Flüchtlinge sterben bei Bootsunglück
Hilfswerke fordern lückenlose Aufklärung
Bei einem Bootsunglück sind in Venezuela rund 20 Geflüchtete ertrunken. Auch freie Mitarbeiter der Caritas und von Adveniat sollen darunter gewesen sein. Die Umstände sind unklar. Die Hilfswerke fordern, dass der Vorfall aufgeklärt wird.
Zum Schweigemarsch für die ertrunkenen Flüchtlinge sind Tausende Menschen gekommen. Sie haben Kerzen angezündet, um an die Opfer zu erinnern, die vor wenigen Tagen bei einem Bootsunglück auf offenem Meer zwischen Venezuela und Trinidad und Tobago ertrunken sind. Es sind viele Kerzen in der Nacht. Einige der Toten sollen als freie Mitarbeiter bei Projekten der kirchlichen Hilfswerke Caritas und Adveniat gearbeitet haben. Deswegen ist das Entsetzen bei der katholischen Kirche umso größer. Die Caritas in der Diözese Carupano hat die öffentliche Trauerfeier ausgerichtet.
Bis heute sind die Umstände des Unglücks unklar. Laut Angaben der Angehörigen haben sich die Flüchtlinge in der ersten Dezemberwoche in kleinen Booten auf den Weg gemacht. Vor der Küste des Nachbarlands, seien sie von den Behörden in ein einziges überladenes Boot mit zu wenig Treibstoff gezwungen und zurück nach Venezuela geschickt worden. Es soll dabei auch auf das Boot geschossen worden sein, einige der später aufgefundenen Leichen weisen offenbar Schussverletzungen auf. Das völlig überladene Boot kenterte. Inzwischen werden immer mehr Leichen gefunden. Auch dazu gibt es unterschiedliche Meldungen, lokale Medien berichten von bis zu 23 Toten. Weitere Menschen werden vermisst.
Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat forderte am Donnerstag eine lückenlose Aufklärung der Tragödie. Das Unglück werfe noch einmal ein Schlaglicht auf "die größte Flüchtlingskrise dieses Jahrhunderts in Lateinamerika", sagte der zuständige Adveniat-Länderreferent Reiner Wilhelm in Essen. In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Fluchtversuche von Venezuela nach Trinidad und Tobago. Dabei kam es immer wieder zu tödlichen Bootsunglücken. Laut lokalen Medienberichten werden seit 2018 rund 100 Bootsflüchtlinge vermisst. Das Sterben auf offener See müsse ein Ende haben, so Adveniat. Eine gewaltsame Zurückweisung der venezolanischen Flüchtlinge, darunter oft auch Schwangere und Kinder, sei nicht hinnehmbar.
"Wir schließen uns der Venezolanischen Bischofskonferenz an und fordern eine umfassende und unabhängige Untersuchung der Umstände, die zu diesem Unglück geführt haben", betont Länderreferent Wilhelm. Erst vor wenigen Tagen war die humanitäre Krise in die lateinamerikanischen Schlagzeilen geraten, nachdem Trinidad und Tobago unbegleitete Kinder und Jugendliche aus Venezuela zurückschicken wollte. Ein Gerichtsurteil verhinderte dies.
Ursachen für die Fluchtbewegungen sind ein seit langem schwelender politischer Konflikt verbunden mit einer schweren wirtschaftlichen Krise in Venezuela. "Es fehlt an allem: Trinkwasser, Lebensmittel, Medikamente, Benzin", so Wilhelm. Vor allem die ländliche Bevölkerung leide unter katastrophalen Lebensbedingungen. Sollte sich die Lage im kommenden Jahr nicht ändern, seien neue Fluchtbewegungen zu erwarten. "Lateinamerika muss sich nach Ende der Corona-Krise und damit verbundener Grenzöffnungen auf eine neue Fluchtwelle aus Venezuela einrichten", warnte Wilhelm. Die Weltgemeinschaft, insbesondere die Europäische Union, müsse ihre Anstrengungen erhöhen und Lateinamerika in dieser historischen Krise mit humanitärer Hilfe beiseite stehen.
Insgesamt sind in den vergangenen Jahren mehr als fünf Millionen Menschen aus Venezuela überwiegend in die Nachbarländer geflohen. Menschenrechtsorganisationen und die Vereinten Nationen werfen der Regierung des sozialistischen Präsidenten Nicolas Maduro schwere Menschenrechtsverletzungen wie außergerichtliche Hinrichtungen, Folter und Polizeigewalt vor.
kna/Tobias Käufer