Schüler fragen nach der Zukunft der Kirche
Kirche, wo gibt’s die noch?

Foto: Andreas Hüser
Anmoderation für die letzte Podiumsdiskussion in der Reihe „Reaction“. Die Aula der Niels-Stensen-Schule in Hamburg-Harburg wurde zur Bühne für unterschiedliche Meinungen.
Einmal im Jahr räumt die Oberstufe des Niels-Stensen-Gymnasiums ihre Aula, eine ehemalige Feuerwehrhalle in Harburg, leer. Die Schüler stellen Stuhlreihen auf, richten ein Podium ein, stellen eine Videowand auf und bereiten Snacks vor. Einmal im Jahr gibt es „Reaction“, eine Podiumsdiskussion zu aktuellen Streitfragen. Klimawandel, Politikverdrossenheit, Sexualität, Flüchtlinge, Gold in Handys waren schon die Themen. Die Veranstaltung läuft ab wie bei den Profis. Die Teilnehmer – vor allem ältere Schüler – können per Handy Publikumsfragen einreichen, die an die Moderatoren weitergeleitet werden. Die Gäste sind vom Fach. Es sind auch ehemalige Schüler des Gymnasiums dabei, die jetzt im Beruf stehen. In diesem Jahr hieß das Thema „Rechurch – neue Energie für die Kirche“. Das englische Wort erinnert an „Recharge“ (wieder aufladen) und auf dem Einladungsflyer sieht man tatsächlich ein Ladekabel, das an einer Kirche eingestöpselt wird.
Die Kirche braucht neue Energie. Aber braucht man die Kirche noch? Wo kommt sie im öffentlichen Leben vor? Muss sie neue Kommunikationswege gehen? „Die Leute haben keine Vorstellung davon, was alles wegbrechen würde, wenn es die Kirche nicht mehr gäbe“, sagt Markus Sass. Er ist nicht nur Schüler des Niels-Stensen-Gymnasiums, sondern auch der jüngste Bezirksabgeordnete Hamburgs. Seit einem halben Jahr sitzt er für die SPD in der Bezirksversammlung. Weil ihm die Kirche wichtig ist, hat er das Thema Kirche in Öffentlichkeit und Politik vorgeschlagen und mit Markus Schreiber einen SPD-Abgeordneten der Bürgerschaft auf das Podium gesetzt. Schreiber, seines Zeichens Pastorensohn, verweist auf die vielen kulturellen und sozialen Beiträge der Kirchen. Und bekennt sich als überzeugter Kirchensteuerzahler. „Ich zahle gern Kirchensteuer, weil ich weiß: Damit können Menschen Gutes tun.“ Der Staat könne gar nicht alle Leistungen erbringen, die heute die Kirchen wahrnehmen. „Ohne Kirchen wäre das Leben in Hamburg schlechter.“ Erzbischof Stefan Heße – auch er sitzt in einer Podiumsrunde – bestätigt das gute Verhältnis von Staat und Kirche in Hamburg. Auch wenn es machmal knirscht.
„Vorsicht, wenn dir jemand Angst macht!“
Heute hat die Kirche noch Gewicht. Und morgen? Frage aus dem Publikum: „Warum sollten Jugendliche heute an Gott glauben?“ Eine, die an Gott glaubt, ist die 19-jährige Britney Benewa El-Aib. „Manchmal kommt man in schwierige Situationen. Es ist schön, wenn man weiß, dass da noch etwas anderes ist“, sagt sie. Britney ist sogar aktiv in der Verkündigung – ganz ohne Kirche. Sie ist mit religiösen Botschaften auf Tiktok zu sehen. „Seit ich angefangen habe, über Gott zu posten, ist Jesus meine Inspiration.“ Mission in Sozialen Netzwerken, ist das die Zukunft? Jedenfalls kommen dort Jugendliche noch in Kontakt mit christlichen Gedanken. Allerdings findet man im Netz auch viel frommen Unsinn und schräge Ansichten. Publikumsfrage: „Woran erkenne ich falsche Botschaften?“
Jugendpfarrer Alexander Görke gibt Rat. „Das ist in der analogen Welt nicht anders. Du weißt nicht immer, ob die Aussage der wahre Glaube ist.“ Für ihn gibt es aber einen Orientierungspunkt. „Vorsicht, wenn dir jemand Angst macht und aufspaltet zwischen den wahren und den falschen Christen! Sobald du merkst, du wirst hier unter Druck gesetzt, sei vorsichtig!“
Eineinhalb Stunden lang wird in zwei Runden diskutiert. Religionsunterricht für alle, die Bedeutung christlicher Schulen, die Aufgabe der Kirchengemeinden, sich in den Schulen und in der Öffentlichkeit zu zeigen... das sind einige Themen.
In der Pause gibt es in der Caféteria leckere Speisen und Snacks, zubereitet von der Schülern. Man kann sich stärken und spenden. Die Einnahmen werden für die Abitur-Abschlussfeier 2025 am Niels-Stensen-Gymnasium gebraucht. Es wird die letzte sein. Die Schule gehört zu den sechs katholischen Schulen, die das Erzbistum in Hamburg aufgibt. Ende des Schuljahres wird sie geschlossen.