Neues Projekt in Osnabrück
Einladung auf den Gertrudenberg
Foto: Matthias Petersen
Sonntagmorgen auf dem Osnabrücker Gertrudenberg. Leise ist das Läuten der Domglocken aus der Innenstadt zu erahnen. Langsam füllt sich die kleine Kirche auf dem Berg; früher gehörte sie mal zu einem Frauenkloster, heute ist sie Bestandteil des Krankenhauses. Neuankömmlinge werden von den Anwesenden schon mal winkend begrüßt und statten sich mit einem Gesangbuch aus. Die letzten beiden Gäste haben die Blumen für den Altar dabei – und zwei Hunde an der Leine, die es sich neben den Kirchenbänken gemütlich machen.
Gottesdienst ist hier an jedem Sonntag, zweimal im Monat wird er vom Team „Trude lädt ein“ gestaltet. Das Projekt existiert seit zwei Jahren und wird getragen vom Bistum Osnabrück, der Heilpädagogischen Hilfe und dem Ameos-Klinikum. Neben den Gottesdiensten gibt es Musik und Ausstellungen, Lesungen, Kreativ-Workshops oder Entspannungsübungen. Mal drinnen, mal draußen. Zum Gottesdienst heute versammeln sich rund 50 Frauen und Männer, zu einem Konzert unter freiem Himmel im Sommer sind es schon mal 200.
„Trude lädt ein“ richtet sich an Gäste aus dem benachbarten Fachkrankenhaus, ebenso an Menschen aus der Stadt oder der Nachbarschaft. „Wir wollen Brücken bauen“, sagt Anja Breer. Die Gemeindereferentin begleitet im Auftrag des Bistums das Projekt. Ein Aufenthalt in der Psychiatrie sei oft mit Scham oder Isolation verbunden, mit Unsicherheiten im persönlichen Umfeld. „Wir wollen Begegnungen ermöglichen, Ängste nehmen, Lebensfreude wecken“, sagt sie. Die Zahl der Unterstützer nimmt kontinuierlich zu, inzwischen gehören zum Team der Ehrenamtlichen rund 25 Frauen und Männer. Ehrenamt wird großgeschrieben, denn das Projekt wird nur von Fördermitteln und Spenden getragen.
Ob das eine Gemeinde der Zukunft sein kann? Wohin es gehen wird, darüber ist sich das Team noch nicht sicher. Auf jeden Fall gibt der Ort die Prägung vor. „,Trude‘ ist wie ein Scharnier zwischen Institution und Umgebung“, sagt Anja Breer. Der Begriff Gemeinde könnte dazu führen, dass sich doch mancher wieder abwendet, weil er zu enge Vorstellungen von dem in sich trägt, wie Gemeinde oder Kirche ist. „Trude“ will aber niemanden verschrecken.
„Sie erzählen mir ihr ganzes Leben“
Ute und Jürgen Link gehören zum Team der Ehrenamtlichen. Die beiden Ruheständler schenken heute nach dem Gottesdienst Kaffee aus. „Der Kontakt zu jenen, die hier oben leben, ist schon etwas Besonderes“, sagt Jürgen Link, „es gibt eine große Offenheit, sie erzählen mir ihr ganzes Leben.“ Auch Joachim Welsch gehört zum Team, der alle 14 Tage die Orgel spielt. Vor einigen Jahren brauchte er selbst eine Auszeit und weiß noch, wie wohltuend die Musik für ihn war. Als er um sein Engagement gebeten wurde, war der Hobbymusiker deshalb gleich dabei. Dass er an dem Instrument spielt, an dem auch der Schriftsteller Erich Maria Remarque einst saß, macht ihn stolz. Mit einem Unterschied: Remarque verdiente sich pro Einsatz ein Mittagessen und eine Flasche Wein von der Krankenhausleitung, heute gibt’s für den Organisten ein wenig Geld von der Landeskirche. Der Gertrudenberg passt sich der Moderne an.
Mehr Infos zu dem Projekt und zu Veranstaltungen gibt es hier.