matthäus 11,3)


Hinrichtung

Unbestritten ist, dass Johannes hingerichtet wurde – nur der genaue Grund ist unklar. 
Flavius Josephus erzählt, dass der Tetrarch Antipas sich im Krieg mit dem Nabatäerkönig Aretas befindet – dem Vater seiner ersten Gattin, die er wegen der Herodias abserviert hat. Er lässt Johannes verhaften und schließlich hinrichten, weil er dessen Einfluss im Volk und politische Unruhen fürchtet. Das Volk aber, so Josephus, betrachtet die bald folgende Niederlage gegen Aretas als göttliche Strafe für den Mord an Johannes. 
Markus und Matthäus erzählen hingegen, dass Johannes öffentliche Kritik übt an der unrechtmäßigen Ehe des Antipas. Dies sei der Grund für den Hass der Herodias gewesen und damit Auslöser für die dramatischen Szenen beim Fest im Palast, die mit der Enthauptung des Täufers enden.


Seine Geschichte geht weiter

In allen vier Evangelien ist die Rede davon, dass Johannes – genau wie Jesus – Schüler hat, die ihm folgen. Sie sind es, die seinen toten Körper bestatten (Markus 6,29), und auch nach seinem Tod scheint sich seine Schule einige Zeit gehalten zu haben (Apostelgeschichte 19,1–7).
Und sogar heute gibt es Menschen, die sich auf Johannes berufen: die Mandäer, eine kleine Religionsgemeinschaft im Iran und Irak. Sonntags feiern sie Gottesdienst. Auf Aramäisch, der Sprache, in der sich auch Johannes und Jesus unterhalten haben. 
Das Kernritual der Mandäer ist die Taufe – in einem Fluss und immer dann, wenn eine innere Reinigung nötig erscheint. Nach der Taufe essen sie am Flussufer gemeinsam Brot und trinken Traubensaft. Interessante Kombination von Johannes und Jesus, oder?