Interview mit Schwester Miriam

„Gott hat mich gerufen!“

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Vor einer Woche hat Maria de Rosaria Marques bei den Vinzentinerinnen in Hildesheim ihr Noviziat begonnen. Die aus Mosambik stammende Schwester hatte noch in der DDR ihre Berufsausbildung abgeschlossen und anschließend viele Jahre in Berlin gelebt. Nun hat sie das Ordenskleid angelegt und heißt Schwester Miriam.


 


In Mosambik wurde sie auf den Namen
Maria de Rosaria Marques getauft. Als
Vinzentinerin heißt sie jetzt Schwester Miriam.

Haben Sie sich Ihren Namen selbst ausgesucht?

Generaloberin Schwester Teresa hat für mich den Namen im Gebet empfangen. Miriam ist Moses Schwester. In der biblischen Geschichte begleitet sie ihren ausgesetzten kleinen Bruder, während er in einem Weidenkorb den Nil hinabschwimmt und bringt ihn später wieder mit seiner Mutter zusammen. Deshalb verbinde ich den Namen Miriam mit Liebe, Sicherheit, Zuversicht und Hoffnung.

Begonnen haben Sie Ihr Leben aber als Maria de Rosaria Marques. Warum gaben Ihnen Ihre Eltern gerade diesen Namen?

Als ich zur Welt gekommen bin, war ich sehr krank. Meine Eltern machten sich große Sorgen und beteten mehrmals am Tag für mich. Deshalb nannten Sie mich Maria de Rosaria, was auf Deutsch so viel bedeutet wie Maria vom Rosenkranz.

Sie sind in Mosambik in der Provinz Zambezia geboren und aufgewachsen. 1982, im Alter von 13 Jahren, zogen Sie ohne Eltern in die ehemalige DDR. Wie kam es dazu?

In Mosambik ging ich auf eine Schule, die von Priestern und Nonnen geführt wurde, und diese Menschen begegneten uns Kindern mit einer besonderen Aufmerksamkeit. So sah ein Priester, dass es damals in meiner Familie Schwierigkeiten gab und fragte mich, ob ich an einem Ausbildungsprogramm in Europa teilnehmen wollte. Ich sagte sofort ja, ohne so richtig zu wissen, was das bedeutete. Zum Glück stimmten meine Eltern ebenfalls zu. Vor der Abreise hat mich der Priester gesegnet und meine Mutter gab mir einen Rosenkranz mit. Das hat mir eine ungeheure Zuversicht verliehen, bis heute.

Wie erlebten Sie die DDR der 80er-Jahre?

Um ehrlich zu sein, habe ich nicht viel davon mitbekommen. Wir waren 900 Kinder aus Mosambik und kamen nach Staßfurth bei Magdeburg. Wir gingen, von den deutschen Kindern getrennt, in die Realschule, anschließend absolvierte ich eine Berufsausbildung als Maschinenbauzeichnerin. Alles war darauf ausgelegt, dass wir nach Mosambik zurückkehren und uns am Wiederaufbau nach dem Bürgerkrieg beteiligen sollten. Aber als wir 1988 zurückgebracht wurden, war ein neuer Präsident an der Macht. Ich wurde mit den anderen sofort zum Militär eingezogen. Zum Glück hatten 1989 Vertragsarbeiter die Möglichkeit, mit Unterstützung der Botschaften von Mosambik und der DDR, nach Deutschland zurückzukehren. Zu meinen Gasteltern in Ostdeutschland in Staßfurth hatte ich noch Kontakt, und sie halfen mir sehr, in Deutschland wieder anzukommen.

Inzwischen war es auch in der DDR zum Umbruch gekommen. Hatte das auch Auswirkungen für Sie?

Ja, wie viele Menschen in Ostdeutschland der Wendejahre musste ich mich erst einmal mit Jobs über Wasser halten. Ich zog nach Berlin und arbeitete als Dolmetscherin in einer Brauerei, die Gastarbeiter beschäftigte. Schließlich konnte ich eine zweite Ausbildung absolvieren, zur Krankenschwester, und mir ein Leben in Deutschland aufbauen. Ich hatte Familie, ein Haus, ein Auto. Scheinbar alles, was man braucht. Aber ich merkte, dass dieses Leben nicht alles war. Gott hat mich gerufen und ich bin ihm gefolgt.

Heute sind Sie 53 Jahre alt. Was hat Sie bewogen, das Noviziat bei den Vinzentinerinnen in Hildesheim anzutreten?

Schwester Hanna, die mein Noviziat leitet, ist mir von Anfang an mit so einer Herzlichkeit und Offenheit begegnet. Ich weiß noch, wie sie am Bahnhof stand, als ich das erste Mal in Hildesheim ankam, um mich abzuholen. Nach einem Jahr des Kennenlernens, dem Postulat, habe ich viel gelernt, von Gott und von den Schwestern, die mich begleiten. Dafür bin ich sehr dankbar.

Inwiefern hat sich Ihr Leben verändert, seitdem sie Ordenskleid und Schwesternnamen tragen?

Das Ordenskleid sorgt natürlich für Aufmerksamkeit außerhalb des Klosters. In den ersten Tagen war das schon ungewohnt, wobei viele Menschen auch sehr respektvoll reagieren. So hielt bei meinem ersten Sonntagsspaziergang ein Autofahrer an und winkte, um mich über die Straße zu lassen – nur, ich wollte gar nicht rüber.

Wie sieht denn der Alltag einer Novizin aus?

Ich wohne im Konvent Luise, in einem gemeinsamen Wohnbereich mit vier Schwestern und einer jungen Frau, die unser Angebot „Kloster auf Zeit“ nutzt. Wir starten mit der Laudes um 6.40 Uhr, unserem Morgengebet, in den Tag und gehen später zur heiligen Messe in den Dom. Wir kommen zu den Mahlzeiten im Konvent zusammen, und wir gehen natürlich arbeiten. Bis Januar war ich als Krankenschwester im Altenpflegeheim St. Paulus tätig, das an das Mutterhaus der Vinzentinerinnen angeschlossen ist. Inzwischen bin ich in der Bibliothek zur Noviziatsausbildung beschäftigt. Mit Büchern zu arbeiten ist ein Schatz für mich!

Wie fühlt sich das an, keinen persönlichen Besitz mehr zu haben?

Das war eine Befreiung. Wenig besitzen bedeutet für mich, mehr Ruhe zu haben – für Jesus Chris­tus, für meine Gemeinschaft und für meine Mitmenschen. Das ist für mich das A und O, weil ich mich so verstehe, bin ich im Einklang mit mir.

Interview: Max Balzer