In Meppen werden neue "Stolpersteine" verlegt

Kleine Mahnmale im Pflaster

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drei Menschen hocken auf einem Bürgersteig
Nachweis

Foto: Petra Diek-Münchow

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Vier „Stolpersteine“ für die Familie Cohen gibt es bereits in Meppen – nun kommt ein neuer dazu. Dafür haben sich aus der Schülerschaft Radhwan Younus (v.l.), Sarah Schmidtmeier sowie Lehrerin Anna Brümmer eingesetzt. Foto: Petra Diek-Münchow

In Meppen werden bald neue „Stolpersteine“ für Opfer des Nazi-Terrors verlegt. Der Anstoß dazu kommt von jungen Menschen aus einer Schule.

„Die haben wir kürzlich extra noch mal geputzt“, sagt Anna Brümmer. Die Religionslehrerin hockt sich mit ihren Schülern Radhwan Younus und Sarah Schmidtmeier auf den Gehweg und schaut auf die vier goldglänzenden Steine im Pflaster: zehn mal zehn Zentimeter große Betonquader, belegt mit einer Messingplatte. Darauf sind die Namen der Familie Cohen graviert: geboren in Meppen, während des Nazi-Terrors deportiert, ermordet in Buchenwald und unbekannten Orten. Nur, weil sie jüdischen Glaubens waren. Anfang Juni kommt ein weiterer dieser „Stolpersteine“ dazu. Den wird der Kölner Künstler Gunter Demnig persönlich verlegen  - für Herta Cohen. 

Ein Mann mit Hut und Weste
Gunter Demnig, Initiator der Aktion "Stolpersteine". Foto: Katja Demnig

Europaweit hat Demnig seit den 1990-iger Jahren über 100000 „Stolpersteine“ in fast 1300 Kommunen in Deutschland und über 20 Ländern Europas gesetzt. Die Idee dazu hat er selbst entwickelt, weil er die Erinnerung an die von den Nazis drangsalierten, vertriebenen und ermordeten Menschen wachhalten will. Ihre Namen, ihre Leben, ihre Schicksale sollen durch diese kleinen Mahnmale auf Bürgersteigen, in Fußgängerzonen, vor Häusern im Gedächtnis bleiben – genau an dem Ort, an dem sie zuletzt gewohnt haben. „Freiwillig gewohnt haben“, sagt Gunter Demnig.

Im emsländischen Meppen gibt es über die Stadt verteilt bereits 26 „Stolpersteine“. Dafür sorgt der gleichnamige Initiativkreis, der sich 2006 ausgehend von der örtlichen Pax-Christi-Gruppe gegründet hatte. Wie bei früheren Verlegungen finanziert die Gruppe aus Spenden auch jetzt die neuen Gedenksteine für fünf jüdische Männer und Frauen, die in der Nazi-Zeit deportiert worden oder aus Deutschland geflüchtet sind. „Sie waren alle Opfer“, sagt Initiativkreis-Sprecher Holger Berentzen. „Sie mussten ihre Heimat, ihre Familien, ihre Freunde, ihre Nachbarn, ihre Arbeit verlassen und sich in der Fremde ein neues Leben aufbauen.“ Lebenslang haben sie darunter gelitten.

Recherche über weitere NS-Opfer

Der Anstoß zu der aktuellen Verlegung geht dabei von zwei Klassen der katholischen Marienhausschule aus – eine Einrichtung, in der in Meppen junge Leute für die Arbeit unter anderem in der Heilerziehungspflege und in Kindertagesstätten ausgebildet werden. Nach einer Ausstellung über Anne Frank hatten sich die Schülerinnen und Schüler intensiv mit dem Schicksal weiterer NS-Opfer beschäftigt und Patenschaften für die schon vorhandenen „Stolpersteine“ übernommen. Sie hatten Texte in dem Begleitheft des Initiativkreises in andere Sprachen übersetzt, die Erinnerung an die Menschen wachgehalten – und noch mal genau über weitere Mitglieder der Familien recherchiert. „Uns ist dabei aufgefallen, dass es für einige noch gar keinen Stolperstein gibt“, sagt Radhwan Younus. Wie für Herta Cohen, die das KZ Riga mit schweren gesundheitlichen Schäden überlebt hat und kurz nach dem Krieg in Osnabrück gestorben ist. Wie für Käthe Blum (geb. Meyer), die nach Argentinien geflohen und 2021 in Israel gestorben ist.

Mit ihrer Idee bekamen die Schüler großen Rückhalt durch den Initiativkreis und die Stadtverwaltung. „Das Engagement der jungen Leute ist großartig, wir sind sehr dankbar dafür“, sagt Berentzen. Auch der SV Meppen beteiligt sich an der Kooperation, denn drei der „Stolpersteine“ sind ehemaligen Spielern des Sportvereins gewidmet: Kurt Visser sowie Hans und Fritz Cohen spielten in den 1920-iger Jahren Fußball in Meppen und sind dann in Todesangst nach Übersee geflohen. Direkt vor dem Eingangstor der Hänsch-Arena werden künftig die kleinen Mahnmale für sie liegen. „Unser Verein steht für Toleranz und Vielfalt“, sagt Geschäftsführer Florian Egbers. „Diesen Teil der Geschichte wollen wir nicht vergessen.“

Wie wertvoll die Initiative der Schüler ist, zeigen auch weitere Reaktionen. Die jeweiligen Antisemitismusbeauftragten der Bundes- und Landesregierung wollen bei der Verlegung Grußworte senden und sprechen. Lehrerin Anna Brümmer und Holger Berentzen finden diese Anerkennung genauso wichtig wie richtig. „Wer könnte die Erinnerungsarbeit besser weitertragen in die nächsten Jahrzehnte als diese jungen Leute?“, sagt Berentzen. 

Gunter Demnig, Initiator der Aktion, wird die fünf „Stolpersteine“ am  7. Juni in Meppen (Emsland) selbst verlegen. Start ist um 15 Uhr in der Hüttenstraße 12. Gäste sind zur Verlegung ausdrücklich willkommen. Weitere Informationen: H.Berentzen@bistum-os.de

Petra Diek-Münchow