Diskussion um Abrisse von Kirchen

Keine Priester, keine Beter: kann weg?

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Man muss nicht drumherumreden: Es gibt zu viele Kirchen. Oder zu wenig Gläubige. Deshalb werden die Bistümer in den kommenden Jahren um Kirchenschließungen nicht herumkommen. Das ist für alle Beteiligten schmerzhaft. Deshalb muss jede Entscheidung gut überlegt sein.

Foto: kna
160 katholische Kirchen wurden seit dem Jahr 2000 abgerissen.
Eine davon ist der Immenrather Dom. Dies war allerdings
nicht dem Niedergang der Kirchen geschuldet,
sondern dem Braunkohletagebau. Foto: kna

Stellen Sie sich vor, das da rechts ist Ihre Kirche. Dort, wo Sie geheiratet haben, wo Ihre Kinder getauft wurden, wo Sie das Requiem für Ihre Eltern gefeiert haben. Jetzt soll sie weg. Keine Priester mehr da, die Messe feiern, keine Gläubigen, die mitfeiern, die Bausubstanz schlecht. Eine Messe noch, dann kommt der Bagger.


Lange dachte man: kann nicht sein. Heute weiß man: kann wohl sein. Seit dem Jahr 2000 wurden in Deutschland 538 katholische Kirchen aufgegeben. Davon hat man 160 abgerissen, 142 verkauft, der Rest wird anderweitig kirchlich genutzt oder wartet noch auf eine Entscheidung.

Bedenkt man, dass es gleichzeitig rund 22 000 Kirchen und Kapellen gibt, klingt das überschaubar. Aber erstens ist jede Kirche, die im Bauschutt endet, für die Gemeinde ein mittleres Drama, zweitens sind die Regionen in Deutschland sehr unterschiedlich betroffen – der Norden deutlich mehr als der Süden – und drittens stehen wir erst am Anfang. In vielen Bistümern wird in den kommenden Jahren der Baubestand drastisch reduziert werden – auch wenn kaum jemand die Planzahlen herausgeben will.


Grün, gelb oder rot: Die Zukunft der Kirchen  steht fest

Eine Ausnahme ist das Bistum Essen. Dort sind die Planungen schon weit fortgeschritten; seit Anfang 2018 gibt es sogar eine eigene Abteilung für Immobilienentwicklung. „Die Pfarreien haben in einem dreijährigen Prozess überlegt, wie sie mit ihren Kirchen, Gemeindehäusern oder Pfarrhäusern umgehen wollen“, sagt Peter Geisler, der Leiter der Abteilung. Grün, gelb und rot haben sie die Gebäude gekennzeichnet – auf der Maßgabe des pastoralen Bedarfs und der finanziellen Möglichkeiten. „Die Voten der Pfarreien wurden an den Bischof gegeben, und er hat jedes einzelne bestätigt.“ 


Die da oben haben also nicht selbstherrlich entschieden – aber was die da unten entschieden haben, gefällt auch nicht jedem. „Die Pfarrgemeinderäte und Kirchenvorstände haben versucht, viele in der Gemeinde zu beteiligen“, sagt Peter Geisler. Aber in den jetzigen Großpfarreien mit zahlreichen Standorten ist doch „jedem der eigene Kirchturm am meisten ans Herz gewachsen“. 


Und der muss auch nicht unbedingt fallen. Denn was mit den Kirchen geschieht, die nicht Gemeindekirche bleiben, ist längst nicht entschieden. Verkauf, Abriss oder Nutzung für einen kirchennahen Zweck – alles ist möglich. „Manche Gemeinden haben einen Förderverein gegründet und Ideen entwickelt, wie man die Kirche auch für Gottesdienste erhalten kann“, sagt Geisler. Die Gemeinde St. Barbara in Duisburg hat ihre Kirche sogar in Eigenregie übernommen, aber: „Da muss man schon jetzt überlegen, was man vorhat, wenn die jetzt Hochengagierten einmal abtreten.“ Denn klar ist: Gebäude, die im Bistum Essen auf gelb oder rot stehen, werden über kurz oder lang nicht mehr über den Pfarreihaushalt finanziert.
In den kommenden Jahren wird es viele Kirchen treffen. In jedem Bistum. Leicht sind diese Entscheidungen nicht. Leicht zu ertragen sind sie auch nicht. Gerade deshalb müssen sie rechtzeitig und gut überlegt sein.

Von Susanne Haverkamp