Reaktion auf die Kirchenstatistik

Leute, macht was!

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Jedes Jahr zur Sommerzeit verursacht die kirchliche Statistik Betroffenheit. Viele Menschen wollen mit der Kirche nichts mehr zu tun haben. Die, die bleiben, nehmen immer weniger am kirchlichen Leben teil. Wir alle reagieren darauf viel zu ruhig.

Eine Mutter sitzt mit ihrem Kind in einer Kirchenbank.
Eine Mutter sitzt mit ihrem Kind in einer Kirchenbank. Um die Kirchenkrise zu stoppen, müssen Gemeinden Familien signalisieren, dass sie willkommen sind, sagt Bistumspresse-Chefredakteur Ulrich Waschki. 

Nicht nur die Zahlen zeigen, wie schlecht es mittlerweile um die Kirche steht. Auch die Corona-Pandemie hat das verdeutlicht: Zuletzt konnten zumindest Zweifel aufkommen, ob der kirchlich vermittelte christliche Glaube überhaupt noch eine Relevanz für die meisten Menschen im Land hat. Dieser Abwärtstrend sollte eine Warnung, ein Weckruf sein: Macht was! Denkt neu! Doch es wirkt, als herrsche in der Kirche nur Ratlosigkeit. Schnell wird auf die Reformdiskussion des Synodalen Weges verwiesen. Doch so wichtig viele der geforderten Veränderungen sind – sie würden, selbst wenn sie Wirklichkeit würden, nicht zu einer Renaissance des Christentums in unserem Land führen. 

Dabei haben wir doch eine Botschaft, die begeistert und von der wir überzeugt sind. Sie kann die Welt zu einem besseren Ort machen. Wo sonst werden Menschen in den Mittelpunkt gestellt, einfach nur weil sie Menschen sind und nicht, weil man etwas von ihnen will – als Arbeitnehmer, Wähler, Konsument? Der christliche Glaube erfüllt doch die Sehnsucht, die uns alle treibt: um unserer selbst willen gesehen zu werden. Zu spüren aber ist das leider oft nicht. 

Kennen wir die Menschen, die in Not sind?

Zu Recht kritisierte Hildesheims Bischof Heiner Wilmer im Interview mit dieser Zeitung die fehlende Wärme in der Kirche. „Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde“, heißt es in einem neuen geistlichen Lied. Genau! Statt auf die Verhältnisse zu schimpfen, die gottlose Welt zu beklagen oder auf Reformen von oben zu warten, müssen wir Christinnen und Christen aktiv werden. Jede und jeder an seinem Platz. Jetzt.

Wir müssen uns fragen: Sind wir in der Spur Jesu unterwegs? Haben wir ihn als unsere Mitte vor Augen? Leben wir glaubwürdig nach seinem Vorbild? Das gilt für Bischöfe und Priester: Wer am Altar Christus repräsentiert, muss das auch im Alltag versuchen. Passen Lebensstil, Machtgebaren und menschliche Nähe dazu? Bin ich als Priester, aber auch als nichtgeweihter Seelsorger nah bei den Menschen oder verzettele ich mich in Verwaltung, Organisation und Gremien? Es gibt so viele geweihte und nichtgeweihte Repräsentanten, die sich aufopfern. Und dennoch ist die Krise der Kirche auch eine Krise des Amtes. 

Ein Ruck muss aber auch durch die Gremien der Pfarreien gehen. Kennen wir in unserer Gemeinde die Menschen, die in materieller, sozialer oder geistiger Not sind? Kümmern wir uns nicht nur ums schöne Pfarrfest, sondern auch um die Menschen im sozialen Brennpunkt nebenan? Oder als ganz normaler Gottesdienstbesucher: Schenke ich der Frau neben mir beim Friedensgruß ein Lächeln, einen Gruß beim Rausgehen? Signalisiere ich der jungen Familie, dass sie willkommen ist, auch wenn ihre Kinder vielleicht nerven? Als einzelner Christ: Stehe ich zu meinem Glauben? Erzähle ich beim Smalltalk in der Kantine, dass ich gestern in der Kirche war? Denke ich im Karrierewettstreit auch an andere?

Die kirchlichen Zahlen werden weiter nach unten gehen. Die Institution wird schrumpfen. Vielleicht ist das gar nicht schlecht. Denn der Kern bleibt. Wir sollten ihn nur endlich stärker sichtbar machen.

Ulrich Waschki