"Alte Mauern - neues Leben": Burg Fürsteneck

Einzigartiges Zentrum der Bildung

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„Alte Mauern – neues Leben“: Einmal im Monat führt diese Reiseseite zu Stätten, an denen einst kirchliches Leben blühte. Die Burg Fürsteneck war lange herrschaftliche Grenzbefestigung des Klosters Fulda. Seit 70 Jahren gibt es dort engagierte und erfolgreiche Bildungsarbeit.



Begegnung, persönlicher Austausch und das Miteinander sind die Grundlage eines ganzheitlichen Weiterbildungsangebots auf Burg Fürsteneck.


Trutziges Gemäuer in reizvoller Landschaft: Bundesweit lädt die Hessische Heimvolkshochschule Akademie Burg Fürsteneck zu freier und kreativer Weiterbildung ein. Musisch-Kulturelles ist ein besonderer Schwerpunkt. „Mehr als 200 drei- bis vierzehntägige Kurse finden im Jahr auf Burg Fürsteneck statt“, sagt Akademieleiter Hartmut Piekatz. Die Burg biete neben besonderem Ambiente und atemberaubendem Panorama auch den Raum für ein einzigartiges Lernklima. Sie ermögliche, zur Ruhe zu kommen und sich zu konzentrieren. Piekatz: „Ein geschützter Raum, der Potentiale entfaltet und Entwicklungen ermöglicht.“
Die Anlage entstand im späten Mittelalter. Lange wurden von dort aus die Besitzungen des Hochstifts Fulda gesichert. Die Ringmauer stammt noch aus der Gründungszeit. Von der einstigen Wehranlage blieb der Bergfried weitgehend erhalten. Seit 845 gehörte die Höhenburg samt Ländereien bis 1802 zum Einflussgebiet des Fuldaer Klosters. Zeitweise musste sie kurz an verschiedene Amtmänner verpfändet werden. Während des Dreißigjährigen Kriegs (1618 bis 1648) wurde Fürsteneck zerstört. Fuldas Fürstabt Adalbert von Schleifras kümmerte sich zwischen 1708 und 1710 um den Wiederaufbau als schlossartige Anlage.
Die Burg leiste heute einen Beitrag zur Bewahrung des musisch-kulturellen Erbes Europas, hält Hartmut Piekatz fest. „Musik erklingt zu jeder Jahreszeit aus allen Räumen und Winkeln“, erläutert er weiter. „Europäische Nyckelharpa-Fortbildung, Veranstaltungen wie Irish Folk, ClassicJazz, Rock- und Popwerkstätten, Saxophontage und die mehrjährige Fortbildung zur Musik des Mittelalters konnten in den letzten Jahren weiter ausgebaut werden.“ Kulturelle Bildung sei ein verbindendes Element, welches sich auch in den politisch-sozialen und beruflichen Angeboten der Akademie wiederfinde.
Die Anlage zeigt eine Baugeschichte vom Spätmittelalter über die Gotik bis zur Neuzeit. Ein weitreichender Umbau machte den Komplex seit 1953 für Seminare nutzbar. „In den ersten Jahren bildeten sieben- bis achtwöchige Hauptlehrgänge mit dem Schwerpunkt Persönlichkeitsbildung für junge Menschen den Mittelpunkt des Programms“, blickt Piekatz zurück. Daneben habe es einen landwirtschaftlichen Teil gegeben – schon damals mit Themen wie biologischer Anbau und Nachhaltigkeit. „Im eigenen Gemüsegarten, in der Schweinehaltung oder der Bienenzucht konnten die jungen Menschen auf der Burg praktische Erfahrungen sammeln“, betont der Akademieleiter.
Getragen  wird  die  Einrichtung  seit 70 Jahren von einem gemeinnützigen Verein mit pluraler Struktur, in dem seit Beginn das Bistum Fulda, die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau sowie die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck vertreten sind. Gemeinsam mit hessischen Universitäten, Verbänden, Vereinen, Körperschaften und eben auch dem Land Hessen selbst. Ohne Gustav Huhn, erster Schulleiter und Gründer der Heimvolkshochschule Fürsteneck, sei diese Trägerschaft nicht zu verstehen, so Piekatz: „Zum Teil war es sein offener Geist, der ihn schon immer Kontakte in unterschiedliche Gesellschaftsrichtungen suchen ließ. Dann eine konkrete Erfahrung.“ Als Leiter der Landvolkshochschule in Neustadt bei Marburg für den Hessischen Bauernverband war er zuvor wegen eines Konflikts mitten in einem Acht-Wochen-Lehrgang beurlaubt und später wieder eingestellt worden, worauf er letztlich seinerseits kündigte. Huhns Lehre daraus sei gewesen, dass es viele und unterschiedliche Institutionen im Trägerkreis brauche, um freie, von Partikular-Interessen unbeeinflusste Bildungsarbeit machen zu können.
„Darüber hinaus lag Gustav Huhn die Ökumene zu dieser Zeit schon sehr am Herzen“, weiß Hartmut Piekatz zu erzählen. „Sozialisiert als evangelischer Christ in Konfrontation zur katholischen Kirche, hatte er in seinem Leben gelernt, dass gegenseitiger Respekt erforderlich ist.“ Weil dies nur im gegenseitigen Kennenlernen entstehen und im direkten Kontakt  wachsen  könne,  habe  er  damals in den Hauptlehrgängen „gezielt evangelische und katholische Teilnehmende gemeinsam auf die Doppelzimmer gelegt“. Piekatz: „Gegen Ende seines Lebens ist er sogar noch konvertiert, wohl auch, um zu zeigen, dass beide Konfessionsrichtungen die Mitgliedschaft wert sind.“

Von Evelyn Schwab