Wechselhaftes Leben bis zum Ordenseintritt

Irish Folk und lateinischer Choral

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Pater Niklaus, Neuzelle
Nachweis

 Foto: Ruth Weinhold-Heße

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Pater Niklaus ist nicht nur bei den Zisterziensern in Neuzelle angekommen. Auch bei sich. Und bei Gott.

Lukas Schneider studierte mal dies, mal das, verdiente sein Geld in Bands, feierte und trank gern. Ein Ziel im Leben hatte er nicht. Bis er seine Liebe zu den Psalmen entdeckte. Und bei Google auf die Zisterzienser stieß. Heute lebt er als Pater Niklaus in Neuzelle.

Mit seinem langen roten Bart kann man sich Pater Niklaus wunderbar als Gitarristen in einer Irish-Folk-Band vorstellen – wenn man sich sein Ordensgewand und den Rosenkranz in seiner Hand wegdenkt. Gerade hat der 32-Jährige am Mittagsgebet in der atemberaubend schönen barocken Stiftskirche St. Marien in Neuzelle in Brandenburg teilgenommen. Er ist einer von acht Zisterziensermönchen, die an der Oder die klösterliche Tradition wieder beleben. 

Der lateinische Liturgiegesang beginnt morgens um fünf und begleitet Pater Niklaus den ganzen Tag über. „Das ist eine Musik der Jahrhunderte, die durch Gebet entstanden ist. Sie ist wunderschön“, sagt er und schiebt hinterher: „Manchmal sind die Gebetszeiten auch eine Last. Das ist aber in monastischen Gemeinschaften normal.“ Pater Niklaus ist ein sehr ehrlicher Mensch.

» Nach und nach wurde die Kirche uninteressant. «

Deshalb versteckt er auch nicht, durch welche Tiefen er gegangen ist, bevor er sich den Zisterziensern zuwandte. Als Lukas Schneider wurde er 1991 in Lindenfels in Hessen geboren. Eine große Leidenschaft wurde schon in seiner Kindheit die Musik, mit sechs Jahren begann er, Gitarre zu spielen. Der Glaube spielte durchaus eine Rolle in der Familie. „Meiner Mutter und meinem Vater war es wichtig, dass wir als Familie die sonntägliche Messe besuchen“, erzählt er. Die Mutter ist katholisch, der Vater war zunächst evangelisch, bevor er sich firmen ließ. „Nach und nach aber wurde die Kirche uninteressant, der sonntägliche Gottesdienst eine Last und ich ging nur mit, um meinen Eltern einen Gefallenzu tun.“

Schon früh begann Lukas Schneider, Alkohol zu trinken, empfand sein Leben als „ziellos“ und schaffte das Abitur gerade so. Das Studienfach wechselte er mehrmals, bevor er sich in Mainz für Geschichte und katholische Religion auf Lehramt einschrieb – weil der bescheidene Notenschnitt nichts anderes hergab.

Seinen Lebensunterhalt verdiente er damals in einer Irish-Folk-Band, in der er je nach Lied jedes Saiteninstrument spielen konnte. Mehrmals überlegte er, komplett auf die Musik umzusteigen. 

Lukas Schneider liebte Partys, feierte auch unter der Woche, konsumierte immer mehr Alkohol und schließlich auch Drogen. Doch seine Fragen wurden immer existenzieller: „Es ging so weit, dass ich sagte: ‚Gott, entweder du hast einen Sinn für mein Leben oder ich brauche nicht zu leben.‘“ Denn es stand für ihn nie infrage, dass es Gott gibt.

» Das war kein Gefühl, eher wie eine innere Erkenntnis. «

Dann kam ein Erlebnis, „das für immer mein Leben veränderte“, sagt er. Nach einem durchfeierten Wochenende im Sommer 2016 nahm er ein Stundenbuch in die Hand, das seine Mutter ihm einmal geschenkt hatte, und begann die Psalmen zu lesen. „Das berührte mich tief. Ich spürte plötzlich einen großen Frieden und die Gewissheit, dass ich mich auf den Weg machen muss. Das war kein Gefühl, eher wie eine innere Erkenntnis.“ Lukas Schneider suchte sich einen Priester und sprach wöchentlich mit ihm; in ihm reifte der Gedanke, sein Leben ganz Gott zu weihen.

Ein Kloster auf Zeit, wo er das ausprobieren konnte, fand er über die Google-Suche. „Ich bin eigentlich ein fauler Mensch“, sagt er und lacht. Doch als er beim Klosterstift Heiligenkreuz in Österreich ankam, dem ersten Treffer der Suche, zweifelte er, ob er trotz sieben Stunden Fahrt nicht besser umdrehen sollte. Aber er stieg aus und begegnete einem jüngeren Bruder, der ihn willkommen hieß. „Ich habe ganz schnell gemerkt: Hier bin ich irgendwie richtig. Es war eine große Verliebtheit in diesen Ort und auch in dieses Leben“, sagt er. „Die lebendige Beziehung zu Gott, der mein Leben direkt berührt, ist mir in Heiligenkreuz das Wichtigste geworden.“

Im April 2017 trat er als Postulant in Heiligenkreuz ein und legte am 15. August 2022 die ewige Profess ab. Mit einer Diplomarbeit im Fach Liturgiewissenschaft schloss er das Theologiestudium ab, wurde am 6. November 2022 zum Diakon und an Christi Himmelfahrt 2023 von Kardinal Christoph Schönborn zum Priester geweiht. Pater Niklaus – so heißt er jetzt.

Bereits zur Gründung des neuen Tochterklosters von Heiligenkreuz in Neuzelle 2018 war Pater Niklaus das erste Mal in Brandenburg. Er machte ein paar Mal hier Urlaub und hielt den Kontakt zu den Brüdern. Im Januar 2023 wurde er ganz nach Neuzelle geschickt und unterstützt inzwischen nicht nur die Pfarrei, sondern auch die katholische Grundschule in Neuzelle. Das Grundschullehramt wird er als Quereinsteiger weiterverfolgen, so dass er irgendwann neben Religion auch Deutsch und Mathe unterrichten kann.

Nach wie vor ist die Musik wichtig für Pater Niklaus, seine Gitarre steht griffbereit neben seinem Bett in seiner Zelle. In Heiligenkreuz erlebte er in der Lobpreismusik eine neue Form der Anbetung. Wenn in Neuzelle die Jugendvigil gefeiert wird, steht Pater Niklaus auf der Bühne – fast wie früher. „Aber jetzt ist mir klar, dass eigentlich nicht ich auf der Bühne stehe, sondern dass es eine Bühne für Gott ist.“

Zur Sache
Das Kloster Neuzelle im Landkreis Oder-Spree wurde zwischen 1300 und 1330 erbaut. Der dortige Zisterzienser-Konvent hielt als einer der wenigen auch der Reformation stand, obwohl die Klosteranlage schwer beschädigt wurde. 1817 musste der Konvent das Kloster verlassen, als Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. es säkularisierte. Im November 2016 beschloss die Zisterzienserabtei Stift Heiligenkreuz in Österreich, einer Einladung des Bischofs von Görlitz, Wolfgang Ipolt, zu folgen und Kloster Neuzelle wiederzubesiedeln. Heute leben dort acht Mönche – derzeit noch provisorisch im katholischen Pfarrhaus Neuzelle und einer zusätzlich angemieteten Wohnung.

 

Ruth Weinhold-Heße