Das Death Café in Oldenburg

Kaffe, Kuchen, Tod

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Im Death Café in Oldenburg tauschen sich Fremde bei einem Stück Torte über das Sterben aus. Es geht um persönliche Erfahrungen und gesellschaftliche Debatten, vor allem aber darum, wie man sich den eigenen Tod vorstellt.  

Auf einem Tisch stehen Kaffeetassen und Bilder von Blumenvasen.
Eine schön gedeckte Kaffeetafel mit humorvoller Deko: Das nimmt dem Thema Tod die Schwere.

Von Sandra Röseler

Zum Gespräch über den Tod isst Lucia Loimayr-Wieland am liebsten Sachertorte. Die gebürtige Österreicherin hat in Oldenburg mit Ehrenamtlichen und Studenten ein Death Café ins Leben gerufen. Dort treffen sich Fremde und unterhalten sich bei Kaffee und Kuchen über das Sterben. Das Konzept stammt aus London und ist mittlerweile weltweit verbreitet.

Egal, ob in Indien, Nigeria oder Island: Der Eintritt muss immer kostenfrei sein und – ganz wichtig – es muss Kaffee und Kuchen angeboten werden. „Weil es sich leichter über den Tod sprechen lässt, wenn es etwas Warmes und etwas Süßes gibt“, erklärt Loimayr-Wieland. In Oldenburg findet das Death Café dreimal im Jahr statt, meistens zwischen November und Februar. Einmal hätten sie einen Termin im Mai versucht, das sei aber nicht so gut angekommen: „Die Leute nutzen eher die trüberen Monate, um sich dem Thema zu widmen.“

Für das Café stellen die Organisatorinnen im Foyer einer Spielstätte des Oldenburger Theaters mehrere Tische mit je fünf bis sechs Stühlen auf. Rund 35 Teilnehmer kommen pro Termin und finden sich dann in Gruppen zusammen. Auf den Tischen stehen Geschirr, Kekse und Dekoartikel mit dem Logo des Death Cafés: ein kaffeetrinkendes Skelett mit schwarzer Kapuze auf pinkem Hintergrund. In einer Sprechblase neben ihm steht auf Englisch: „Entspannt euch! Ich bin nur wegen des Kuchens hier!“ 

Man muss auch mal über den Tod lachen können

Einige Leute fänden diesen humoristischen Blick auf den Tod makaber, sagt Loimayr-Wieland. Als ambulante Hospizbegleiterin hat sie täglich mit dem Tod zu tun – und findet es deshalb umso wichtiger, dass man auch mal über ihn lachen kann. Das nehme ihm ein bisschen den Schrecken. Überhaupt sollte man sich möglichst früh mit dem Sterben beschäftigen, sagt sie: „Das macht das Leben leichter.“ 

Einmal habe eine Frau beim Death Café erzählt, dass sie sich ihren eigenen Sarg gestaltet hat – mit Malereien und ihren Lieblingsgedichten an der Innenseite des Deckels. Den Sarg habe sie so schön gefunden, dass sie sich jetzt schon fast darauf freue, mal drinzuliegen, sagt Loimayr-Wieland. Damit sich die Gäste trauen, solche Themen anzusprechen, gibt es am Beginn jedes Death Cafés einen kurzen Impuls. Zum Beispiel einen Film über Menschen, die sich ihre Särge selbst schreinern, oder über den Totenkult in anderen Ländern. Daran können die Tischgruppen anknüpfen.  

Und wer diskutiert da so miteinander? „Ganz gemischt“, sagt Loimayr-Wieland. Der Großteil der Gäste sei schon älter und beschäftige sich deshalb automatisch mehr mit dem Tod. Viele erzählen, dass sie ihre Gedanken und Sorgen mit ihrer Familie nicht teilen können. Da heißt es dann: „So darfst du gar nicht denken.“ Oder: „Darüber will ich gar nichts hören.“ Sätze, die nett gemeint sind, aber dazu führen können, dass sich Menschen mit dem Thema alleingelassen fühlen. 

Beim Death Café erzählen sie dann beispielsweise davon, wie sie sich ihren eigenen Tod vorstellen, wie sie gern beerdigt werden möchten und welche Fragen sie sich stellen. Viele wüssten gar nicht, was alles möglich ist, sagt Loimayr-Wieland. Zum Beispiel, dass man, wenn man im Krankenhaus stirbt, noch einmal nach Hause gebracht werden darf. 

Woran liegt es, dass viele unsicher sind, was den Tod angeht? Ist er ein Tabuthema? „Das nicht“, sagt Loimayr-Wieland.  „Aber viel Raum bekommt er nicht.“ Das merke man auch jetzt in der Corona-Pandemie, während der wir außergewöhnlich viel mit dem Sterben konfrontiert werden. „Aber anstatt sich Zeit für die Trauer zu nehmen, reden wir lieber darüber, was wir aus der Krise lernen können“, sagt Loimayr-Wieland. Sie findet, dass der Tod mehr diskutiert werden sollte – schließlich verbindet er uns Menschen wie fast nichts anderes. „Eines haben wir alle gemeinsam: dass wir sterblich sind.“ 

Was kommt danach? Der Himmel oder das Nichts? 

Auch um solche gesellschaftlichen Debatten geht es im Death Café, ebenso um politische Streitfragen wie die Sterbehilfe. Andere Gäste möchten ihre Erfahrungen mit dem Tod von Angehörigen teilen. Auch das ist möglich – wobei ein Death Café keine Trauerbegleitung anbieten soll und darf. Und noch etwas ist bei Death Cafés wichtig: Sie sollen keine Werbung machen, weder für Bestattungsunternehmen noch für den Glauben. 

Religion sei aber trotzdem ein Thema – sogar oft, sagt Loimayr-Wieland. Vor allem die Frage, wie man sich das Leben nach dem Tod vorstellt, diskutierten die Leute gern. Manch einer erzählt dann von seiner christlichen Grundüberzeugung, andere berichten, dass sie einfach an etwas Größeres glauben, das sie erwartet. Loimayr-Wieland sagt, auch Menschen, die überhaupt nicht gläubig seien, hätten eine Vorstellung von dem, was nach dem Tod kommt – selbst wenn es „das Nichts“ ist: „Sie können dieses Nichts erstaunlich gut beschreiben.“