Finden, was verloren war

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Fast wie früher: eine Wallfahrt zum Ansveruskreuz mit 400 Pilgern zu Wasser und zu Lande. Nicht wie früher: Die Kirche wandelt sich. Erzbischof Stefan berichtet von einem Eklat auf dem „Synodalen Weg“ in Frankfurt.


Eintauchen, anziehen: Erzbischof mit Firmlingen auf dem Wikingerschiff. | Foto: Andreas Hüser

 

VON ANDREAS HÜSER

„Riemen nach vorn! Eintauchen! Anziehen!“ Die Anweisungen des Schiffsführers sind deutlich und einfach. 25 Ruderer hat er an Bord. Sie werden ordentlich zugreifen müssen. Denn der Wind bläst direkt von vorn, das Segel wird nichts nützen. Die Crew besteht aus Firmlingen der Pfarrei Sankt Ansverus, ihrem Pastor Stefan Krinke und ihrem Erzbischof Stefan Heße.

Das Schiff ist ein Nachbau eines alten Wikingerschiffes. Solche Schiffe fuhren schon zu der Zeit, als der Benediktinermönch Ansverus am Ratzeburger See lebte. Die Stelle am See, wo er und seine Brüder 1066 getötet wurden, heißt es zu erreichen. Mit dem Schiff, oder auch zu Fuß.

Gleichzeitig mit den Ruderern ist eine Gruppe Fußpilger mit Gemeindereferentin Monika Tenambergen unterwegs. Nach Betrachtungen zur Barmherzigkeit hatten die Wanderer noch Luft genug, im Gehen das Taizélied „Misericordias Domini“ zu singen. Auf der Wiese am Ansveruskreuz genossen die angekommenen Pilger eine Szene, wie man sie von „früher“, nämlich vor den Coronajahren kannte. Immerhin ist die Wallfahrt auch in den Jahren 2020 und 2021 nicht ausgefallen. Im ersten Coronajahr aber saßen die Gläubigen mit großen Abständen auf den Bänken – und genossen es, überhaupt wieder einmal in einem Gottesdienst singen zu dürfen.

Schön wäre es gewesen, wenn er den Firmlingen nach diesem Erlebnis direkt die Firmung hätte spenden können, sagte Erzbischof Stefan Heße in der Predigt. Oft war an diesem Wallfahrtstag von Firmung die Rede. „Ich hoffe, dass ihr fest im Glauben seid und euer Glaube so stark ist, dass er durch das ganze Leben trägt – gerade dann, wenn es schwierig wird.“

Schwierige Zeiten durchlebt auch die Kirche im Ganzen. Gerade erst von der Vollversammlung des Synodalen Weges zurückgekehrt, schilderte Erzbischof Stefan seine Eindrücke. Enttäuschend sei für ihn das Scheitern eines Textentwurfs zur Sexualmoral gewesen. Er selbst, sagte Stefan Heße, habe für das Papier gestimmt. „Glaube will entwickelt werden. Einfach nur zu sagen, es muss bleiben, wie es war, das reicht nicht. Deshalb stehe ich hinter den Beschlüssen und hoffe, dass sich viel ändern wird.“ Wer nur vorgefertigte Antworten habe, könne in kein Gespräch kommen.

„Eine Ohrfeige für die, die zugestimmt haben“

Besonders getroffen habe ihn die Aussage einiger Bischöfe, die gegen das Papier gestimmt haben und in der Reformvorlage einen Glaubensabfall und eine Verletzung ihrer bischöflichen Pflicht sehen. „Das ist eine Ohrfeige für jeden anderen Bischof, der dem Text zugestimmt hat.“ Ein Eklat, wie er kam, hätte vermieden werden können, wenn die Bischöfe vorher eine Probeabstimmung gemacht hätten, so wie Fraktionen in Parlamenten.

Nach wie vor hat Erzbischof Stefan Hoffnungen auf den Synodalen Weg. Im Ausland werde dieser keineswegs nur negativ gesehen. Die Kirche in vielen Ländern sei dankbar, dass in Deutschland drängende Fragen gestellt und diskutiert würden. Das habe auch seine Ukraine- und Polenreise im Sommer gezeigt. „In Polen hat man mir gesagt: Wir stehen vor denselben Fragen.“ Erzbischof Stefan setzt auf die Kraft der Ortskirche – und auf die anstehende Weltsynode, in der die ganze Kirche einen neuen Weg des Dialogs gehen will. „Ich hoffe, dass wir etwas wiederfinden, das verloren war.“