"Nach mir kommt einer, der größer ist als ich"
Es wird bestimmt gut
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Ich bin gut in dem, was ich mache. Sie bestimmt auch. Und ja, es ist schön, wenn man das mit einem gesunden Selbstbewusstsein von sich behaupten kann. Wenn andere uns das sagen. Wenn sie uns bitten zu bleiben, wenn wir mit dem Gedanken spielen aufzuhören – im Beruf oder im Ehrenamt.
Johannes der Täufer wusste vermutlich auch, dass er gut ist. Ein brillanter Prediger mit scharfen Worten und großer Originalität. Viele, sehr viele Menschen kamen, um ihn zu hören und sich taufen zu lassen, eine Jüngerschaft scharte sich um ihn. Der große Zulauf des Volkes hat es ihm klar bestätigt: Johannes, du bist gut, außergewöhnlich gut, ein großer Prophet, vielleicht sogar der größte deiner Zeit, ein neuer Elija.
Die anderen machen alles falsch, oder?
Aber seltsamerweise stiegen Johannes seine Erfolge nicht zu Kopf. „Ich bin nur ein Wegbereiter“, sagte er, als er nach seiner Bedeutung gefragt wurde, und: Nach mir kommt einer, der größer ist als ich, „und ich bin nicht würdig, ihm die Riemen der Sandalen zu lösen“.
Gut, das klingt ziemlich unterwürfig, zumal Johannes zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht wusste, dass es Jesus ist und wer dieser Jesus ist. Wir wissen auch nicht, was er wann genau gesagt hat. Aber die Haltung, die ist klar: Ich bin gut, ich habe auch eine wichtige Aufgabe, aber ich bin nicht der Wichtigste, nicht das Nonplusultra – und nach mir wird es vielleicht noch besser. Für mich ist das eine Haltung, die im Leben wichtig sein kann. Nicht als Geringschätzung der eigenen Person und Leistung, sondern als gesunde Selbsteinschätzung. Und die kann entlastend sein – für mich und andere.
Zum Beispiel: in der Familie
Sie kennen das vielleicht: Familienmitglieder, die meinen, unersetzlich zu sein und die Fäden auf ewig in der Hand halten zu müssen. Niemand backt die Torte so gut wie ich – und ohne die Torte ist Weihnachten unmöglich. Niemand erzieht die Kinder so richtig wie ich – und ohne meinen Einfluss ist ihre Zukunft bedroht. Niemand hegt den Garten so kenntnisreich wie sie – und ohne diese Pflege bricht sich bald die Wildnis Bahn.
Verbunden mit der eigenen Bedeutung ist nicht selten eine Geringschätzung der jüngeren Generation. Der Sohn arbeitet nicht genug, die Tochter gibt die Kinder zu früh in die Kita, der Enkel macht zu viel Musik und zu wenig Schule – was soll aus dem bloß werden?
Wie entlastend könnte das Familienleben sein, wenn in allen ein bisschen Johannes stecken würde und die Ahnung: Auch nach mir kommt noch einer – und der oder die macht es nicht nur anders, sondern vielleicht sogar besser.
Zum Beispiel: im Beruf
Aufzuhören – das fällt manchen Menschen nicht leicht, gerade, wenn sie ihren Beruf mögen und wenn sie darin Verantwortung tragen. Wie geht es weiter, wenn ich im Ruhestand bin?, das ist eine berechtigte Sorge.
Wird meine Arbeit nicht mehr wertgeschätzt?
Weniger berechtigt ist die Sorge, dass ein Nachfolger alles anders macht. Umstellen auf Bio? Die Angebotspalette erneuern? Die Öffnungszeiten oder Arbeitszeitmodelle verändern?
Nicht selten kommt es darüber zu Streit. Dann würde es helfen, ein bisschen zu sein wie Johannes der Täufer, und ganz vertrauensvoll zu sagen: Mein Auftrag ist erfüllt. Nach mir kommt einer – und er steht schon mitten unter euch –, der es nicht nur anders macht als ich, sondern vielleicht sogar besser.
Zum Beispiel: im Ehrenamt
Egal ob im Sportverein, im Ortsausschuss, im Kulturbeirat oder in der Kirchengemeinde: Auch für Ehrenamtliche ist es manchmal schwer, das eigene Lebenswerk anderen zu überlassen. Da hängt Liebe dran, Herzblut, Zeit und manchmal auch Geld. Da hängt Sorge dran, dass vieles von dem, für das ich mich jahre- oder jahrzehntelang eingesetzt habe, nicht mehr wertgeschätzt wird oder gleich ganz verschwindet. Vielleicht hilft da die Erinnerung, dass man selber einmal Nachfolger war, skeptisch beäugt vom Vorgänger. Die Erkenntnis „Nach mir kommt einer ...“ ist ja keine Erfindung einer bestimmten Generation.
Und wenn keiner nach mir kommt?
Vielleicht denken Sie jetzt, das schreibt sich so leicht. Ich würde gerne meine Aufgabe anderen überlassen – aber da ist niemand. Kein Mensch weit und breit, der nach mir kommt im Betrieb, im Ehrenamt. Noch nicht mal die Familienweihnacht will jemand nach mir organisieren, dabei war es doch immer so schön ...
Von Johannes dem Täufer überliefern die Evangelien, dass er seinen Job als Bußprediger nicht freiwillig aufgab; er wurde wegen seiner öffentlichen Kritik am Herrscher Herodes Antipas verhaftet, eingekerkert und schließlich ohne Prozess hingerichtet. Es ist also spekulativ, wie es sonst mit ihm weitergegangen wäre.
Allerdings muss er sich seiner nur vorübergehenden Bedeutung durchaus bewusst gewesen sein. Denn noch aus dem Gefängnis heraus, so erzählt es Matthäus (11,2–3), schickt er seine Jünger zu Jesus und lässt sie fragen: „Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Er war wohl unsicher – auch, weil Jesus so ganz anders war als er selbst: Johannes, der Asket; Jesus, der Genussmensch, den seine Gegner deshalb als „Fresser und Säufer“ bezeichnen (Matthäus 11,19).
Und Johannes hat mit seiner Skepsis nicht ganz Unrecht: Mit Jesus war es mit der Bußtaufe, dem Lebenswerk des Johannes, vorbei. Nach ihm kam einer, der machte es nicht nur anders, er machte auch ganz anderes.
Das ist manchmal schwer auszuhalten: dass etwas, das mir wichtig ist, einfach vergeht. Umso entlastender ist dann die Haltung des Johannes: Nach mir kommt einer. Und was immer und wie immer er oder sie es macht: Es wird bestimmt gut. In der Familie, im Betrieb und im Ehrenamt.