So viele Binnenvertriebene wie nie

Kirche fordert Klima-Visa

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Die Zahl der Binnenvertriebenen ist 2020 ist mit 40,5 Millionen auf einem neuen Rekordhoch. Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst Europa sieht einen Zusammenhang mit dem Klimawandel - und fordert Rechtssicherheit für die Betroffenen. 

Ein Schlauchboot mit vielen Flüchtlingen in Seenot auf dem Mittelmeer im SAR-Gebiet (Search-and-Rescue-Zone)
Geflüchtete sind auf einem Schlauchboot im Mittelmeer in Seenot geraten. Sie fliehen unter anderem auch vor den Auswirkungen des Klimawandels. 

Die Zahl der Binnenvertriebenen weltweit ist Ende 2020 auf ein neues Rekordhoch von 55 Millionen gestiegen. Das geht aus einem am Donnerstag in Genf veröffentlichten Bericht des Internal Displacement Monitoring Centre hervor. Allein im Lauf des Jahres verloren aufgrund von Naturkatastrophen oder Gewalt 40,5 Millionen Menschen ihr Zuhause, so viele wie nie seit einem Jahrzehnt.

Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst Europa erklärte, mit der globalen Zunahme von Klima-Vertriebenen werde auch die Zahl der Schutzsuchenden in Europa wachsen. Es sei nur "eine Frage der Zeit", bis die im Europäischen Parlament gescheiterten Vorstöße für ein Klima-Visum erneut diskutiert werden müssten, sagte der Direktor der katholischen Ordenseinrichtung, Jose Ignacio Garcia, auf Anfrage in Brüssel.

Die Leiterin des von staatlichen und internationalen Organisationen finanzierten Beobachtungszentrums für Binnenvertreibung, Alexandra Bilak, nannte es besorgniserregend, dass der Anstieg selbst vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie erfolgt sei. Demnach behinderten die Bewegungseinschränkungen die Datenerhebung, und aus Angst vor Infektionen suchten weniger Menschen Schutzeinrichtungen auf.

Laut dem Jahresbericht des Internal Displacement Monitoring Centre befeuerten eskalierende Gewalt und extremistische Gruppen in Äthiopien, Mosambik und Burkina Faso einige der am schnellsten wachsenden Krisen. Auch anhaltende Konflikte wie jene in der Demokratischen Republik Kongo, Syrien und Afghanistan hätten weiter viele Menschen zur Flucht gezwungen.

Dem Bericht zufolge gehen 48 Millionen Vertriebene auf das Konto von Konflikten und Gewalt. 7 Millionen flohen vor Naturkatastrophen, vor allem Wetterereignissen wie Stürmen und Hochwassern. Viele seien aufgrund eines Zusammentreffens von Katastrophen und Konflikten ein zweites oder drittes Mal vertrieben worden. So hätten zahlreiche Menschen, die von Überflutungen im Jemen betroffen waren, zuvor schon wegen des Bürgerkriegs ihre Wohnungen verlassen müssen, hieß es.

Der Leiter des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes, Garcia, betonte, Binnenvertreibungen seien eine Herausforderung für den internationalen Schutz. Vertreibungen fänden auch in Staaten statt, "die generell nicht dazu neigen, humanitäre Maßnahmen auf ihrem Gebiet zu ermöglichen".

Die Zahl von Vertreibungen aufgrund des Klimawandels werde ohne entschlossene internationale Entscheidungen wachsen, warnte Garcia. Die Suche nach Schutz und einer neuen Zukunft aus klimabezogenen Gründen sei noch kein bestimmender Faktor bei der Migration nach Europa; "aber wenn ihre Zahl weltweit wächst, wächst sie logischerweise auch bei uns", sagte er. "Aus rechtlicher Sicht gibt es da Beschränkungen, und leider sind jüngste Initiativen für Klima-Visa im Europäischen Parlament gescheitert. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis all diese Maßnahmen neu geprüft werden müssen", sagte Garcia.

kna/Burkhard Jürgens