Sorge um Flüchtlinge in Bosnien
Helfer: Situation ist lebensbedrohlich
Nachdem das bosnische Flüchtlingslager Lipa geschlossen wurde, harren tausende Geflüchtete dort ohne ein Dach über dem Kopf aus. Sie sind starkem Schneefall und Kälte ausgesetzt. Hilfsorganisationen fordern schnelles Handeln.
Die ehemaligen Bewohner des bosnischen Flüchtlingscamps Lipa sind nach Einschätzung der Hilfsorganisation Care in einer lebensbedrohlichen Situation. Die Schließung des Lagers einen Tag vor Weihnachten sei "unmenschlich" gewesen, erklärte die Care-Regionaldirektorin für den Balkan, Sumka Bucan, in Bonn. In der Folge seien 1.300 Menschen ohne Heizung und Dach über dem Kopf und wie weitere 2.000, die ohnehin außerhalb lebten, schutzlos dem starken Schneefall und der Kälte ausgesetzt.
Einige Menschen seien mit Sandalen im Schnee zurückgelassen worden, kritisierte Bucan. Das Camp Lipa sei "keine perfekte Unterkunft" gewesen, habe jedoch minimalen Schutz vor Wind, Regen und Schnee geboten. Die große Herausforderung durch eine steigende Zahl von Migranten in Bosnien dürfe nicht dazu führen, "dass Menschen, die Hilfe suchen, nicht erlaubt wird, vor eisiger Kälte Schutz zu suchen."
Lokale und europäische Behörden müssten den gestrandeten Menschen angemessenen Schutz bieten. "Care fordert bedingungslose, lebensrettende Hilfe", so Bucan. Der betroffene Kanton Una Sana liegt direkt an der Grenze zu Kroatien und damit zur Europäischen Union.
Ähnlich äußerte sich die Hilfsorganisation Help. "Wir dürfen die Geflüchteten jetzt nicht alleine lassen", betonte Geschäftsführerin Karin Settele. Die Menschen würden hin- und hergeschoben. Die Behörden müssten handeln.
Die Situation in Bosnien spitze sich zu, mahnte die UNO-Flüchtlingshilfe. Generell habe die Corona-Pandemie die Lage für Menschen auf der Flucht weltweit verschärft, sagte Geschäftsführer Peter Ruhenstroth-Bauer. Der Partner des UN-Flüchtlingshilfwerks rief dazu auf, die Menschen jetzt im Winter nicht zu vergessen.
Obwohl einige Lipa-Bewohner in eine neue Einrichtung gebracht werden sollten, seien zahlreiche andere weiterhin in akuter Gefahr, sagte der Vertreter der Internationalen Organisation für Migration (IOM) im Land, Peter Van der Auweraert, der "Welt". Bosnische Behörden müssten für bewohnbare Unterkünfte sorgen.
Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) erinnerte zudem an die Situation von Flüchtlingen auf der griechischen Insel Lesbos. Menschenrechte müssten "endlich stärker in den Fokus der europäischen Asyl- und Migrationspolitik rücken", forderte ZWST-Direktor Aron Schuster. Das bestehende System sei untragbar. Im neuen Jahr müsse sich etwas verändern, denn aktuell könnten auch Helfer nur noch die Symptome lindern.
Nach Angaben des UNHCR sind derzeit rund 80 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Es handelt sich um ein Allzeithoch; im Vergleich zum Vorjahr sind zehn Millionen Menschen mehr betroffen. Der Bedarf des Hilfswerks, um sie zu unterstützen, lag für das laufende Jahr bei 9,1 Milliarden US-Dollar. Laut Uno-Flüchtlingshilfe standen bis Anfang Dezember nur rund die Hälfte dieser Gelder zur Verfügung.
kna