Könige zum Christkönigsfest

Königliche Würde

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„Du sagt es, ich bin ein König“, sagt Jesus zu Pilatus. Die zweite Lesung am Christkönigsfest ergänzt, dass Jesus uns alle „zu Königen gemacht“ hat. Könige und Königinnen macht auch Diakon Ralf Knoblauch. Er schnitzt sie.

Fotos: Robert Boecker
Schlichte Figuren, die Gesichter eher grob, die Augen stets geschlossen: Klassisch schön sind Ralf Knoblauchs Königinnen und Könige nicht. Fotos: Robert Boecker


280 Jahre alt sind die Eichenbalken einer Scheune aus Thüringen, die Ralf Knoblauch vor einigen Jahren erworben hat. Die Balken sind gezeichnet: durch das Alter, durch Wind und Wetter und manche auch durch Holzwürmer. 
Sie sind genau das, was der gelernte Tischler, Diplom-Theologe und Diakon braucht, wenn er montags bis freitags frühmorgens um fünf Uhr im Werkraum im Keller des alten Pfarrhauses im Bonner Stadtteil Lessenich für eine Stunde verschwindet. Was dann in der Werkstatt geschieht, zu der Knoblauch außer seiner Gattin und den drei schon fast erwachsenen Kindern niemandem Zutritt gewährt, bezeichnet der 54-Jährige als „meditatives Arbeiten“. „In diese eine Stunde nehme ich all das mit hinein, was mich bewegt, was an diesem Tag vor mir liegt, was mit Würde und mit meiner diakonischen Arbeit in einem sozialen Brennpunkt in unserer Gemeinde zu tun hat.“ Die unverlierbare Würde jedes einzelnen Menschen ist etwas, das Knoblauch antreibt.

Was er in dieser einen Stunde morgens tut, könnte man im übertragenen Sinn auch als eine Befreiungsaktion bezeichnen, denn Knoblauch bearbeitet mit seinem Bildhauerwerkzeug die auf unterschiedliche Längen zurechtgeschnittenen Eichenbalken und „legt die im Holz enthaltenen Könige und Königinnen frei“. Wenn er ein Stück Holz in der Hand halte, wisse er genau, welche Skulptur in dem Werkstoff enthalten sei. „Ich kann sagen, ob es ein kleiner König, ein großer König, eine Königin mit Krone auf dem Kopf oder in der Hand sein wird, die in rund sechs bis acht Wochen von dem sie umgebenden Holz befreit werden“, sagt Knoblauch.

Rund 100 Königinnen und Könige hat der Diakon geschaffen, seit er vor einigen Jahren während eines kreativen Besinnungsworkshops seine alte Leidenschaft für Holz wiederentdeckte. Im darauffolgenden Sommerurlaub in Kroatien fand er am Strand ein Stück Treibholz, in dem „mein erster König enthalten war“, sagt er lachend. 


„Wer die Augen geschlossen hat, der ist besonders verletzlich“
 

Foto: Robert Boecker
Mit seinen Königen verlässt Ralf
Knoblauch oft die heiligen
Hallen der Kirche. Foto: Robert
Boecker

Seither lassen ihn die Könige und Königinnen nicht mehr los. Schon bevor er angefangen hat, bildhauerisch zu arbeiten, haben insbesondere die Heiligen Drei Könige im Leben von Ralf Knoblauch eine wichtige Rolle gespielt. Nicht nur, dass er lange in Köln gearbeitet hat, der Stadt, deren Dom die Gebeine der Heiligen Drei Könige beherbergt. Im dortigen Dom wurde er 2007 zum Diakon geweiht und seine Gemeinde hat ihm aus diesem Anlass eine Stola mit der Darstellung der schlafenden heiligen Könige aus der Kathedrale im französischen Autun geschenkt. 

Knoblauchs Königinnen und Könige sind nicht im klassischen Sinne schön. Sie alle sind schlicht, die Gesichtszüge eher grob. Fast alle haben die Arme angelegt, sind überwiegend schwarz und weiß bemalt und haben alle die Augen geschlossen. Bei einigen ist die Krone auf dem Kopf verrutscht, andere haben das Zeichen der Königswürde in der Hand oder neben sich liegen. 

„Wer die Augen geschlossen hat, der ist besonders verletzlich und angreifbar. Und genau so geht es vielen Menschen, denen ich in meiner täglichen Arbeit im sozialen Brennpunkt begegne. Ihnen aber deutlich zu machen, dass jeder Einzelne eine Würde hat, die unverletzlich ist und die ihm von Gott zugesprochen ist, will ich mit meinen Königen zum Ausdruck bringen“, sagt Knoblauch. 

Seine Skulpturen sind nicht fürs Museum oder für eine Galerie geschaffen. Seine Könige reisen herum und bringen Menschen miteinander ins Gespräch und zum Nachdenken. Sie dürfen berührt, in die Hand genommen werden. Manchmal steht der Diakon mit einem König im Arm vor dem Aldi in seinem Viertel und lädt zu einer Tasse Kaffee ein. Das irritiert und fordert gleichzeitig Menschen heraus, mit ihm das Gespräch zu suchen. 

Im Frühjahr war ein König Teil einer Ausstellung im Landtag in Düsseldorf. Auch dort ist Knoblauch ins Gespräch gekommen – mit Abgeordneten und Besuchern. Besonders die Diskussion mit einem AfD-Abgeordneten habe ihn erschüttert, erinnert sich Knoblauch. Natürlich habe jeder Mensch seine Würde, so der Politiker, doch hätten Deutsche eine andere Würde als Flüchtlinge. 


„Ich kann eine Botschaft vermitteln, die nicht vieler Worte bedarf“

Dieses Beispiel zeige, wie wichtig es sei, die heiligen Hallen der Kirchen zu verlassen und sich zur Verteidigung der göttlichen Würde eines jeden Menschen auch einem säkularen Umfeld zu stellen, sagt der Diakon: „In der Fußgängerzone oder vor dem Supermarkt treffe ich Menschen ohne religiöse Sozialisation. Mit meinen Königen kann ich eine Botschaft vermitteln, die nicht vieler Worte bedarf. Die Skulpturen sprechen für sich.“

Schon oft sei er gefragt worden, ob er seine Arbeiten verkaufe. Dies sei nicht seine Absicht, so der Diakon. Gerne ist er bereit, seine Könige und Königinnen auszuleihen. „Ich stelle meine Arbeiten gerne für Ausstellungen in Gemeinden zur Verfügung. Doch alles andere muss von denen organisiert werden, die meine Skulpturen haben möchten.“

Nächstes Jahr werden einige von Knoblauchs Arbeiten eine weite Reise antreten. Auf Einladung der Südarabischen Bischofskonferenz werden Könige in den Oman und nach Abu Dhabi gebracht. Den dort lebenden Arbeitsmigranten, größtenteils philippinischen Katholiken, sollen sie zeigen, „dass sie alle eine königliche Würde besitzen“.

Von Robert Boecker