Ordensschwestern in Brasilien

Idealismus führt zum Einsatz für die Armen

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Man kann mit wenigen Dingen auskommen und in schlimmen Lebenslagen dennoch dankbar sein – das hat Schwester Hildburg in Brasilien erlebt. Sie sprach in in Kloster Oesede auf Einladung des Heimatvereins.


Schwester Hildburg sprach in der Remise der Klosterpforte über ihre Wirken in Brasilien. | Foto: Andrea Kolhoff

Der Wille, den Armen und Aussätzigen zu helfen und eine gewisse Abenteuerlust kamen zusammen, als Schwester Hildburg Averbeck 1972 nach Brasilien ging, um in der Mission zu arbeiten. 1961 war sie in den Orden der Thuiner Franziskanerinnen eingetreten und wurde Lehrerin. Elf Jahre später ging sie für den Orden nach Brasilien und war im Amazonasgebiet im Bundestaat Acre tätig. Wie sehr die Jahre in Brasilien die Ordensfrau aus Bakum (Kreis Vechta) geprägt haben, berichtete sie bei einem Frühstücksvortrag des Heimatvereins Kloster Oesede.

Schon bei ihrer ersten Reise ins Buschland des Amazonasgebietes, in dem die Dörfer nur per Boot zu erreichen sind, kam die damals 30-jährige an ihre Grenzen. Gemeinsam mit dem Pater, den sie begleitete, trat sie in die Hütte eines Mannes, der vom Aussatz verunstaltet war. Da saß dieser Mann, „ohne Füße, ohne Finger, das Gesicht zerfressen“, und drehte mit den Handstumpen Zigaretten, die er verkaufte, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Schwester Hildburg war auf den Anblick und den Geruch in der Hütte nicht vorbereitet, sie musste nach draußen gehen und sich übergeben. „Und da war ich nun mit meinem ganzen Idealismus“, sagt sie aus der Perspektive von heute.

Katechese und Betreuung der Kranken

Später jedoch lernte sie, sich gerne um die Kranken zu kümmmern. Doch ihre Hauptaufgabe bestand in der Katechese und Seelsorge für die Menschen in den abgelegene Gebieten. Die Diözese, in der sie arbeitete, umfasste den halben Bundesstaat, „ein Gebiet, 30-mal so groß wie die Bundesrepublik“. Dreimal im Jahr kamen die Wortgottesdienstleiter der kleinen Dörfer zu Schulungen zusammen, „sehr begeisterte Menschen!“, sagt Schwester Hildburg. Als Material besitzen sie nur die Bibel, doch sie legen sie klug aus und inspirieren sich gegenseitig. Mit ihnen hat Schwester Hildburg viel über Gottes Wort gesprochen.

Außerdem war sie regelmäßig zu Besuchen in den Buschdörfern unterwegs, zusammen mit Schwester Bernadette, einer brasilianischen Ordensfrau. Zu zweit unterwegs in einem kleinen Boot, begleitet von dem Bootsführer, konnten sie auf diesen Fahrten nur das Nötigste mitnehmen. Was gerade so in einen kleinen Rucksack passt. „Da habe ich gelernt, wie wenig der Mensch eigentlich wirklich braucht.“ Zurück in Deutschland, war sie bisweilen schockiert davon, was in einem Industrieland alles für notwendig erachtet wird.  

Auf ihren Reisen unterwiesen die Schwestern die Mütter, mit Erlaubnis des Bischofs durften sie auch taufen.  Sie nahmen die Mahlzeiten mit den Familien in ihren Hütten ein „und wenn diese nichts hatten, dann aßen wir auch nichts“, sagt Schwester Hildburg. Viele Familien leben von Fischfang, aber es sei selten, dass länger als ein, zwei Tage nichts auf den Tisch kommt. Denn selbst wenn nichts gefangen wird, gibt es immer noch den Brei aus sättigendem Maniokmehl. Das Mehl wird aus der Maniokwurzel hergestellt.

Einzige Abwechslung für die blinde Frau war ein Transistorradio

Die Menschen leben am Fluss und vom Fluss. Ihre Ernte fahren manche Familien mit den Booten zum Markt in die Stadt und verkaufen dort Bananen, Apfelsinen und Zitronen. Das warme Klima erleichtert das Leben, denn wärmende Kleidung oder Decken sind zum Überleben nicht notwendig.

Wie zufrieden man selbst unter fatalen Lebensumständen sein kann, auch das hat Schwester Hildburg in Brasilien gelernt. Auf einer der Reisen stießen der Pater und sie auf eine Hütte, in der eine alte Dame saß, die wegen ihres Aussatzes von Mann und Sohn verlassen worden war. Manchmal brachte eine Nachbarin ihr Essen vorbei. Die Frau ohne Füße saß auf dem Boden, einzige Abwechslung für die Blinde war ihr Transistorradio. Als sie gefragt wurde, wie es ihr gehe, antwortete sie „gut“ und stimmte ein Lied über Jesus an, in dem es heißt, Jesus mache sie froh, Jesus habe sie befreit, sie gehe ihm entgegen. Dazu klatschte sie mit ihren Handstümpfen den Takt.

Die Frau wurde in ein Pflegeheim gebracht und hat dort noch 15 Jahre gelebt. Immer wenn Schwester Hildburg sie dort besuchte, spürte sie das Gottvertrauen dieser Frau. Sie habe in Brasilien gelernt, dass man auch in schlimmen Situationen sein Gottvertrauen nicht verlieren darf.

Mit Gottvertrauen  geht Schwester Hildburg auch in Deutschland an die Arbeit. Im St.-Anna-Stift in Hagen ist sie derzeit im Besuchsdienst tätig.

Andrea Kolhoff

Am 16. April gibt es nach der Frühstücksrunde in der Klosterpforte (9 Uhr) einen Vortrag über Fronleichnamsprozessionen in Kloster Oesede. Das Jahresprogramm des Heimatvereins Kloster Oesede gibt es hier