Reinhord Horn komponierte Stücke zu den großen Themen
Lieder als Seelenproviant

Foto: Patrick Kleibold
Reinhard Horn in seinem Tonstudio
Ein Mischpult mit unzähligen Drehknöpfen und Schiebereglern, ein weißes Klavier, Lautsprecher und Computerbildschirme – jede Menge Technik; ganz normal für ein Tonstudio. Ins Auge fällt – nicht nur wegen seiner Farbe – ein kleines rotes Kinderklavier. Es steht auf dem großen weißen.
„Damit hat alles angefangen“, sagt Reinhard Horn und klimpert auf den Tasten herum: „Als ich vier Jahre alt war, habe ich so eins zu Weihnachten bekommen.“ Dass er damals noch keine Noten lesen konnte, machte nichts: Es gab bunte Markierungen auf dem Instrument und in einem entsprechenden Liederbuch. „Klavierspielen nach Farben“, beschreibt der Lippstädter seine frühesten musikalischen Gehversuche.
Den ersten richtigen Unterricht bekommt er ein paar Jahre später. Da ist er acht. Die Eltern, die trotz knapper Finanzen das musikalische Talent fördern, legen den Grundstein. Andere tragen dazu bei, dass daraus mehr entstehen kann. Zum Beispiel der Jugendkaplan Christoph Fechtelpeter in der Kirchengemeinde St. Joseph in Lippstadt, der Reinhard Horn fragt, ob er Jugendgottesdienste musikalisch begleiten könne, und eine Zeit später die Gründung einer Band vorschlägt. „Kann ich machen“, antwortet der damals 16-Jährige und fängt an. Instrumente sponsert die Gemeinde, vom Kaplan gibt es mit den Worten „Sucht euch einen Kellerraum zum Proben“ den Schlüssel vom Jugendhaus. Die „Jugendmessgruppe St. Joseph“ entsteht. Aus ihr wird später die deutschlandweit bekannte Gruppe „Kontakte“.
„Es gab keinen Masterplan“
Es sind die frühen 70er-Jahre, eine Zeit des Aufbruchs und der Experimente in Gesellschaft, Kirche und Musik. Der junge Reinhard Horn lernt die beiden Pioniere der Neuen Geistlichen Lieder Peter Janssens und Ludger Edelkötter kennen.
Vieles ist möglich in diesen Jahren. Zum Beispiel im gerade neu gebauten Lippstädter Theater, wo Horn 1974 mit einigen anderen die Jugendkulturwoche organisiert. „Die haben uns einfach machen lassen“, blickt der 69-Jährige immer noch ein bisschen ungläubig zurück. Und fügt lachend hinzu: „Dabei hatten wir keine Ahnung von nichts!“ Ahnung bekommen Horn und die Band in der Folgezeit durch zahlreiche Auftritte. Er selbst studiert ab 1974 Musikwissenschaften, katholische Theologie und Pädagogik. Bis 2002 arbeitet er als Lehrer – zusätzlich zu Tourneen, Auftritten in Rundfunk und Fernsehen, Komponieren und Texten.
„Macht mal!“ Diese Mischung aus Motivation, Vertrauensbeweis, Freiraum und Spielwiese zusammengefasst in zwei kurzen Worten vermisst Horn heute im Leben vieler junger Menschen: „Jeder wird komplett versorgt, alles ist verplant und da ist immer einer, der sagt, was passieren soll.“ Das ist kein Vorwurf an die Jugend, Horn ist überhaupt nicht der Typ, der nach dem Motto „Wir damals!“ von den guten alten Zeiten schwärmt. Wenn der Musiker von den „endlosen Diskussionen“ innerhalb der Band erzählt, dann schwingt eine gute Portion Ironie mit. Horns Kritik ist eher der Wunsch, dass junge Menschen heute solche „Selbstwirksamkeitserfahrungen“ ebenfalls machen können.

Foto: imago/Becker+Bredel
„Wir wollten gerade in der Anfangszeit als Band immer unabhängig unser Ding machen, Dinge wie Geld oder eine berufliche Perspektive spielten keine Rolle. Es gab keinen Masterplan für die Karriere.“ Alles habe man infrage gestellt – besonders wenn es die Kirche betraf: „Auch da wurde stundenlang diskutiert.“ Trotz seiner kritischen Distanz zur „verfassten Kirche“ damals wie heute hat der Lippstädter selbst Kirche, Gemeinde und viele ihrer Vertreter aber nicht als Bremser, sondern als Ermöglicher erlebt: „Dieses Gefühl von Freiheit hat meinen Glauben bis heute geprägt und das möchte ich weitergeben.“
Dass offen über seinen Glauben zu reden heute oft Irritationen auslöst, stört ihn dabei nicht – im Gegenteil. „Wir müssen Gott wieder zur Sprache bringen“, sagt Reinhard Horn: „Am besten durch die Musik und das so früh wie möglich; in der Grundschule und im Kindergarten!“ Aus dieser Überzeugung heraus hat er ab 1996 begonnen, für ein jüngeres Publikum Lieder zu schreiben. „Wenn wir Kindern diese Angebote nicht machen, ihnen nicht davon erzählen, werden sie von ihren Wurzeln abgeschnitten.“ Er spricht von Liedern, die er den Kindern gern als „Seelenproviant“ mitgeben möchte.
Neues Stück mit der Olympiasiegerin
Mit vielen Institutionen hat der Lippstädter zusammengearbeitet – von Adveniat und Aktion Mensch bis zu Misereor und dem Bonifatiuswerk. Oft wurde er angefragt, andere Kontakte hat er selbst geknüpft. Wie aktuell den zu der Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye, die im vergangenen Jahr sensationell Olympia-Gold für Deutschland geholt hat. „Ich habe ein Interview mit ihr gehört, in dem sie davon sprach, dass sie vor ihrem letzten Versuch gebetet habe. Der Journalist war vollkommen sprachlos, das hat mich fasziniert.“ Jetzt geht es um ein gemeinsames Lied über die Kraft des Glaubens.
Im April erscheint im Herder Verlag Horns Biografie. Und ein paar Wochen später steht ein Termin an, vor dem sich andere Künstler vielleicht fürchten würden: Mit einem Konzert am 24. Mai im Lippstädter Theater verabschiedet sich Reinhard Horn von der Bühne. „Mir hat das immer Spaß gemacht, doch es gibt auch ein Leben abseits der Live-Auftritte“, zieht er Bilanz.
Die Themen Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung waren schon aktuell, als Horn seine musikalische Karriere begonnen hat. Dieser Dreiklang bewegt ihn noch immer. „Sie sind ja auch aktueller denn je!“ Wenn er das sagt, dann klingt da kein bisschen Resignation an. Stattdessen schwingt der Optimismus mit, der sein Leben und seinen Glauben geprägt hat.