Verzicht auf Plastik in der Fastenzeit

Frohe Botschaft: Es geht ohne

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„Weniger ist mehr“: In unserer Serie zur Fastenzeit geht es darum, von „Trends“ zu lernen. Beim Plastik fasten steht nicht der Verzicht auf Genuss im Fokus. Sondern das Begreifen der Müll-Krise. Ein Appell, „unverpackt“ die Welt zu sehen und Rohstoffe neu wertzuschätzen. Von Anja Weiffen.


Haarshampoo gibt es auch „am Stück“ und braucht deshalb keine Plastikverpackung.

Ein Kaninchen war der Anfang. Der Drang, unverpackt einzukaufen, intensivierte sich nach einem Erlebnis am Rhein. Zu jener Zeit purzelten Bilder durch den Kopf von Kindern, die in Indonesien auf Müllbergen sitzen. Die zwischen Plastikflaschen wühlen. Müll-Elend am anderen Ende der Welt. Bis zu einem Sonntagsspaziergang in den Rheinauen. Die Büsche standen kahl in der Wintersonne. Im Gras darunter lagen Kaffeebecher, Dosen, Plastikteller, halbverwitterte Tüten und Folien, Pizzaschachteln. Plötzlich bewegte sich etwas. Ein Kaninchen hoppelte durch den Unrat, schnuppert an einem Plastikbecher und schaute traurig herüber. Die Erde – Gottes Schöpfung, zu Urzeiten wüst und leer. Demnächst wüst und voll – mit unserem Müll?

Abgefüllt mit Müll ist vor allem Asien. Weltweit wird ein ungerechtes Tauschgeschäft praktiziert: Der globale Süden gibt billige Rohstoffe für den Konsum der reichen Länder, die ärmeren bekommen den Abfall und überflüssige Produkte. Doch die Müll-Schiffe werden zurückgeschickt. Immer mehr Länder wie etwa China, Malaysia, die Philippinen wehren sich. Auch viele Menschen hierzulande handeln. 

Plastikfasten ist kein Geheimtipp. In Buchläden stapeln sich dazu die Ratgeber. Fundierte Informationen gibt es zuhauf. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gab bereits vor fünf Jahren die Broschüre „Plastikfasten Tipps – Best of“ heraus. Die neueste Publikation von Greenpeace vor vier Monaten: ein 36-seitiger Report mit dem Titel „Das Wegwerf-Prinzip. Wie Scheinlösungen der Verpackungsindustrie die Müllberge wachsen lassen“. Die Fakten sind bekannt, die Zahlen erdrückend. Warnende Stimmen werden lauter: Anfang Februar schlossen sich Umweltverbände und Vereine zu einer Allianz gegen die „Plastikkrise“ zusammen. Plastik gilt als eine der größten und sichtbarsten ökologischen Belastungen. Gerade Deutschland ist europaweit Spitzenreiter in der Verwendung von Kunststoffen. Aber es gibt Lichtblicke. Vor wenigen Tagen stellte die EU einen Aktionsplan gegen Müll vor. Unter anderem sollen Verpackungen gesetzlich reduziert werden.

Warum sind Plastikverpackungen so schlimm? 99 Prozent der Kunststoffe werden aus Erdöl oder Erdgas hergestellt. Allein Plastik herzustellen, pustet viel CO2 in die Luft. Wird Plastikmüll verbrannt, geschieht das ebenso. Recycling ist nur bedingt eine gute Idee. Plastik wiederzuverwerten, verschlechtert dessen Qualität. Daher ist Recycling kaum mehr als einmal möglich, im Vergleich zu anderen Wertstoffen wie etwa Glas. Plastikmüll achtlos weggeworfen bedroht Mensch und Tier. Bis zu Jahrhunderten dauert sein Zerfall. Vor allem in den Meeren tötet er. Meerestiere ersticken daran oder verhungern. Wissenschaftler haben Mikroplastik sogar im menschlichen Körper gefunden. 

Damit Kunststoffe so schön stabil oder formbar sind, werden chemische Stoffe zugefügt wie etwa Phthalate, die auf den Hormonhaushalt wirken oder Krebs fördern. Für eine Einwegverpackung, die in Sekunden aufgerissen und weggeschmissen wird, sind Risiken und Kosten hoch. Können wir uns das leisten? 

Plastikfasten macht Spaß. Und entspannt. Erst einmal bedeutet es, weniger zu konsumieren. Man kann Tipps weitergeben und mit anderen Erfahrungen austauschen. Schmal verpackte Produkte sind zu entdecken. Und die gibt es. Vor allem flüssige Produkte scheinen ohne Plastikverpackung nicht auszukommen. Aber: Vieles braucht gar nicht flüssig zu sein. Früher gab es Waschpulver in Pappkartons, heute reihen sich die Flüssigwaschmittel in Plastikflaschen in den Verkaufsregalen. Früher gab es Seife, heute waschen wir unsere Hände unter Wegwerf-Plastik-Flüssigseifenspendern. Wie konnte es soweit kommen? 

Aber wer suchet, der findet. Zum Beispiel Haarshampoo „am Stück“, in Pappe, das genauso schäumt wie in Plastik. Es gibt Deo-Sticks in Pappe, sogar Zahnpasta als Tabletten im Papiertütchen. Beispiele aus der Körperpflege. So halbiert sich nach und nach der Inhalt des Gelben Sacks. Für Obst und Gemüse etwa gibt’s ein einfaches Rezept: Stoffbeutel.

Schade nur, wenn Menschen viel in ein wenig verpacktes Leben investieren und Plastikhersteller ihre Ware woanders unterbringen, etwa in überdimensionierte Schuhsohlen oder Überverpackungen konventioneller Ware. 

So prophezeit es auch der genannte Greenpeace-Report: „Obwohl immer mehr Forschungsergebnisse über die irreversiblen Schäden, die Kunststoff für Mensch und Umwelt verursachen kann, veröffentlicht werden, wird die Kunststoffproduktion voraussichtlich zunehmen. Die Industrie der fossilen Brennstoffe will die Produktion im nächsten Jahrzehnt um weitere 40 Prozent steigern.“ Und: „Da billig verfügbarer, fabrikneuer Kunststoff den Markt überschwemmt, können Einwegverpackungen aus Kunststoff zu einer Rettungsleine für die Öl- und Gasindustrie werden.“ 

Ausverkauf der Rohstoffe also? Was in Jahrmillionen in der Erde entstand, wir heute in Kürze verpulvert. Fasten setzt dagegen. Denn Fasten heißt auch: Kehret um. Richtungswechsel. Der ist möglich.