Lambeth-Konferenz der Anglikanischen Bischöfe

"Es wird heiß in Canterbury"

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Nach 14 Jahren kommen ab Freitag 650 anglikanische Bischöfinnen und Bischöfe aus aller Welt zur Lambeth-Konferenz nach England und beraten beispielsweise auch die Priester- und Bischofsweihe für Homosexuelle.


Justin Welby, anglikanischer Erzbischof von Canterbury, in der Basilika San Francesco in Assisi anlässlich des Weltgebetstreffens für den Frieden 2016. Foto: CNS photo/kna/Paul Haring

"Sie denken, es war heiß in London diese Woche? Warten Sie bis nächste Woche in Canterbury", schrieb der anglikanische Bischof John Harvey Taylor von Los Angeles vor wenigen Tagen. Damit spielte er nicht auf das Wetter an, sondern auf die 15. Lambeth-Konferenz, bei der ab Freitag 650 Bischöfinnen und Bischöfe aus aller Welt in dem südostenglischen Universitätsstädtchen zehn Tage lang gemeinsam beten, feiern, die Bibel auslegen und diskutieren.

Mit dem Diskutieren, vor allem in Sozialen Medien, haben sie längst begonnen; so lebhaft, dass sich der Konferenz-Gastgeber, Anglikaner-Primas Justin Welby, vergangenen Freitag veranlasst sah, die Bischöfe zu Besonnenheit und Einheit zu rufen. Im Zentrum steht einmal mehr die Frage nach der Priester- und Bischofsweihe für Homosexuelle sowie Segnungen gleichgeschlechtlicher Ehen, deren Handhabung in den verschiedenen Teilen der anglikanischen Weltgemeinschaft weit auseinander klafft. Anglikaner strebten danach, "Gott treu zu sein - in ihrer Übereinstimmung ebenso wie in ihren Meinungsverschiedenheiten", beschwor der Erzbischof von Canterbury die Teilnehmenden.

Hintergrund sind die sogenannten "Lambeth Calls" (Lambeth-Aufrufe) zu etwa zehn Themen, deren Entwürfe vor einer Woche veröffentlicht wurden und bei der Konferenz beraten werden. Die Textentwürfe sind die Frucht von Online-Gesprächen zwischen Bischöfen auf der ganzen Welt, die 2021 zur Konferenz-Vorbereitung stattfanden. "Sie wurden von einer vielfältigen Gruppe von Anglikanern entworfen - männlich und weiblich, Laien und Ordinierte, aus verschiedenen Generationen und aus jedem Teil der Gemeinschaft", so der Ehrenprimas der anglikanischen Weltgemeinschaft. Die Entwürfe seien Teil eines Prozesses, der auch nach der Konferenz fortgesetzt werde, da jede Kirchenprovinz ihre eigene Antwort auf die Aufrufe formulieren solle, versuchte Welby die Gemüter zu beruhigen.

Entwürfe der Konferenz können nun auch abgelehnt werden

Kritiker bemängelten vor allem das jetzt bekanntgewordene elektronische Abstimmungssystem, bei dem die Bischöfe die Aufrufe entweder annehmen oder eine weitere Diskussion fordern, jedoch nicht konkret ablehnen konnten. Ebenso wurde befürchtet, dass ein Text der Lambeth-Konferenz von 1998, der allein die Ehe zwischen Mann und Frau bibelkonform nannte, wieder volle Geltung erhält. Das wäre ein Affront gegen jene Teile der Kirche, die Homosexuellen jedes Weiheamt und jedes Sakrament öffnen wollen oder dies bereits praktizieren.

Doch die Verantwortlichen reagierten: Am späten Montagabend - viele der Bischöfe dürften bereits im Flieger Richtung England gesessen haben - kündigten sie per Pressemitteilung an, es werde nun auch die Möglichkeit einer Ablehnung der Entwürfe geben. Und: Der Textentwurf zum Thema "Menschliche Würde", in dem es um das strittige Thema Sexualität geht, werde noch einmal angepasst.

Alles spricht also für eine äußerst muntere Konferenz. Unter dem Motto "Gottes Kirche für Gottes Welt" ("God's Church for God's World") soll es um Herausforderungen der kommenden Jahre gehen: Kriege, unwägbare Entwicklungen in Wissenschaft und Technologie, klimatische und politische Unsicherheit. Dazu findet am 3. August ein Aktionstag für Klima- und Ressourcengerechtigkeit statt, zu dem sich der Kongress zum Lambeth Palace, Dienst- und Wohnsitz des Primas, nach London begibt.

Insgesamt sollen die weltweit zwischen 77 und 85 Millionen Anglikaner ermutigt und bestärkt werden. Außerdem geht es um Themen wie interreligiösen Dialog, "Safe Church", also eine sichere Kirche für jeden und in allen Belangen, sowie eben um Fragen der Sexualität, die untrennbar zur Identität des Menschen gehöre, so Erzbischof Welby.

Der Konflikt schwelt spätestens seit der letzten Lambeth-Konferenz 2008: Wenige Wochen zuvor hatte US-Bischof Gene Robinson seinen Lebenspartner geheiratet; bereits seine Weihe 2003 zum ersten offen homosexuellen Bischof sorgte für Kontroversen. Dabei hatte schon die erste Ordinierung einer Bischöfin 1989 beileibe nicht alle Teile der Weltgemeinschaft erfreut.

Weiblich, Mitte 30, aus Afrika: Das ist das durchschnittliche Mitglied der anglikanischen Kirche

2008 gründeten vor diesem Hintergrund konservative Bischöfe vor allem des globalen Südens in Jerusalem die "Global Anglican Future Conference" (GAFCON). Namentlich die Primasse von Ruanda, Uganda und Nigeria, die rund 20 Millionen Anglikaner repräsentieren, sind auf Distanz. Eine offizielle Spaltung von den progressiveren Teilen der Kirche Amerikas und Europas soll dennoch verhindert werden. Sie wäre ein schmerzlicher Verlust, denn das durchschnittliche Mitglied der anglikanischen Kirche ist weiblich, Mitte 30 und aus Afrika. Nach der fast explosiven Lambeth-Konferenz 2008 beschloss man, für das nächste Treffen vom Zehnjahresrhythmus abzuweichen - durch Corona wurden daraus 14 Jahre.

Aber bindende "Beschlüsse" kann die Konferenz ohnehin nicht fällen. Dabei wäre das vor allem zur Frage nach dem Umgang mit homosexuellen Menschen "drängend", sagt Richard Gardiner, Pfarrer der anglikanischen Gemeinden in Köln und Bonn. Hier müsse die Anglikanische Gemeinschaft endlich eine Lösung finden, die den jahrelangen Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten, die die vergangenen Konferenzen überschattet haben, ein Ende bereitet, sagte Gardiner der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Doch um den drei afrikanischen Bischöfen goldene Brücken zu bauen, lud Welby die Bischofs-Partner aus gleichgeschlechtlichen Ehen aus; dass nun nur 480 "klassische" Ehefrauen und Ehemänner teilnehmen, scheint die Erzbischöfe Henry Ndukuba (Nigeria), Laurent Mbanda (Ruanda) und Stephen Kaziimba (Uganda) jedoch nicht zu beeindrucken: Schon die Idee, die schwule und lesbische Bischofs-Gatten einzuladen, zeige die schädliche Toleranz und Arroganz der Anglikanischen Kirchen im Westen.

Welby bedauerte seinerseits, dass die drei Bischöfe ihren Standpunkt nicht in Canterbury vertreten wollen. "Die Anglikanische Gemeinschaft ist keine Hierarchie: Wir geben einander keine Befehle, unsere Provinzen sind autonom, aber voneinander abhängig", umriss er ein Prinzip seiner Kirche: "Das bedeutet, dass wir uns nicht gegenseitig herumkommandieren können, und ich lobe Gott dafür."

kna/Sabine Kleyboldt