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Ist Maria Mittlerin?

Ein Vers in der Bibel irritiert mich: Laut 1 Timotheus 2,5 gibt es keinen Mittler zwischen Gott und den Menschen außer Jesus. Es heißt heute aber, dass Maria auch Mittlerin ist. Wie kann das sein? Bärbel Becker, per E-Mail

Christus, der Sohn Gottes, ist der einzige Erlöser. Er verbindet göttliche und menschliche Existenz und ist auch der einzige Mittler in dem Sinn, dass das, was er ist und getan hat, nicht ergänzt, erneuert oder gar ersetzt werden kann. So hat es auch das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) in der dogmatischen Kirchenkonstitution „Lumen gentium“ festgehalten, in der auch ein Kapitel über Maria zu finden ist (das Kapitel 8). 

Maria wirkt durch ihr Ja zum Willen Gottes daran mit, dass Jesus, der Erlöser, geboren wird, begleitet sein Leben und hält auch unter dem Kreuz fest zu ihm. So hat sie herausragenden Anteil am Erlösungswerk Christi, ist aber nicht selbst Erlöserin oder Miterlöserin auf gleicher Ebene wie Jesus Christus.

Sie wird von mehreren Päpsten in unterschiedlichen Dokumenten als Fürsprecherin, Helferin, Beistand und Mittlerin genannt. Das Konzil schreibt dazu nach einem Wort des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand aus dem 4. Jahrhundert: „Das ist aber so zu verstehen, dass es der Würde und Wirksamkeit Christi, des einzigen Mittlers, nichts abträgt und nichts hinzufügt“ (Lumen gentium Nr. 62). 
Maria wurden im Lauf der Kirchengeschichte viele Titel und Attribute zugeschrieben, die ihre herausgehobene Stellung und ihre Verehrung ausdrücken. Allein die Lauretanische Litanei aus dem 16. Jahrhundert zählt 50 Namen und Titel für Maria auf; die Volksfrömmigkeit kennt unzählige weitere, darunter auch „Quelle aller Freuden“, „Rose ohne Dornen“, „Mutter der Kirche“ oder „Mittlerin aller Gnaden“.
Dogmatisiert sind bisher vier Aussagen über Maria: ihre Gottesmutterschaft, die Jungfräulichkeit, dass sie selbst ohne Erbsünde empfangen wurde und ihre leibliche Aufnahme in den Himmel. Diese Dogmen sind Ergänzungen zum biblischen Zeugnis. 

Allein dieses biblische Zeugnis Mariens bietet aber schon eine Vielzahl von Gründen für ihre Verehrung. Dieses Potenzial ist vielleicht noch gar nicht ausgeschöpft.

Michael Kinnen