Manfred Lütz hat Ratzingers "Einführung in das Christentum" allgemeinverständlich überarbeitet

Für alle heißt für alle

Image
Psychiater und Bestseller-Autor Manfred Lütz
Nachweis

Foto: kna/Julia Steinbrecht

Caption

Manfred Lütz schätzt den verstorbenen Papst Benedikt und Autor Joseph Ratzinger sehr.

Es war ein Bestseller in der Nachkonzilszeit: Die „Einführung in das Christentum“ des jungen Theologen Joseph Ratzinger. Jetzt hat sich Manfred Lütz daran gemacht, das Buch leicht zu überarbeiten: kurz und für alle.

Fast jeder Theologe oder jede Theologin und auch viele andere Gläubige dürften die „Einführung in das Christentum“ kennen. 1968 hat Joseph Ratzinger das Buch geschrieben, damals noch junger Professor und aufleuchtender Stern am Theologenhimmel. „Mein Exemplar hat mir meine erste Freundin geschenkt“, sagt Manfred Lütz. „Ich habe es damals nicht gelesen.“

Erst als der Theologe, Psychiater und Psychotherapeut viele Jahre später für sein Buch „Gott. Eine kleine Geschichte des Größten“ recherchierte, entdeckte er  es neu. „Es war ergreifend, toll, poetisch“, sagt er. „Das Buch hat mir geholfen, meinen Glauben zu vertiefen.“ Und da ist Lütz sicher nicht allein. Das Buch wurde in 23 Sprachen übersetzt, es erschien in mehreren Verlagen und Neuausgaben. Heute lässt sich kaum schätzen, wie viele Leserinnen und Leser es gefunden hat.

Und worum geht es? Um das Glaubensbekenntnis. 1967 hatte der junge Dogmatikprofessor in Tübingen eine Vorlesungsreihe zum Credo gehalten, eine öffentliche Ringvorlesung mit großem Zulauf. 1968 legte er eine ausgearbeitete Fassung der Vorträge als Buch vor, das bereits ein Jahr später 45 000-mal verkauft worden war. Als Theologe konnte man zu dieser Zeit noch ein Massenpublikum erreichen.

Allein: Diese Zeiten sind vorbei. Auch wenn die „Einführung in das Christentum“ sich an ein breites Publikum richtete, schreckt es heutige Leserinnen und Leser durch die vielen Fußnoten und Fremdwörter doch ab. Deshalb sprach 2020 der damalige Chefredakteur der „Herder Korrespondenz“, Volker Resing, Lütz darauf an, ob er das Buch für ein breiteres nichtakademisches Publikum überarbeiten könne.

Benedikt fand das Vorhaben wunderlich

„Ich hielt es für aussichtslos, dass Papst Benedikt diesem Gedanken zustimmen würde“, sagt Lütz. Aber er fragte trotzdem Georg Gänswein nach dessen Einschätzung. „Er riet mir, direkt an den emeritierten Papst zu schreiben“, sagt Manfred Lütz. Und der habe nicht nur positiv geantwortet, sondern auch „witzig, wie das so seine Art war“. Er habe den Gedanken etwas „wunderlich“ gefunden, war aber einverstanden – und er hat die „Kurze Einführung in das Christentum für alle“ sogar noch kurz vor seinem Tod autorisiert.

Und warum soll man diesen über 50 Jahre alten Text heute noch lesen? „Wir erleben zurzeit eine unglaubliche Kirchenkrise“, sagt Manfred Lütz. „Was wir heute brauchen, ist deshalb nicht mehr Kirche, sondern mehr Christentum als Gegengift gegen den überall wieder aufkeimenden Nationalismus, gegen die Verzweiflung der Klimaaktivisten und auch für Atheisten, die die christliche Wertegrundlage unserer Gesellschaft verstehen wollen.“ Kirche, sagt Lütz, sei von 250 Seiten nur auf   sieben Seiten Thema. Glaube auf allen.

Für Lütz ist Joseph Ratzinger ein hochmoderner Autor. „Er setzt sich bei der Frage nach Gott mit moderner Philosophie und Naturwissenschaft auseinander, das sind keine Theologenphrasen“, sagt er. Alles, was Ratzinger positiv über das Christentum schreibt, habe er ungekürzt erhalten, nur die Diskussion theologischer Irrwege und alle Anmerkungen habe er gestrichen, Fremdwörter übersetzt und einiges gestrafft, so dass ein „mitunter funkelnder Text“ zum Vorschein gekommen sei. 

Lesen könne den, sagt Lütz, „jeder, der lesen kann“. Und verweist auf seinen Friseurtest. „Ich habe einen tollen Friseur, dem gebe ich jedes meiner Bücher zuerst zu lesen“, sagt er. Was er nicht verstünde, korrigiere er. „Wir müssen wieder eine Sprache sprechen, die jeder normale Mensch versteht.“

Und hat die „Kurze Einführung für alle“ den Test bestanden? „Naja“, sagt Lütz und lacht, „manches war für meinen Friseur nicht ganz einfach, aber es lohnt sich, auf 250 Seiten das ganze Christentum allgemeinverständlich erklärt zu bekommen“. 

Deshalb eigne sich das Buch für den Religionsunterricht, die Firmvorbereitung, den Gesprächskreis in der Gemeinde, aber auch für die atheistische Nachbarin. „Die Menschen haben ernste, echte Fragen, da reichen keine Kalendersprüche, da braucht es Substanz“, sagt Lütz. Und Substanz hat die „Kurze Einführung in das Christentum für alle“ ganz sicher zu bieten.

Joseph Ratzinger, Manfred Lütz: Kurze Einführung in das Christentum für alle. Kösel, 256 Seiten, 22 Euro

Susanne Haverkamp