Interview mit Prof. Dr. Gottfried Leder
Gemischte Synoden-Bilanz
An diesem Wochenende fällt der Startschuss für den Synodalen Weg (siehe Seite 2). Was ist davon zu erwarten? Darüber sprachen wir mit Prof. Dr. Gottfried Leder, der bereits mehrere Synoden miterlebt und mitgestaltet hat.
Sie sind ein Synodenprofi. Sind Synoden erfolgreich?
Das lässt sich nicht so einfach beantworten. Den Erfolg einer Synode kann man auf unterschiedliche Weise messen. Ich denke beispielsweise an die Würzburger Synode. Die Ergebnisse wurden – bis auf eine einzige Vorlage – von Rom nie beantwortet. Ein einziges Votum, das eine Antwort gefunden hat, war die Bitte, in jedem Jahrzehnt eine gemeinsame Synode der deutschen Bistümer abhalten zu können, eine Beschlussvorlage, die ich übrigens selbst eingebracht hatte. Der Vatikan schickte eine Eingangsbestätigung und teilte mit, die Angelegenheit sei der Kommission zur Vorbereitung des neuen Kirchenrechts übermittelt worden. Als 1983 das neue Kirchenrecht erschien, fehlte jeglicher Hinweis auf gemeinsame Synoden mehrerer Bistümer eines Landes. Papst Johannes Paul II. hat 1981 Deutschland bereist und während seines Aufenthaltes 22 Ansprachen gehalten. Dabei hat er ein einziges Mal die Würzburger Synode erwähnt. Weltkirchlich gesehen kann man die Würzburger Synode also nicht gerade als Erfolg werten. Anders sieht es aus, wenn wir nach Deutschland blicken. Die Würzburger Synode hat das letzte Viertel des 20. Jahrhunderts in Deutschland ganz deutlich geprägt. Es wurden bundesweit Pfarrgemeinde-, Dekanats- und Diözesanräte ins Leben gerufen, der Religionsunterricht erfuhr eine Revision, und es gab einen spürbaren Aufbruch, ein Zwischenhoch für die deutsche Kirche. Die Bilanz fällt also gemischt aus.
Glauben Sie, dass der Synodale Weg in Rom jetzt mehr Aufmerksamkeit findet als die Würzburger Synode damals?
Ich kann nicht mit Gewissheit sagen, dass das so kommt, aber ich habe den Eindruck, dass Papst Franziskus eine Fülle von Gedanken hat, an deren Ende noch ein Fragezeichen steht. Und insofern hoffe ich, dass er offener damit umgehen wird und sich dann auch zu den Beschlüssen äußert. Sicher hat der Papst in seinem Brief an die deutschen Katholiken auch einige Grenzen des Synodalen Weges aufgezeigt, aber er warnt auch vor den Leuten, die gleich die Handbremse anziehen wollen. Nach meiner festen Überzeugung will der Heilige Geist, dass wir uns nicht scheuen, eine gegenteilige Meinung laut und klar zu sagen. Wir müssen uns mit Offenheit begegnen und gegenseitig zuhören. Nur so kann es Fortschritt geben.
Die Synodalversammlung, die erstmals Ende Januar / Anfang Februar tagt, soll 230 Mitglieder haben, darunter 69 Bischöfe und 69 Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, sämtliche deutschen Generalvikare, Vertreter von Orden und Priesterräten, Pastoral- und Gemeindereferenten, Vertreter der katholischen Fakultäten sowie 15 junge Menschen, die höchstens 30 Jahre alt sein dürfen. Ist eine solche Zusammensetzung heute noch zeitgemäß?
In meinen Augen ist das okay. Die Frage nach der Repräsentanz aller Gruppen stellt sich bei jeder Versammlung. Hundertprozentig bekommt man das nie hin. Wichtiger als die Zusammensetzung ist die Kompromissbereitschaft der Teilnehmer, der Wille, um gemeinsame Lösungen zu ringen und vernünftig miteinander umzugehen. Ich möchte an dieser Stelle auf die Hildesheimer Diözesansynode 1989/90 hinweisen, bei der sich relativ früh abzeichnete, dass der damalige Bischof Josef Homeyer nicht alle Beschlüsse der Synode würde mittragen können. Die abweichenden Beschlüsse wurden vom Bischof nicht einfach weggewischt, sondern wanderten in Fußnoten. Das war ein bis dahin einmaliges – und ich finde angemessenes – Vorgehen.
Viele Themen, die jetzt den Synodalen Weg bestimmen, wurden schon vor fast einem halben Jahrhundert auf der Würzburger Synode diskutiert. Drehen wir uns im Kreis?
Es stimmt, viele Fragestellungen sind nicht neu. Dennoch finde ich es richtig, diese Themen immer wieder aufzubringen. Die Kirche kann nicht auf Dauer mit Überzeugungen über Kreuz liegen, die bei ihren eigenen Mitgliedern kaum noch Widerspruch finden. Ich nenne hier mal die Gleichberechtigung und die gleiche Würde von Männern und Frauen. Die Kirche selbst hat ja genau das immer wieder selbst gefordert, hält es aber dann an der ein oder anderen Stelle nicht für zutreffend. Das ist heute nicht mehr vermittelbar. Veränderungen hat es vor allem im Atmosphärischen gegeben. Ich selbst erinnere mich daran, wie ich von einem kirchlichen Amtsträger, dem ich ein Anliegen vorgebracht hatte, regelrecht abgefertigt wurde. So etwas passiert heute nicht mehr. Und wir reden heute auch viel unbefangener über Zölibat oder Frauenpriestertum.
Werden nicht falsche Hoffnungen geweckt, gerade wenn es um das Frauenpriestertum geht? Immerhin hat Papst Johannes Paul II. festgestellt, dass es nicht in der Macht der Kirche liege, hier Änderungen vorzunehmen. Diese Festlegung holt doch der aktuelle Papst nicht zurück.
Immerhin könnte er es. Die betreffenden Aussagen von Johannes Paul II. fallen nicht unter das Unfehlbarkeitsdogma, auch wenn mancher im Vatikan versucht, ihnen einen Hauch von Unfehlbarkeit zu verleihen. Das Unfehlbarkeitsdogma ist seit 1950 nicht mehr angewandt worden, und es wird meiner Einschätzung nach auch künftig nicht mehr angewendet werden. Es ist an viel zu viele Bestimmungen geknüpft, zum Beispiel die übereinstimmende Meinung der Weltbischofsgemeinschaft. Davon kann in diesem Fall keine Rede sein.
Haben Sie keine Angst, dass eine Zulassung von Frauen zum Priesteramt zu einer Kirchenspaltung führt? In Afrika oder Lateinamerika wird das Thema ganz anders beurteilt, aber auch von den konservativen Kräften hierzulande.
Die Sorge teile ich. Aber das kann ja nicht das Ende der Diskussion bedeuten. Das heißt doch nur, dass wir sehr ernstlich reden müssen, dass wir zuhören und die Argumente der Gegenseite ernstnehmen müssen. Eine Kirchenspaltung haben wir in dieser Frage längst. In den Kirchen der Reformation gibt es weibliche Pastoren. Nun ist eine Ordination einer Landeskirche nicht das gleiche wie eine Priesterweihe. Aber wir müssen das dennoch zur Kenntnis nehmen.
Interview: Matthias Bode
Streiter der Laien
Professor Dr. Gottfried Leder, Jahrgang 1929, beschäftigt sich seit seiner Jugend mit der Mitwirkung von Laien in der Kirche. Er war Mitglied der Gemeinsamen Synode der Deutschen Bistümer (1971–1975) und einer von vier Moderatoren der Hildesheimer Diözesansynode 1989/90. Viele Jahre arbeitete er im Vorstand des Diözesanrates und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Er kennt darüber hinaus die Basisarbeit in Pfarrgemeinde- und Dekanatsrat. Engagiert kämpfte er für den Verbleib der katholischen Kirche im System der staatlichen Schwangerschaftskonfliktberatung und gehörte nach dem Ausstieg zu den Gründern von donum vitae. Leder war Professor für Politische Wissenschaft an der Stiftungsuniversität Hildesheim. Im Sommer ist sein Buch „Bei Unrecht: Widerspruch!“ erschienen (lit-verlag, Münster).