"Gefragte Frauen": Petra Merk
„Last minute für mein Seelenheil“
Petra Merk ist Pfarrsekretärin in Frankfurt. St. Ignatius ist ihr zweites Zuhause. Da, wo sie jetzt ist, ist sie am richtigen Platz ... endlich. Sie hatte Gott schon übelgenommen, dass die Kirche ihre Talente zuerst nicht erkennen wollte. Ein Porträt von Ruth Lehnen.
Auf einmal war sie online. Und sprach in den Andachten von St. Ignatius über ihren Glauben. Über ihre Aufgaben. Und dass sie gern tut, was sie tut. Das kam authentisch rüber. Zeit für einen Termin mit Petra Merk, Pfarrsekretärin in der Frankfurter Dompfarrei, Kirchort Sankt Ignatius.
In St. Ignatius hat die Coronakrise demokratisierend gewirkt. Oder vielleicht war die Gemeinde auch schon vorher so, aber jetzt konnte es jeder sehen, per Internet: Mittwochs um halb acht gibt es das Abendgebet, und das gestalten ganz unterschiedliche Leute. Mal der Pfarrer, mal Ehrenamtliche, mal Mitarbeiter, mal Jesuiten. Und Petra Merk ist auch dabei. Am Anfang fand sie es ungewohnt und ein bisschen aufregend, vor Mikrophon und Kamera zu sitzen und zu wissen, das geht jetzt live raus. Aber dann sagte sie sich, warum eigentlich nicht! Sie war gut vorbereitet, hat sich eingelesen, zum Beispiel über die Seligpreisungen gesprochen, über die Apostolin Maria Magdalena oder über die Erzengel. Sie hat festgestellt, ihr wird was zugetraut, und sie kriegt das hin. Ein gutes Gefühl.
Ihr geht es um die Menschen
So ein gutes Gefühl hat Petra Merk oft bei ihrer Arbeit. Naja, nicht gerade, wenn massenhaft Briefe einzutüten sind. Die Gemeinde schreibt Menschen ab 75 Jahren zum Geburtstag an und solchen, die 50 werden. „Eine wichtige Sache, aber das Eintüten und Etikettieren ist stinklangweilig“, sagt die Pfarrsekretärin. Sie ist keine, die um den heißen Brei herumredet. Sie sagt gern, was sie denkt, auch im Team, wo das ausdrücklich erwünscht ist: „Ich kann die Sachen umsetzen, wenn ich gedanklich dabei sein kann.“ Und ihr Kirchort, der sei so mit Leben erfüllt. Auch wenn jetzt das meiste online läuft. Für Merk heißt das, Listen führen für die Gottesdienste, Leute anrufen, wenn die Listen voll sind, ihnen einen anderen Termin anbieten. Bei ihr laufen die Fäden zusammen. Sie behält den Überblick über die Termine, sie ist die Erste, die auf Anfragen antwortet, mit Trauernden wie mit Ehewilligen spricht, sie prüft Rechnungen, gibt acht auf die Kasse. Dennoch sind ihr die Verwaltungsaufgaben nicht die wichtigsten: Ihr geht es um die Menschen. Da gibt sie sich auch selbst Aufgaben – „das kommt bei mir von innen raus!“ Zum Beispiel hat sie angefangen, die Senioren der Pfarrei anzurufen. Frage: „Wie geht es Ihnen, brauchen Sie was, können wir was für Sie tun?“ Petra Merk weiß, welche Gesichter sie schon zu lang nicht mehr gesehen hat, weiß auch, dass Einzelne seit März letzten Jahres das Haus kaum mehr verlassen haben. Sie will nicht, dass „Leute aus dem Blick geraten“ – „denen muss man hinterher“. Pfarrer Bernd Günther hat vor kurzem festgestellt: „Du bist eine richtig gute Seelsorgerin.“
Der Wunsch, das Leben zu ändern
Vor Weihnachten sind sie und Pater Günther durchs Viertel gelaufen, haben bei den Senioren der Gemeinde Tüten abgegeben mit Grüßen, Süßigkeiten und Kerzen, sie sind von Tür zu Tür, haben ihre Gaben kontaktlos überbracht. „Die Leute haben sich sehr gefreut.“ Es sind schon besondere Zeiten, normalerweise hätte sie für sowas gar keine Zeit. Sie glaubt nicht, dass Corona sich nur negativ auf die Kirche auswirkt: „Es gibt auch Leute, die merken, es ist nicht alles schlecht, was die Kirche macht.“ Es gibt viel Zuwachs zum Beispiel beim Moonlight-Gottesdienst abends um 21 Uhr, „in Zeiten der Not kommen welche dazu“.
Wenn Petra Merk zwischendurch mal kurz vom Büro in die Kirche St. Ignatius rübergeht, um dort ein bisschen still zu sitzen, dann denkt sie daran, dass sie am Anfang ihrer Tätigkeit mit der Betonkirche des Architekten Gottfried Böhm gar nicht viel anfangen konnte. Und wie sie das Gebäude jetzt lieben gelernt hat. Hier herrscht Dämmer, und es ist kalt, aber durch das große Dreieckfenster kommt Licht herein: „Der brennende Dornbusch“, erklärt Merk, den schaut sie sich gern an. Und wenn sie umhergeht, hat sie auch gleich einen Blick, wo etwas falsch steht oder liegt, und rückt das zurecht. Ja, den Hausmeister vertritt sie auch, wenn der Urlaub hat.
Mehr als 20 Jahre lang hat die heute 55-Jährige bei Umzugsunternehmen gearbeitet, war zeitweise Prokuristin in Hamburg, und hatte immer öfter das Gefühl, dass sie gern ihr Leben ändern würde. Sie hatte schon früher den Wunsch, bei der Kirche zu arbeiten. Denn mit und in der Kirche ist sie aufgewachsen. „Meine Kindheit und Jugend hat sich in der Kirche abgespielt, ich war Jugendsprecherin, Messdienerin, im Pfarrgemeinderat.“ Ihr Gefühl sagte ihr deutlich: „Da könntest Du gut sein, da könntest Du Dich einbringen.“
"Ich bin Teil des Teams und ich bin glücklich mit dem, was ich tue"
Mehrere Bewerbungen hat sie geschrieben, wenn wieder mal eine passende Stelle in der Heimatstadt frei war, aber geklappt hat es nicht. Da hat sie richtig mit Gott gehadert: „Warum willst Du mich nicht, warum lässt Du mich nicht?“ Sie zweifelte, an sich selbst, an ihrem Beruf, an ihrer Berufung. Oder wie soll man das nennen, wenn man woanders hingehören will, woanders sein will, und sich zum Ausharren gezwungen fühlt?
Jetzt ist sie endlich da, wo sie hinwollte. Das war „Last minute für mein Seelenheil“, stellt sie fest.Wie ein Sechser im Lotto fühlt sich ihr Job an, und es ist kein Wunder, dass sie nicht ständig auf die Uhr guckt, wenn es noch was zu tun gibt. Da bleibt sie auch mal länger: „Ich schreibe keine Stunden auf.“ Was an Mehrarbeit anfällt, sieht sie als ihr Ehrenamt. Nur am Wochenende, dann reicht es ihr manchmal mit St. Ignatius: „Am Wochenende mach’ ich manchmal gar nichts mit Kirche.“ Sie trifft sich mit Freunden, kümmert sich um ihre 91-jährige Mutter, und auch ihre Neffen und Nichten, ihre Familie ist ihr sehr wichtig.
Wenn es montags wieder losgeht, fragt sie sich manchmal, wie es wäre, wenn sie nicht da wäre. Sie würde fehlen. Vielleicht auch ihr Widerspruchsgeist: „Ich bin nicht so der Befehlsempfänger.“ Petra Merk ist nicht „die Sekretärin“, sondern Mitarbeiterin eines Teams für und mit der Gemeinde. „Ich bin Teil des Teams und ich bin glücklich bei dem, was ich tue.“
Weil in St. Ignatius so viele Gruppen aktiv sind, weil es viele Veranstaltungen und Aktionen gibt, hat sie sich „vor Corona“ manchmal gewünscht, es würde ruhiger zugehen. Als es dann plötzlich ruhiger war, hat sie auf einmal die Dankbarkeit gespürt für die „vielen tollen Menschen, die sich bei uns wohl fühlen und sich engagieren“.
Sie findet Menschen gut, die sich mit Haut und Haar für eine Sache einsetzen. Dazu gehören für sie auch die Aktivistinnen von Maria 2.0. „Ich bewundere diese Frauen. Ich könnt’s nicht so.“ Sie glaubt, dass der Einsatz richtig ist gegen veraltete Strukturen: „Das ist eine Generationensache. Die kämpfen nicht für jetzt, sondern für später, aber ohne sie gäbe es dieses Später vielleicht nicht.“
Gefragt – gesagt
Durch wen oder was sind Sie zum Glauben gekommen?
Petra Merk: Durch „Geburt“ und Vorleben. Mein Glauben ist von Kindheit an verankert.
Was gibt Ihnen Ihr Glaube?
Stärke, Zuversicht, Hoffnung. Gottvertrauen. Er ist die Grundlage meines Lebens.
Haben Sie schon mal daran gedacht, aus der Kirche auszutreten, und wenn ja, warum?
Ja, als ich mich x -mal bei der Kirche beworben habe und nicht genommen wurde. Da habe ich mit „dem da oben“ geschimpft.
Welche Veränderung wollen Sie als Frau in der Kirche noch erleben?
Dass Frauen gleichberechtigt im Dienst der Kirche stehen auch als Priester.
Ihre liebste Bibelstelle?
„Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, Windhauch, Windhauch, das ist
alles Windhauch. Welchen Vorteil hat
der Mensch von all seinem Besitz,
für den er sich anstrengt unter der
Sonne? ... Was geschehen ist, wird wieder geschehen, was man getan
hat, wird man wieder tun: Es gibt
nichts Neues unter der Sonne“ (Buch Kohelet)
Ihr Rat an Frauen auf der Suche?
Geduld und nicht aufgeben.