Verzicht auf Gottesdienste im Oster-Lockdown?
Kirchen "überrascht" von Forderung
Wird es Gottesdienste über Ostern nur in virtueller Form geben? Die Kirchen reagieren mit gemischten Gefühlen auf diesen Vorschlag der Politik. Sie verweisen auf die Bedeutung von Ostern und Hygienekonzepte - und wollen verhandeln.
Gut anderthalb Wochen vor dem Osterfest haben Bund und Länder die Kirchen in Deutschland gehörig aufgeschreckt. In dem in der Nacht zum Dienstag gefassten Beschluss zu weiteren Corona-Maßnahmen steht überraschend die Bitte, auf Präsenzgottesdienste zu Ostern ganz zu verzichten - und nur virtuell Messen zu feiern. Bund und Länder wollen dazu Gespräche mit allen Religionsgemeinschaften führen. Sowohl die katholischen Bischöfe als auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zeigten sich in ersten Reaktionen "überrascht".
"Ostern ist das wichtigste Fest für uns, Gottesdienste sind kein Beiwerk", erklärte der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing: "Zu Weihnachten haben wir gezeigt, wie wir mit Vorsicht Messe feiern können." Darauf wolle man an Ostern nicht verzichten. Dies werde man in Gespräche mit der Politik einbringen.
Der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, äußerte sich ähnlich und sagte, man werde sich "zunächst genau erläutern lassen, warum die bewährten Hygieneschutz-Maßnahmen, die alle Landeskirchen für ihre Gottesdienste haben, nun nicht mehr ausreichen sollen". Anschließend werde man beraten, "wie wir mit der Bitte umgehen".
Dass die beiden höchsten Vertreter der großen Kirchen sich so dezidiert äußern, hat wohl auch mit den Erfahrungen im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 zu tun. Damals konnten wochenlang keine Präsenzgottesdienste gefeiert werden - auch Ostern feierten Gläubige nur virtuelle Gottesdienste im Internet. Alle Bundesländer bis auf Nordrhein-Westfalen untersagten damals öffentliche Gottesdienste. In NRW setzte die Landesregierung auf Absprachen mit den Religionsgemeinschaften, die dann auch von sich aus auf die Zusammenkünfte vor Ort verzichteten.
Nun steht also wieder das höchste christliche Fest an, an dem die Auferstehung Jesu am dritten Tag nach dem Tod am Kreuz gefeiert wird. Vor einem Jahr mussten sich die Kirchen teils heftiger Kritik stellen, sie hätten sich vorschnell dem Druck des Staates gebeugt. Die Gotteshäuser seien auch als Orte des Trostes gerade dann ausgefallen, als sie dringend benötigt worden seien. Den Kritikern kam damals zupass, dass das Bundesverfassungsgericht im April feststellte, Gottesdienstverbote seien ein schwerer Eingriff in das Grundrecht der Religionsfreiheit.
Seitdem ist viel passiert, und die Kirchen haben viel Mühe in Hygiene- und Schutzkonzepte gesteckt. So konnten an Weihnachten in vielen Kirchen oder im Freien öffentliche Gottesdienste mit Maske, Abstand und ohne Gemeindegesang gefeiert werden. Auch digitale Formate wurden weiterentwickelt und in den meisten Gemeinden bislang als Zusatz auch für das diesjährige Osterfest geplant.
Doch inzwischen steckt Deutschland in der dritten Welle der Pandemie mit einer noch ansteckenderen Virusvariante. Bund und Länder wollen das lange Osterwochenende daher nutzen, um mit einer fünftägigen "erweiterten Ruhezeit" die Welle zu brechen. Gründonnerstag und Karsamstag sollen einmalig als Ruhetage festgelegt werden - ähnlich wie Sonn- und Feiertage.
Nach den Beratungen betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass es sich bezüglich der Gottesdienste um eine Bitte handele. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärte, er wolle keinen Druck auf die Kirchen ausüben. Der Appell aber sei, verstärkt virtuelle Angebote zu machen. Auch andere Länder äußerten sich zurückhaltend.
Vielleicht hatten Merkel und die Länderchefs auch im Hinterkopf, dass es - meist bei Freikirchen - immer mal wieder zu Ausbrüchen in Gottesdiensten kam, wenn Regeln nicht eingehalten wurden. Andere Beobachter sehen eher eine Weitergabe des Problems an die Kirchen selbst, wodurch sich der Staat vor einer Entscheidung und wahrscheinlichen Verfassungsklagen dagegen "herumdrücke".
Denn eine Bitte ist noch kein Verbot. Und somit stehen die Kirchen vor dem Dilemma: Sagen sie Präsenz-Gottesdienste ab, wird man ihnen vorwerfen, erneut eingeknickt zu sein. Halten sie daran fest, wird sicher wieder von "Extrawurst" und "Privilegien" die Rede sein - in einer Zeit, in der das öffentliche Ansehen ohnehin nicht das beste ist. Zudem dürften sie angesichts steigender Infektionszahlen und dem damit verbundenen Gesundheitsrisiko von einigen als unverantwortlich kritisiert werden.
Kein Wunder also, dass sich die Kirchen zu wenig einbezogen fühlen. Denn viel Zeit bleibt nun vor Ostern nicht mehr für die angekündigten Gespräche und Entscheidungen.
kna/Alexander Riedel