Weihnachten im Gefängnis

"Hauptsache, es geht schnell vorbei"

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Möglichst ausblenden möchten viele Gefangene die kommenden Feiertage, die sie im Gefängnis verbringen müssen. Seelsorger Frank Kribber begleitet sie, feiert mit ihnen Gottesdienste und packt mit vielen Helfern Geschenke.


Als Priester und Seelsorger begleitet Frank Kribber die Inhaftierten in der JVA Lingen auch an den Feiertagen. Foto: Christiane Adam

Weihnachten liegt günstig in diesem Jahr: Da Heiligabend am Sonnabend ist, fällt lediglich der zweite Weihnachtstag auf einen Werktag. Was für die meisten Arbeitnehmer eher ein kleines Ärgernis ist, ist für die Insassen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Lingen eine Erleichterung. „Die meisten sagen: Hauptsache, die Tage gehen schnell vorbei. Das Thema Weihnachten möchten die Menschen hier eher ausblenden, es ist zu belastend“, weiß Frank Kribber, Priester und katholischer Seelsorger in der JVA an der Kaiserstraße in Lingen.

Für den 58-jährigen Wolfgang Nolting (Name geändert) wird es das zweite Weihnachtsfest sein, an dem er in seiner Familie fehlt. Die Familie Nolting begehe das Fest sehr besinnlich, schwärmt er. Die ganze Großfamilie komme zusammen, der Christbaum trage Wachskerzen, und solange diese brennen, lese seine Mutter erbauliche Geschichten vor, was besonders seine Nichten und Neffen erfreue, wie er berichtet.

Nichts davon wird er am kommenden Weihnachtsfest erleben können. Wachskerzen sind im Gefängnis nicht erlaubt wegen der Brandgefahr. Nolting „sitzt“ wegen Steuerhinterziehung ein. Das übernächste Weihnachtsfest wird er wieder mit seiner Familie verbringen können. Die Strapaze einer Reise nach Lingen für einen Besuch im Gefängnis möchte er seiner Ehefrau nicht zumuten. Er habe es verhältnismäßig gut, wie er meint. „Wenn ich wieder rauskomme, kann ich auf etwas aufbauen. Meine Frau und meine Familie stehen hinter mir. Da ergeht es vielen hier anders.“

Weihnachten als Sehnsuchtsbild, weil es so weit weg ist

Das Weihnachtsfest im „Knast“ versuche er so weit wie möglich auszublenden. Kribber weiß, dass es den meisten Häftlingen so ergeht. Er bezeichnet das als ein Paradoxon. „Viele haben ‚draußen‘ gar kein schönes Weihnachten erlebt. Generell ist Weihnachten die Zeit, an dem der meiste Krach in den Familien stattfindet, das ist bekannt. Aber in unserer Gesellschaft herrscht ein idealisiertes Bild von Weihnachten vor: Ich bezeichne das als amerikanische Weihnacht, mit einem bunt geschmückten Tannenbaum, reichlich Geschenken darunter, gutem Essen und einer glücklichen Familie drumherum.“ Dieses Bild sei freilich nur in den seltensten Fällen Realität. Dennoch geistere gerade im „Knast“ – Kribber selbst gebraucht diesen Begriff – dieses Sehnsuchtsbild herum, weil es so weit weg sei.

Er als Gefängnisseelsorger mit seinen Kollegen sowie die Mitarbeiter der JVA versuchen, es den Inhaftierten im Advent und an den Feiertagen so angenehm wie möglich zu machen. Dezente Lichterketten zieren das Außengelände. In der Adventszeit gibt es kleine Feiern, zum Weihnachtsfest wird es ein besonderes Essen geben, und an Heiligabend um 17 Uhr findet in der Gefängniskapelle ein ökumenischer Gottesdienst statt.

400 bis 600 Weihnachtstüten werden gepackt

„Am Ende singen wir ‚Stille Nacht, heilige Nacht‘. Das ist ein ganz schwerer Moment für viele. Denn um die Uhrzeit sitzen in den meisten Haushalten die Familien zusammen. Hier im Gefängnis ist um 19 Uhr allerdings der Nachteinschluss. Dann liegt in der Kirche ein Knistern in der Luft, das ist ganz hart“, schildert der Priester die Atmosphäre.

Weil nicht jeder Insasse gleich viel Geld zur Verfügung habe, was unter anderem damit zusammenhänge, ob jemand arbeiten könne oder nicht, packt Kribber gemeinsam mit seinen Kollegen von der Seelsorge und den Mitarbeitern der JVA Meppen jedes Jahr 400 bis 600 Weihnachtstüten, die sie in der JVA Lingen mit ihren Abteilungen Damaschke, Groß Hesepe und in Osnabrück sowie der JVA Meppen verteilen. 

In diesem Jahr soll die schwere Zeit zudem dadurch verkürzt werden, dass „zwischen den Jahren“ gearbeitet wird. Auch ein Kickerturnier soll für Abwechslung sorgen. „Trotzdem werden wohl erst am 2. Januar alle wieder ein wenig aufatmen“, sagt Kribber voraus.

Christiane Adam