Impuls zur Sonntagslesung am 20.10.2024

Hohe und andere Priester

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Priesterweihe Petersdom
Nachweis

Foto: kna/Cristian Gennari/Romano Siciliani

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Priesterweihe im Petersdom

An diesem und an den kommenden Sonntagen spricht der Hebräerbrief über Priester, genauer: über jüdische Hohepriester und über Jesus als den Priester schlechthin. Was soll das? Und wo sind da unsere katholischen Geistlichen einzuordnen? Ein Erklärstück:

Der Hebräerbrief ist ein Rundschreiben, das sich – wie der Name schon sagt –  an die Hebräer richtet. Gemeint sind jene Gemeinden, zu denen vor allem zu Christus bekehrte Juden gehören. Dem unbekannten Autor ist es wichtig, immer wieder Bezüge zur jüdischen Tradition herzustellen und zu zeigen, dass der neue Glaube kein Widerspruch zum Judentum ist, sondern eine Weiterentwicklung: Jesus ist der erwartete Messias.

1. Die Priester im Judentum 

Um jüdische Tradition geht es auch in den zahlreichen Abschnitten, die sich um den Hohepriester drehen. Das Judentum war – wie fast alle antiken Religionen – eine Opferreligion: Durch Dank-, Bitt- oder Versöhnungsopfer näherten sich die Menschen Gott. Und die Priester waren dafür zuständig, die Opfer der Gläubigen entgegenzunehmen und Gott im Tempel darzubringen – etwa als Brandopfer.

Die Priesterschaft, die traditionell aus dem Haus Levi stammte, hatte verschiedene Rangstufen. Der oberste war der Hohepriester, sein Prototyp Aaron, der, wie das Buch Exodus erzählt, Urenkel des Stammvaters Levi gewesen sein soll (Exodus 6,16-20).

Der Hohepriester hatte fast königliche Funktionen: in religiöser, juristischer und politischer Hinsicht. Gerade unter Fremdherrschaft, wie etwa zur Zeit Jesu, galt er als offizieller Vertreter des Volkes gegenüber der Obrigkeit. Seine überragende kultische Bedeutung zeigte sich besonders darin, dass er allein am Versöhnungstag Jom Kippur, dem höchsten Feiertag, das Versöhnungsopfer darbringen durfte.

Das alles war den judenchristlichen Gemeinden, an die sich der Hebräerbrief richtet, vertraut. Genau deshalb stellt der Brief nun Jesus Christus als den endgültigen Hohepriester vor.

2. Christus, der Hohepriester

Der Bezug ist klar: Jesus ist der, der das endgültige Versöhnungsopfer dargebracht hat: sich selbst. Seit seinem Opfer am Kreuz von Golgota braucht es weder weitere Opfer im Jerusalemer Tempel noch weitere Hohepriester. 

In den Lesungen an diesem und auch an den kommenden Sonntagen wird ausgefaltet, was Jesus außerdem zum Hohepriester macht:

Er kann mitfühlen mit unserer Schwäche, denn er ist „in allem wie wir versucht worden“. (4,15)

Gerade weil er Schwäche kennt und durchlitten hat, kann er für sich und uns das Sündopfer darbringen. (5,3)

Er nimmt sich nicht selbst die Würde des Amtes, „sondern er wird von Gott berufen, so wie Aaron“. (5,4)

„Aber Moment mal!“, werden damals jüdische Leserinnen und Leser gesagt haben. Jesus kann gar kein Hohepriester sein, denn er stammt nicht von Levi und nicht von Aaron ab, sondern, wie in den Evangelien oft betont wird, aus dem Hause Davids. Wie kann ein Davide beanspruchen, Hohepriester zu sein, wo das Amt doch nicht nur durch Berufung, sondern durch Familienzugehörigkeit vergeben wird? 

Auch darauf weiß der Hebräerbrief eine Antwort. Sie lautet: „Gott spricht: Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks.“ (5,6) Doch was den judenchristlichen Leserinnen und Lesern damals unmittelbar verständlich gewesen sein mag, muss hier erklärt werden. Denn wer ist Melchisedek und was ist seine Ordnung?

Von Melchisedek erzählt das Buch Genesis (14,18–20). Er war König von Salem und wird „Priester des Höchsten“ genannt. Denn als er nach einer Schlacht Abram begegnete, segnete er diesen. Abram wiederum „gab ihm den Zehnten von allem“ und erkannte ihn so als (vorjüdischen) Priester an. Sein Priestertum ist dem späteren aaronitischen und levitischen also in gewisser Weise vorgeordnet.

So gilt für Jesus Christus: Er ist ein Hohepriester nach dem Vorbild Melchisedeks, „der nicht, wie das Gesetz es fordert, aufgrund leiblicher Abstammung Priester geworden ist, sondern durch die Kraft unzerstörbaren Lebens“. (Hebräer 7,15–16) Und dann zitiert der Brief den Vers aus Psalm 110, der über den kommenden Messias sagt: „Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks.“ (Hebräer 7,17)

Diese Lehre hat sich im Prinzip durchgesetzt. Christus war der letzte Hohepriester, der das endgültige Opfer dargebracht hat, sich selbst. Weitere oder andere Opfer sind seitdem nicht notwendig. Im Prinzip. Denn wenn Opfer nicht notwendig sind, warum sind dann trotzdem weiterhin Priester notwendig?

3.  Das Priestertum heute

Die ersten Christengemeinden standen in einem Dilemma: Einerseits kannten sie aus der jüdischen wie der heidnischen Herkunft Priester, die den Kult leiteten. Andererseits war klar, dass es seit dem Opfer Christi keine Priester der alten Art mehr braucht. 

Im Neuen Testament wird deshalb allein Jesus Christus ausdrücklich als „hiereus“ (Priester) bezeichnet. Die getauften Christen bilden hingegen insgesamt „eine königliche Priesterschaft“ (1 Petrus 2,9) und sind von Christus „zu Priestern vor Gott“ gemacht (Offenbarung 1,6; 5,10).

Dennoch brauchte die junge Kirche Leitung und so setze man dafür „presbyteroi“ (Älteste) ein (Apostelgeschichte 14,23; 20,17) – die man sich eher wie eine Leitungsgruppe vorstellen muss, nicht wie Einzelpersonen. Zu ihren Aufgaben gehörte die Verkündigung des Evangeliums, das Gebet, aber wohl auch das Brechen des Brotes und die Salbung der Kranken (Jakobus 5,14). An manchen Stellen ist erwähnt, dass Älteste durch Handauflegung eingesetzt wurden (Apg 6,6; 2 Tim 1,6).

Aus diesen Anfängen entstand ab dem zweiten Jahrhundert die bis heute verbreitete dreigliedrige Struktur aus Bischof, Priester und Diakon, wobei sich der deutsche Begriff Priester aus dem biblischen Ältesten, dem „presbyteros“, entwickelt hat. Dass heutige katholische Priester aber nichts mit den jüdischen (Hohe)Priestern zu tun haben, erkennt man an einer Formulierung bei der Weihe. Denn auch sie sind – wie Jesus Christus – „Priester nach der Ordnung Melchisedeks“.

Susanne Haverkamp