Sommerserie 2018 – Teil 2
Lebendiges Wasser und Brot
„Mit Jesus in der Sommerfrische.“ So heißt unsere Sommerserie. Wir besuchen Kurstädte, die an den Rändern der Bistümer Fulda, Limburg und Mainz liegen. Wo gibt es spirituelle Orte? Wo treffe ich Gott? Zweite Station ist Bad Vilbel in der Wetterau. Die Stadt ist für ihre Mineralquellen bekannt. Von Julia Hoffmann und Anja Weiffen.
Würzig schmeckt das Wasser aus dem Brunnen. Genauer gesagt leicht nach Rost. Hier kann jeder den Sprudel aus der Erde „in seinem ursprünglichen Zustand verkosten“, teilt ein Schild neben dem Wasserbecken mit. Und auf einem weiteren Schild steht: „Da ist Leben drin.“
Endlich ein Brunnen zum Laben. Es gibt viele Quellen in Bad Vilbel, aber nicht überall haben durstige Münder Zugang zum kostbaren Nass. Bad Vilbel ist gesegnet mit Wasser. Nicht von ungefähr kommen bekannte Mineralwasser-Marken aus der rund 34 000-Einwohner-Stadt in der südlichen Wetterau. Zudem fließt das Flüsschen Nidda quer durch den Ort, umsäumt von hohen Bäumen und Parklandschaften.
Über eine Brücke geht’s ins Stadtzentrum. Direkt an der Nidda steht das „Haus der Begegnung. Treffpunkt für Jung und Alt“. Genau die richtige Adresse für Jesus-Sucher. Das Haus ist ein Schmelztiegel der Initiativen: Nachbarschaftshilfe, Beratungsangebote der Stadt und der Arbeiterwohlfahrt, Flüchtlingshilfe und weitere haben ihre Büros Tür an Tür. Es gibt ein Bistro mit einem wunderschönen Balkon über dem Flüsschen. Ulrike Greiner zeigt die Räume des Bistros. Doch für einen Kaffee ist es zu spät, das Bistro schließt gerade seine Pforten. Die Suche nach Jesus geht weiter.
Spuren von Kult und Glauben gibt es einige in Bad Vilbel. In der sehenswerten Touristenattraktion „Lebendiges Römer-Mosaik“ ranken sich auf dem Mosaikboden eines Wasserbassins Fabelwesen um den Meeresgott Oceanus. Beim Gang durch ein Wohngebiet ist die eine oder andere Buddha-Statue im Vorgarten zu sehen. Und unter einer Linde vor dem Alten Rathaus erinnern zwei große Steine an die ermordeten Bad Vilbeler Juden. Jemand hat eine Rose zwischen die Steine geklemmt. Unten stehen Grablichter. Auf einem der Hinkelsteine ist ein Judenstern eingraviert, darunter ein hebräischer Schriftzug.
Nicht nur mit Wasser ist der Ort gesegnet, auch mit Weisheit. Die Autoren der biblischen Weisheitsbücher hätten ihre Freude gehabt. Keine Viertelstunde vergeht, ohne dass wir irgendwo ein weises, geschriebenes Wort an einer Hauswand oder auf einem Schild entdecken. „No hate“ (Kein Hass) steht in Graffiti an einer Bauruine. Auf dem Spielgerät eines Kinderspielplatzes ist die Mahnung „Carpe diem“ (Nutze den Tag) eingraviert. Und in großen Lettern steht auf einer Betonwand: Die Gedanken sind frei.
Ein lebensgroßer Christus am Sandstein-Kruzifix
Und wo ist Jesus? Plötzlich schimmert eine goldene Kuppel mit Kreuz durch die Baumwipfel. Direkt neben der Ruine der Wasserburg befindet sich die katholische Pfarrkirche St. Nikolaus. Das Gebäude wurde 1970 gebaut und hat Platz für knapp 3000 Personen. Beim Gang um die Kirche entdecken wir einen lebensgroßen Christus am Sandstein-Kruzifix an einer Hauswand gegenüber dem Haupteingang. Mittwochs nachmittags sind die Tore des Gotteshauses jedoch geschlossen.
Ein paar Schritte weiter steht eine Türe offen. Es ist das Karten-Büro der Bad Vilbeler Burgfestspiele, die seit 1987 jährlich in der Ruine der Wasserburg stattfinden. Im Karten-Büro ist viel los, das Telefon steht nicht still. Nach ein paar Minuten Warten haben die beiden Frauen hinter dem Tresen Zeit und hören uns zu. „Mit Jesus in der Sommerfrische“ – das Motto unseres Besuchs in Bad Vilbel finden Annette Schwerdt und Christa Calandra interessant. Sie geben uns Tipps und einen Stadtplan mit auf den Weg. Auch ein paar Mitbringsel für das Gewinnspiel erwerben wir. Als wir erwähnen, dass wir weiter zum Hofgut „Dottenfelderhof“ wollen, sind sie begeistert.
Angekommen im Land, wo Milch und Honig fließen
„Ach, dort ist es schön! Wenn Sie zum ,Dotti‘ wollen, müssen Sie auf jeden Fall hier über die Brücke auf die andere Seite der Nidda. Sonst stehen Sie nachher am Fluss und kommen nicht rüber.“ „Dann laufen wir wie Jesus übers Wasser“, ist unsere spontane Antwort. Annette Schwerdt und Christa Calandra lachen und wünschen uns noch einen schönen Aufenthalt in der Stadt.
Die letzte Station unseres Besuchs in Bad Vilbel könnte überschrieben sein mit „Willkommen im Garten Eden“ – oder „im Land, wo Milch und Honig fließen“. Auf dem ökologischen Hofgut „Dotti“ gibt es vieles, was das Wanderer-Herz an einem Sommertag begehrt: ein Café, einen Hofladen, eine Käserei und eine Wiese mit Sitzplätzen unter Bäumen.
Die Vögel zwitschern so laut, als würden sie sich darüber freuen, diesen Platz gefunden zu haben. Melina May füttert zwei Dutzend Kälber mit Heu und Klee, dann dürfen sie gemeinsam mit ihren Müttern auf die Weide. May absolviert einen Bundesfreiwilligendienst auf dem Hof. In den Gebäuden befindet sich auch eine staatlich anerkannte Fachschule für biologisch-dynamischen Landbau.
„Die Bewahrung der Schöpfung ist uns hier ein großes Anliegen“, betont Stefan Klause aus Dortelweil. Er ist Diplom-Agraringenieur und arbeitet auf dem Hof als Züchter. Er kümmert sich um die Weiterentwicklung des Getreide-Saatguts. Vielerorts wird Getreide zwar biologisch angebaut, das Saatgut ist aber für den konventionellen Landbau optimiert. Das will Klause ändern. Er ist Teil einer Initiative, die sich um die Züchtung widerstandsfähiger Sorten kümmert, die sich gut mit den Zielen des biologisch-dynamischen Landbaus vertragen. Die Pflanzen werden auf Qualität und Geschmack gezüchtet, nicht in erster Linie auf einen hohen Ertrag. Mehrere Familien bewirtschaften gemeinsam den Dottenfelderhof. Sie sehen den gesamten Hof als Organismus. Artenvielfalt und Platz für alle Lebewesen sind ihnen wichtig. Das sieht man nicht zuletzt beim Gang über die Felder. Während in Monokulturen Tiere wie Schmetterlinge und Bienen kaum noch sichtbar sind, flattern die Schmetterlinge hier überall umher.
Gans nebenbei: Wohnt hier Jesus?
Vor der Tür der katholischen St.-Nikolaus-Kirche in Bad Vilbel steht eine Gans. Sie will rein. Doch die Türen sind verschlossen, nicht nur für die Gans. Die Kirche ist nur sonntags und zu Veranstaltungen geöffnet. Die Gans wedelt mit ihren zerfransten Flügeln. Das Gefieder sieht nicht gut aus. Das Tier scheint krank zu sein. Das bestätigen Christa Calandra und Annette Schwerdt von der benachbarten Karten-Ausgabe der Bad Vilbeler Burgfestspiele.
„Die kranke Gans ist stadtbekannt. Sie schlägt sich schon seit Jahren durch“, sagt Christa Calandra. Warum die Gans wohl in die Kirche will? Sucht sie Jesus, den Heiler? (wei)
Service: Ausflugstipps: So wird der Tag rund
Ein Besuch der Pfarrkirche St. Nikolaus, Schulstraße 6, lohnt sich zum Beispiel am 10. Juli um 17 Uhr. Dann findet dort die Veranstaltung „Zwischen Arbeit und Feierabend: Musikalische Andacht ‚after work‘“ statt. Eine gute Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen, zu beten und zu singen.
- Mal was anderes: Ausschließlich veganes Essen wird im Restaurant „Apfelkern und Kolibri“ serviert. Wenn der Teller mit Gemüselasagne und Feldsalat vor einem steht, merkt man gar nicht, dass da etwas fehlen könnte.
- Wer mehr über die 450-jährige Geschichte der Bad Vilbeler Mineralquellen erfahren möchte, kann sich im Brunnen- und Bädermuseum informieren. Adresse: Am Marktplatz 3. Nur sonntags von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Führungen für Gruppen und Schulklassen können gebucht werden bei Svenja Kost, Telefon 0 61 01 / 60 23 35
- Bistro mit Balkon über der Nidda: Marktplatz 2, 1. Obergeschoss. Öffnungszeiten: Dienstag und Mittwoch 9 bis 12 Uhr, Donnerstag bis Samstag 15 bis 18 Uhr.
- Lebendiges Römer-Mosaik: Glaspavillon, Parkstraße
- Der Weg raus aus der Innenstadt lohnt sich! Dottenfelderhof, 61118 Bad Vilbel. Der Hofladen hat geöffnet: Montag bis Freitag, 8 bis 19 Uhr, Samstag 8 bis 18 Uhr. (jul)