Engagement gegen Rechtsextremismus

Kreuz ohne Haken

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Autoaufkleber der beherzt-Gruppe mit dem Slogan Kreuz ohne Haken
Nachweis

Foto: Gruppe Beherzt

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Aufkleber für Autos: Die Gruppe "beherzt" wirbt mit dem Slogan "Kreuz ohne Haken"

Völkische Siedler kaufen gern leerstehende Häuser und Höfe auf dem Land. Die Verkäufer merken ihnen ihre Gesinnung meist nicht an. Die „Gruppe beherzt“ will diesen Trend stoppen. Sie klärt die Menschen auf und kämpft dagegen, dass die Siedler ihre rechtsextreme Ideologie verbreiten.

Das eigene Haus und Grundstück zu verkaufen, erweist sich in ländlichen Regionen oft als schwerer als gedacht. Besonders in abgehängten Gegenden stehen viele Immobilien jahrelang leer und marodieren vor sich hin, bis die Eigentümer einen Käufer gefunden haben. Das Angebot ist größer als die Nachfrage. Wer will da schon hin?

Umso schöner für die Besitzer, wenn überraschend Kaufinteressenten einen angemessenen Preis bieten – oder sogar noch ein paar tausend Euro drauflegen. Martin Raabe kann es ihnen nicht verübeln, wenn sie auf so ein Angebot eingehen. Denn für einige Familien sind alte Immobilien eine finanzielle Last. Und oft ahnen die Besitzer nicht, dass es den freundlichen Käufern um mehr geht als ums Wohnen. 

„Wir müssen wachsam sein“

Raabe (75), ehemaliger evangelischer Pastor, lebt in der Lüneburger Heide und hat vor sechs Jahren mit anderen die „Gruppe beherzt“ ins Leben gerufen. Die ehrenamtlichen Gruppenmitglieder wollen die Landbewohner aufklären und verhindern, dass völkische Siedler Häuser und Grundstücke erwerben und sich mit ihrem nationalsozialistischen Gedankengut in den Dörfern ausbreiten. „Wir müssen aufpassen und wachsam sein, dass sie hier nicht die Meinungshoheit übernehmen“, sagt Raabe.

Martin Raabe
Martin Raabe. Foto: Jochen Quast

Unter völkischen Siedlern versteht man rechtsextreme, rassistische und antisemitische Gruppen. Sie lehnen die Demokratie und den freiheitlich verfassten Staat ab. Auf der Grundlage eines völkischen Weltbildes leben viele von ihnen ein traditionelles, autoritäres Familienleben mit vielen Kindern, weitab von großen Städten und deren Einflüssen. Viele betreiben Landwirtschaft und vermarkten Obst und Gemüse regional.

Rechtsextreme sind in Dörfern kein neues Phänomen. Raabe berichtet von teils alteingesessenen nationalistischen, antidemokratischen Sippen in der Gegend um Uelzen, „die den Boden dafür bilden, dass das Ganze weiterwachsen kann“. Seit Jahren beobachtet die „Gruppe beherzt“ nun einen regen Zuzug völkischer Siedler. Sie erwerben leerstehende Höfe und Gutshäuser und siedeln sich – teils aus weit entfernten Gegenden – in den Dörfern um Uelzen an.

Die neuen Siedler fallen zunächst gar nicht auf. „Die Erfahrung ist, dass diese Leute sich sehr freundlich und ordentlich verhalten, versuchen, sich in das Dorfleben zu integrieren und Akzeptanz zu finden“, erklärt Raabe. Das ändert sich erst, wenn Bekannte aus der rechten Szene bei ihnen zu Festen zusammenkommen. Oder wenn sich herumspricht, mit wem sie Geschäfte machen.

Dann kommt es vor, dass die Rechtsextremen andere aus dem Dorfleben ausschließen wollen. Raabe berichtet von einem farbigen Kind, das auf Initiative völkischer Eltern den Kindergarten verlassen sollte. Die „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, wie Raabe sie nennt, trifft Migranten im Ort genauso wie alteingesessene Menschen. Raabe warnt etwa vor rechten Siedlern, die sich in der Feuerwehr engagieren. Es könnte vorkommen, dass sie sich bei Einsätzen „durchaus mehr Zeit lassen“, bevor sie Menschen zu Hilfe kommen, die nicht in ihr Weltbild passen, sagt er. 

Die „Gruppe beherzt“ will die völkischen Umtriebe nicht hinnehmen. Mittlerweile besteht sie aus rund 700 Ehrenamtlichen. Dass es sie gibt, hat sich in Norddeutschland herumgesprochen. Längst wird sie von Privatpersonen und Gemeinden um Rat gebeten. Pastor Raabe hält bis zu vier Vorträge pro Woche. Er erklärt dann, was völkische Siedler sind, worum es ihnen geht und worin sich ihre Einstellung zeigt. 

„Wir missionieren nicht“, sagt er. „Die Leute sollen sich aufgrund der Informationen, die wir liefern, selbst positionieren.“ Doch Raabe nimmt wahr, dass es ein Anliegen der Dörfer ist, sich nicht von Rechtsaußen unterwandern zu lassen: „Die wollen diese Leute ja auch nicht unbedingt als Nachbarn haben – oder als Menschen, die Einfluss nehmen.“ Verhindern kann die „Gruppe beherzt“ den Zuzug der völkischen Siedler in der Regel nicht. Ihr Erfolg besteht darin, dass sie Menschen in den Dörfern zusammenbringt. Wenn Wissen da ist, wer die neuen Nachbarn sind, entstehen auch Initiativen dagegen. „Wenn die völkischen Siedler den Eindruck haben, dass sie in dieser Dorfgemeinschaft nicht willkommen sind und auf Ablehnung stoßen, dann halten sie sich zurück“, sagt Raabe. Manche ziehen wieder weg; viele bleiben, können aber mit ihrer Ideologie nicht durchdringen. 

„Ihr seid nicht unerkannt“

Raabe erzählt, dass sich der Kindergarten, aus dem das farbige Mädchen ausgeschlossen werden sollte, auf Initiative der Eltern eine neue Satzung gegeben hat, die Menschen anderer Hautfarbe schützt. Er berichtet, wie eine Frauengruppe sich um das Vorkaufsrecht für einen Hof bemüht hat, damit er nicht an völkische Eigentümer übergeht. Und er erklärt, wie Gemeindeverwaltungen versuchen, die Aktivitäten der völkischen Gruppen einzugrenzen – etwa indem sie bauliche Auflagen machen. 

Die „Gruppe beherzt“ ist vor allem durch ihre Zeichen bekannt. An Häusern, Zäunen und Grundstückseinfahrten stellt sie ihr „Kreuz ohne Haken“ auf. Das Kreuz in Form eines X aus einem pinken und einem gelben Balken ist das Zeichen der Gruppe. Es zeigt: Rechte Siedler sind in diesem Ort, auf diesem Grundstück nicht erwünscht. 

Durch das X wissen die Menschen, an wen sie sich wenden können, wenn völkische Gruppen versuchen, in ihrem Dorf Einfluss zu bekommen. Die Siedler, sagt Raabe, sollen wissen: „Ihr seid nicht unerkannt.“ Einmal, so erzählt er, habe ein rechtsextremer Käufer bei der ersten Besichtigung eines Hofes das „Kreuz ohne Haken“ gesehen – und plötzlich kein Interesse mehr an dem Kauf gehabt.

Barbara Dreiling

Zur Person:
Martin Raabe (75) ist ehemaliger evangelischer Pastor, lebt in der Lüneburger Heide und hat vor etwa sechs Jahren mit anderen die „Gruppe beherzt“ ins Leben gerufen.