Wie man Gastfreundschaft leben kann

Eine Oase für Ruhe und Einkehr

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In den Lesungen des Sonntags wird die Gastfreundschaft gelobt. Das Stadtkloster Segen will genau solch ein Ort der Gastfreundschaft sein - mitten im Treiben der Großstadt Berlin. Was bedeutet das für die ökumenische Gemeinschaft „Don Camillo“, die hier lebt? Fragen an Mitbegründerin Barbara Schubert-Eugster.

Foto: Michael Kinnen
Im Berliner Weltstadttrubel zur Besinnung kommen: Diese Möglichkeit bietet das Stadtkloster Segen. Foto: Michael Kinnen

Frau Schubert-Eugster, was bedeutet Ihnen und Ihrer Gemeinschaft Gastfreundschaft im Stadtkloster?

Das Stadtkloster ist ein Kontrapunkt zum geschäftigen, schnellen und lauten Leben in der Großstadt Berlin. Wir bieten in sehr belebter und zentraler Lage am Prenzlauer Berg Raum, dass Menschen an einem spirituellen Ort zur Ruhe kommen können, sich wortwörtlich be-sinn-en können und gestärkt werden. Die Gäste können auch in aller Freiheit an unseren regelmäßigen Gebeten, Gottesdiensten und sonstigen spirituellen Angeboten teilnehmen.

Was unterscheidet Ihre Gastfreundschaft von einem Gästehausbetrieb?

Der Ort ist von einer christlichen Gemeinschaft geprägt. Nach dem Morgengebet geht ein Konventsmitglied zum Frühstück der Gäste. Einerseits um zu gucken, ob noch genug Brot, Butter und Käse da ist. Andererseits, um Kontakt aufzunehmen, ein Ohr für Fragen oder Anliegen zu haben. Das dauert mal fünf Minuten, mal ergeben sich längere Gespräche.
 
Und was sagen die Gäste dazu?

Wir bekommen Rückmeldungen wie „Das Stadtkloster ist eine richtige Oase für Ruhe und Einkehr. Wir kommen gerne wieder!“ oder: „Ein wohltuender Segen: Dieser Ort mitten in der betriebsamen und touristenüberfüllten Stadt ist wie eine Oase in der Wüste, um wieder zu sich zu kommen und sich auszuruhen.“ 

Ihr Gästehaus ist eine Haupteinnahmequelle der Gemeinschaft, auf die Sie auch angewiesen sind, da Sie keine kirchlichen Zuschüsse erhalten. Muss man sich Gastfreundschaft auch leisten können?

Ja, das muss man! Das ist ein Spagat. Wir überlegen immer wieder, wie die Preise gestaltet sein sollen, damit wir unser kleines Gästehaus rentabel führen und gleichzeitig auch Menschen beherbergen können, die keinen dicken Geldbeutel haben. Da in den ersten 15 Jahren sehr viel investiert werden musste, um das durch Krieg und DDR-Mangelwirtschaft vernachlässigte Gebäude nutzbar zu machen, hat der gemeinnützige Verein viel investiert. Wir sind auf jeden Euro angewiesen, um das Werk in die Zukunft führen zu können.
 
Gibt es gute Gäste? Wann fällt es Ihnen leicht, gastfreund(schaft)lich zu sein?
 
Natürlich gibt es pflegeleichtere und anspruchsvollere Gäste. Da ist die Herausforderung, in jedem Menschen Christus zu sehen, wie es die Ordensregel des heiligen Benedikt vorschlägt: „Alle Fremde, die kommen, sollen aufgenommen werden wie Christus.“ Unser Arbeitsort ist gleichzeitig der Ort, wo wir menschlich und geistlich wachsen können. Wir wollen im Alltag die Augen offenhalten, was und wen uns Gott über den Weg schickt. So hat schon mancher einen Engel beherbergt, ohne es zu wissen. Ebenso ist es unsere Chance zu lernen, was unsere Aufgabe ist und was nicht, was wir leisten können und was nicht.

Inwiefern?

Ein Kloster wie das Stadtkloster weckt idealistische Traumbilder. Immer wieder fragen Menschen an, die einfach zu uns kommen wollen und im Klostergarten oder der Klosterküche mithelfen wollen. Und dann ist da die Fantasie, dass die Klostergemeinschaft für sie sorgt: Bett, Mahlzeit und Gemeinschaft – alles inklusive. Das können und das sollen wir nicht leisten.

Fällt es Ihnen dann auch mal schwer, gastfreundlich zu sein?

Ja, und manchmal ist man müde, manchmal hat man einfach keine Zuhörkapazität mehr – dann gibt man die Aufgabe der Gästebetreuung besser mal an jemand anderen weiter. Mir persönlich fällt es beispielsweise besonders auf die Nerven, wenn Menschen mich zutexten, ohne dass ein richtiges Gespräch entsteht. Da komme ich mir manchmal vor, wie wenn ich eine Leinwand wäre für einen Film, der immer und immer wieder abgespult wird. Oder auch wenn Gäste schon nach zwei Tagen alles besser wissen. Sie erklären mir dann, wie man das Haus lukrativer führen, die Gemeinschaft strahlender gestalten, die Gebete schöner singen, den Garten blühender bewirtschaften und die Veranstaltungen effizienter bewerben müsste und könnte.
 
Was lernen Sie von Ihren Gästen?
 
Unsere Gäste bringen die Welt zu uns. Es gibt viele schöne Begegnungen, die uns bereichern. Da wird Glaubenserfahrung geteilt. Da werden Lebensthemen aus anderen Gesichtswinkeln beleuchtet, da werden Fragen gestellt, weil man vielleicht gerade in einem anderen Kontext ist als zu Hause. 

Haben Sie da ein Beispiel?

Ich habe ja vorhin den Engel erwähnt, der vielleicht unbemerkt beherbergt wird. So ein Engel bringt als Bote Gottes – ohne dass ich es aktiv suche – eine Botschaft mit. Mich hat mal jemand, mit dem ich zusammengearbeitet habe, gestresst und müde gemacht, weil einfache Dinge gefühlte zehn Mal besprochen werden mussten. Da kam mir die Aussage eines Gastes zu Hilfe, der sagte: „Wie soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?“ Dieser trockene und humorvolle Spruch stimmte mein Herz milde und ich konnte die Andersartigkeit in einem neuen Licht sehen und schmunzeln. 

Was kann ein Privatmensch von Ihnen als professioneller Betrieb zum Thema Gastfreundschaft lernen?
 
Gastgeber sein bedeutet für uns, die Liebe Gottes in kleinen Münzen weitergeben. Wenn wir als große Menschenfamilie immer wieder auf Solidarität und Großzügigkeit setzen, dann können viele kleine Menschen Großes bewirken. So üben wir ein Stück Himmel auf Erden ein. 

Das Gespräch führte Michael Kinnen.

Foto: Stadtkloster Segen
Sie weiß von vielen schönen und bereichernden Begegnungen im Stadtkloster zu berichten: Barbara Schubert-Eugster