Richard Bruns engagiert sich für Menschen in Entwicklungsländern

Konferenz mit Folgen

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Richard Bruns mit Karton im Fairtrade-Laden
Nachweis

Foto: El Puente

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Packt auch heute noch mit an: Richard Bruns im Hildesheimer El-Puente-Laden 

Richard Bruns war damals Dekanatsjugendführer in Dinklar in der Nähe von Hildesheim. Schon auf dem Rückweg von Hannover überlegten er und seine Mitstreiter, ob der ökumenische Jugendkongress denn auch praktische Auswirkungen haben müsse. 
Zunächst entwickelten die Teilnehmer eine Seminarreihe. An fünf Abenden ging es um die Probleme der Entwicklungsländer und die Frage „Was können wir tun?“. Mit dabei war ein Missionsbruder aus Paraguay, der gerade auf Heimaturlaub war; er sollte zur ersten Anlaufstelle für einen fairen Handel zwischen Südamerika und Deutschland werden. 
 

Vom Taschenimport bis zum ersten Laden
 

Sein erstes Lehrergehalt von 1098 D-Mark verwendet Bruns 1970 dazu, den Missionar in Südamerika zu besuchen. Er stellt fest: Dort werden fantastische Produkte hergestellt, die sich gut zum Verkauf hierzulande eignen. Die Idee vom fairen Handel nimmt ihren Anfang.
 

Zunächst werden Schultaschen und Rucksäcke importiert. Bald kommen andere Produkte dazu, die eine holländische Organisation aus Südamerika einkauft. Den Verkauf übernimmt ein ökumenischer Arbeitskreis.
 

Der Vertrieb läuft anfangs über Bestelllisten in den katholischen und evangelischen Pfarrgemeinden der Region und Einzelaktionen in der Adventszeit. 1972 wird der Verein „El Puente“, „Die Brücke“, gegründet, zwei Jahre später ein Laden in der Hildesheimer Innenstadt eröffnet – immer mit dabei: Richard Bruns. Auch als 1974 die erste Dachorganisation der Fairhandels-Läden in Deutschland gegründet wird, ist Bruns mit am Start. Sieben Läden bündeln damals ihre Interessen, heute gibt es bundesweit rund 1000 „Weltläden“.
 

Doch nicht nur die Zahl der Fairhandels-Geschäfte wächst, sondern auch die Aktivitäten von El Puente weiten sich aus. Der Verein wird zur Keimzelle für eine der größten Fairhandels-Organisationen in Deutschland. Heute importiert die El Puente GmbH – deren Aufsichtsratsvorsitzender Bruns lange war – 5000 fair gehandelte Produkte, importiert Waren aus 40 Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika und hat einen Jahresumsatz von rund 9 Millionen Euro. 
 

Reichlich zu tun für Richard Bruns, der den Aufbau in verschiedenen Funktionen gestaltet und begleitet. Doch er lässt es dabei nicht bewenden. In seiner Heimatgemeinde St. Nikolaus in Barienrode vor den Toren der Bischofsstadt Hildesheim gründet er eine Partnerschaft mit Bolivien. Als auch das Bistum Hildesheim eine Partnerschaft mit dem Land eingeht, wird er Mitglied der diözesanen Bolivienkommission und besucht das südamerikanische Land, acht Jahre lang vertritt er darüber hinaus die Diözese im Deutschen Katholischen Missionsrat. 
 

Und sein Engagement ist nicht auf ferne Länder begrenzt: Als Anfang der 90er Jahre der Krieg auf dem Balkan tobt, organisiert Richard Bruns spontan eine Hilfsaktion, sammelt über 500 Öfen und Herde sowie Bargeld und bringt beides in das Krisengebiet.
Bruns ist ein politischer Mensch und so bleibt es nicht bei seinem kirchlichen Engagement. Mit 19 tritt er in die CDU ein, doch dort wird er häufig für seinen „sozialen Touch“ – wie er selbst sagt – belächelt. So wechselt er die Fronten, wird Mitglied der Grünen Liste Umweltschutz und bald darauf Mitbegründer der Bundespartei Die Grünen. 
 

Er will den Grünen das Christliche näherbringen
 

In Niedersachsen wird er Landessprecher der Grünen, sitzt für die Partei 15 Jahre im Kreistag und 40 Jahre im Gemeinderat. „Ich wollte da das christliche und konservative Element einbringen“, erzählt Bruns.
 

Was treibt den Grundschulrektor und Familienvater zu seinem Einsatz auf so vielen Feldern? Ohne Frage sein christlicher Glaube, doch das ist es nicht allein: „Meine Eltern mussten jeden Pfennig umdrehen, damit mein ältester Bruder und ich als Kinder aus einem Arbeiterhaushalt ein Gymnasium besuchen konnten“, sagt der 77-Jährige. Doch sie seien eben davon überzeugt gewesen, dass Bildung das Beste ist, was sie ihren Kindern mitgeben können. „Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass es mir wirtschaftlich mal so gut gehen würde. Dann muss man auch bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, und anderen Menschen ermöglichen, in Würde zu leben“, sagt Bruns. 
 

Für ihn sei es eine Verpflichtung, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Die hat ihm dafür Anerkennung gezollt: Vor neun Jahren hat Bruns das Bundesverdienstkreuz erhalten. Lange hat er sich gegen die Auszeichnung gewehrt, sie dann aber doch angenommen: „Es war ja schließlich auch eine Ehrung für El Puente“, sagt er. 
 

Die Welt ein bisschen gerechter gemacht
 

Ganz zufrieden ist er mit dem Erreichten keineswegs. „Ich behaupte nach wie vor, der Wohlstand in Deutschland, in Europa und Nordamerika basiert auch heute noch auf ungerechten Handelsstrukturen zulasten der Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika“, sagt Richard Bruns. Aber: „Rückblickend kann ich sagen, wir haben diese Welt ein klein bisschen menschlicher, gerechter und auch bewohnbarer gemacht. So können wir auch Vorbild für unsere Kinder und Enkel sein.“
 

Doch das reicht ihm nicht. Manchmal kommt ihm der Gedanke, dass seine Generation versagt hat, abgetaucht ist und im Wohlstand gelebt hat. Hoffnung setzt er daher auf die Jugend. 
 

Als die Grünen 2020 in Berlin ihr 40-jähriges Bestehen gefeiert haben, fand zeitgleich eine Demonstration von Fridays for Future statt. „Ich habe mich 40 Jahre zurückversetzt gefühlt und gefreut, dass diese jungen Menschen jetzt das Heft in die Hand nehmen. Die Jugend wird jetzt für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit aktiv wie wir damals für Gerechtigkeit und fairen Handel. Ich bin in dem Moment 40 Jahre jünger geworden.“

 

El Puente
El Puente ist ein Fairtrade-Unternehmen, das Lebensmittel und Handwerksprodukte aus Afrika, Asien und Lateinamerika importiert und vertreibt. Zugleich setzt sich der Verein politisch für einen gerechteren globalen Handel ein und engagiert sich in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit.

www.el-puente.de

 

Matthias Bode