Gedenktag für die Corona-Toten
Innehalten in der Pandemie
Rund 80.000 Menschen sind bislang am Coronavirus gestorben. Am Sonntag laden Staat und Kirchen an vielen Orten dazu ein, ihnen zu Gedenken. Einen Schlusspunkt kann und soll der Gedenkakt aber nicht setzen.
Es soll ein Moment des Innehaltens, des Zusammenhaltens und des Mitgefühls werden: Für Sonntag laden Staat und Kirchen an vielen Orten in Deutschland zum Gedenken an die Todesopfer in der Corona-Pandemie ein. Zentral sind ein staatlicher Gedenkakt und ein ökumenischer Gottesdienst in Berlin geplant, die live übertragen werden. Mitten in der dritten Welle der Pandemie ist beides wegen des Infektionsschutzes auf den kleinsten Kreis beschränkt. Erwartet werden die Spitzenvertreter der Verfassungsorgane sowie einige stellvertretend ausgewählte Angehörige.
Im Vorfeld kamen durchaus kritische Fragen zu dem geplanten staatlichen Gedenken auf: Warum schon jetzt, wo die Pandemie doch keineswegs überwunden ist? Warum wird der an oder mit dem Coronavirus Gestorbenen staatlich gedacht, nicht aber der vielen Menschen, die Jahr für Jahr an anderen Krankheiten wie etwa Krebs sterben? Sollte der Staat, den manche aufgrund von Fehlern und Versäumnissen in der Pandemiebekämpfung als mitverantwortlich für einen Teil der Toten ansehen, sich nicht zurücknehmen, um vorhandene Bitterkeit nicht noch zu verstärken?
Um all dies hat man sich im Bundespräsidialamt nach eigenen Angaben Gedanken gemacht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte im September einen staatlichen Gedenkakt angeregt. Damals näherte sich die Zahl der Corona-Toten in Deutschland der 10.000er-Marke. Bis zum Sonntag werden es voraussichtlich rund 80.000 sein. Dass hinter den täglich vermeldeten Zahlen jeweils Schicksale und Menschen stehen, auch daran wollen Staat und Kirchen erinnern.
Wann die Pandemie überwunden sein wird, weiß derzeit niemand genau. Spürbar sei aber ein großes Bedürfnis in der Bevölkerung nach einem Moment des Innehaltens, hieß es im Vorfeld aus dem Bundespräsidialamt. Der Gedenkakt setze keinen Schlusspunkt. Aus Sicht des Bundespräsidenten ist es jedoch geboten, der Toten zu gedenken und den Hinterbliebenen Mitgefühl zu zeigen. Ausdrücklich nimmt Steinmeier dabei auch diejenigen in den Blick, die zwar nicht am Virus, aber aufgrund der Kontaktbeschränkungen einsam und allein gestorben sind.
Da praktisch alle Menschen gemeinsam von der Pandemie betroffen seien, rechtfertige dies auch einen zentralen Gedenkakt, argumentiert man im Bundespräsidialamt. Zugleich sei dem Bundespräsidenten bewusst, dass im staatlichen Handeln auch Fehler gemacht worden seien. Er plädiere jedoch dafür, bei aller Bitterkeit über Versäumnisse immer die Bereitschaft zu erhalten, das Bemühen um das bestmögliche Ergebnis, den guten Willen nicht in Abrede zu stellen.
Im Konzerthaus Berlin am Gendarmenmarkt soll nun also der Toten der Pandemie gedacht werden. Dazu wurde der Konzertsaal freigeräumt. In der Mitte werden in einem Kreis die Vertreter der Verfassungsorgane mit Hinterbliebenen und deren Begleitung sitzen. Neben dem Bundespräsidenten sprechen vier der Angehörigen. Jeweils ein Vertreter der Staatsspitze wird zusammen mit einem Hinterbliebenen eine Kerze an einem Gedenkort in der Mitte aufstellen. Im Anschluss sind Fotos von etwa 120 Verstorbenen aus ganz Deutschland zu sehen.
Die Kerzen greifen dabei auch die Symbolik der Aktion #lichtfenster auf, zu der Steinmeier im Januar aufgerufen hatte. Er ermunterte damals dazu, abends gut sichtbar ein Licht in die Fenster von Wohnungen und Häusern zu stellen.
Vor dem Gedenkakt feiern die christlichen Kirchen in Anwesenheit der gesamten Staatsspitze einen ökumenischen Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Die Gedächtniskirche sei der richtige Ort zum Gedenken an die Toten und Hinterbliebenen, erklärte der Sprecher der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Der im Kirchenraum schwebende Christus sei ein starkes und tröstendes Bild.
Predigen werden der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing. Auch Vertreter jüdischen und muslimischen Glaubens sowie der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), Erzpriester Radu Constantin Miron, wirken mit.
Zum vorerst einmaligen bundesweiten Corona-Gedenken werden am Sonntag auch viele Flaggen auf halbmast wehen. Ob und wann es eine weitere zentrale Gedenkfeier geben wird, hängt wie so vieles vom weiteren Verlauf der Pandemie ab.