Interview mit dem Leiter des Katholischen Büros Prälat Felix Bernard

Manchmal die mahnende Stimme

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75 Jahre Niedersachsen heißt auch: 75 Jahre Zusammenarbeit der katholischen Kirche mit dem Land und seinen jeweiligen Regierungen. Die Schnittstelle zwischen Landesregierung und katholischer Kirche ist das Katholische Büro, Leiter ist Prälat Prof. Felix Bernard.


Ein großes Ereignis der Zusammenarbeit von Staat und Kirche
ist das Niedersachsenkonkordat. Es wird am 26. Februar 1965
von dem damaligen Ministerpräsidenten Georg Diederich (rechts)
und dem Apostolischen Nuntius Corrado Bafile (links) im Gästehaus
der niedersächsischen Landesregierung in Hannover unterzeichnet.

Warum gibt es das Katholische Büro? Welche Aufgaben hat es?

Das Verhältnis von Kirche und Staat ist in Deutschland auf Zusammenarbeit angelegt. Zur Verwirklichung dieser Kooperation gibt es auf Bundes- und Landesebene Kontaktstellen, die kurz gefasst „Katholische Büros“ genannt werden. Die evangelischen Kirchen haben entsprechende Verbindungsbüros.

Wegen der Kulturhoheit der Länder fällt das gesamte Unterrichts- und Bildungswesen von den Kindertagesstätten über die Schulen bis zu den Universitäten in den Kompetenzbereich der Länder. Gerade auf diesen Gebieten ist eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Land und den jeweiligen kirchlichen Stellen wichtig. Dies gilt vor allem auch für den Religionsunterricht und die Institute für Katholische Theologie an den Universitäten. Beide Bereiche gehören im Staatskirchenrecht ausdrücklich zu den „gemeinsamen Angelegenheiten“ („res mixtae“) von Staat und Kirche. Auch das Krankenhaus- und Kindergartenwesen sowie die verschiedenen karitativen Einrichtungen und Dienste der Kirche benötigen eine kontinuierliche Kooperation zwischen den zuständigen kirchlichen und staatlichen Stellen.

Zu den Aufgaben des Katholischen Büros gehört auch, in Gesetzgebungsverfahren, die sich auf kirchliche Belange beziehen, Stellungnahmen abzugeben.

In welchen Bereichen arbeiten Land und Kirche zusammen, um welche Themenbereiche geht es?

Wie schon gesagt sind die Themenbereiche für die Zusammenarbeit von Staat und Kirche sehr vielfältig und breit gefächert. Noch nicht habe ich z.B. die Gefängnisseelsorge, die Polizeiseelsorge, die Kirchensteuer und das kirchliche Friedhofswesen genannt. In unterschiedlichen Kommissionen und Gremien arbeiten wir mit, wie z. B. in der Härtefallkommission, der Denkmalschutzkommission und in dem Bündnis „Niedersachsen packt an“.

 


Seit 1993 leitet Prälat Felix Bernard das Katholische
Büro Niedersachsen.

Waren es die gleichen Themen oder haben die sich im Laufe der letzten 75 Jahre geändert?

In den Bereichen der Zusammenarbeit von Kirche und Staat gibt es immer wieder Veränderungen und Anpassungen. Für den Schulbereich nenne ich z.B. die Einführung und spätere Abschaffung der Orientierungsstufe oder das Abitur nach zwölf Schuljahren (G8), das jetzt wieder nach 13 Schuljahren (G9) abgelegt wird. Von diesen schulgesetzlichen Veränderungen sind ja auch unsere kirchlichen Schulen betroffen gewesen.

Oder denken Sie an den Ausstieg der kirchlichen Beratungsstellen aus der staatlichen Schwangerschaftskonfliktberatung.

Aber natürlich sind auch neue Themenbereiche dazugekommen, wie z. B. der demografischen Wandel, der Klimaschutz, die Bedeutung des Ehrenamtes, die Prävention des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen, die Aufnahme und Integration von geflüchteten Menschen.

Was waren Highlights in der Geschichte des Katholischen Büros und wo sind Sie und Ihre Mitarbeitenden zurzeit involviert?

Ein großes Ereignis für das Katholische Büro war sicherlich der Abschluss des Niedersachsenkonkordates Anfang 1965 und 30 Jahre später die Errichtung der Hochschule Vechta. Meines Wissens ist die Hochschule Vechta weltweit die einzige Universität, die auf der Grundlage eines Konkordats beruht.

Auch die Begleitung von Politikerinnen und Politikern zu Papstaudienzen ist für mich etwas Besonderes gewesen.

Abgesehen davon, dass wir in verschiedenen vom Land einberufenen Kommissionen mitarbeiten, versuchen wir, unsere kirchlichen Schulen soweit es geht, durch staatliche Finanzhilfe abzusichern und setzen uns für zusätzliches Personal in den Kindertagesstätten und den Pflegeeinrichtungen ein.

Auch an dem Konsultationsprozess für einen bekenntnisorientierten gemeinsam verantworteten christlichen Religionsunterricht sind wir beteiligt.

Ist die Zusammenarbeit mit der Landesregierung immer harmonisch und konstruktiv oder wird Kirche eher als störend empfunden?

Als Kirche setzen wir uns primär für die Belange der Schwachen und Hilfsbedürftigen ein. Aus unserer christlichen Sicht geben wir Anregungen dazu, was unsere Gesellschaft zusammenhalten könnte und was für unsere Zukunft wichtig ist. Manchmal werden wir dadurch zu einer mahnenden Stimme, die vielleicht etwas unbequem ist. Aber das belastet nicht die gute Zusammenarbeit mit der Landesregierung. Wir leben beiderseitig von einem offenen Dialog und einem konstruktiven Austausch unserer manchmal unterschiedlichen Ansichten.

Hat sich die Rolle der Kirche, des Katholischen Büros in den letzten 75 Jahren geändert? Werden Sie auch heute noch gehört?

Die Aufgabe des Katholischen Büros hat sich im Grunde nicht geändert. Es dreht sich im Kern vor allem um Kontakte, um Gespräche und um Überzeugungsarbeit. Und es kommt immer noch vor, dass unsere Meinung zu einem Thema gefragt ist, auch wenn wir jedes Jahr eine hohe Zahl an Kirchenaustritten haben und in einer pluralen Gesellschaft leben.

Wenn wir uns zu Sachthemen sachkundig, gut überlegt und angemessen äußern, sodass die Politikerinnen und Politiker darin ein Gemeinwohlinteresse entdecken, dann werden wir auch heute noch gehört. Es kommt in der Regel weniger auf die Größe der Organisation als auf die Qualität der Argumente an.

Seit vielen Jahren äußern wir uns bei vielen Themen gemeinsam mit der Konföderation evangelischer Kirchen, was sicherlich zur größeren Aufmerksamkeit für unsere Anliegen im politischen Bereich führt.

Kann man sagen, die katholische Kirche war am Aufbau des Landes mitbeteiligt und arbeitet auch an der Weiterentwicklung mit?

Man kann mit Recht sagen, dass die katholische Kirche am Aufbau des Landes mitbeteiligt war. Zunächst einmal mit den Kirchengemeinden vor Ort – auch in der Diaspora. Die Gemeinden wurden nach dem Zweiten Weltkrieg zur spirituellen Heimat für die Niedersachsen und für die Vertriebenen auch ganz konkret zum neuen Wohnort. Mit den kirchlichen Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern und der Erwachsenenbildung wurde am Aufbau des Landes mitgewirkt. Zusammen mit den evangelischen Landeskirchen und den jüdischen Landesverbänden ist es der katholischen Kirche in einer gemeinsamen Volksinitiative gelungen, dass Gott in die Präambel der Niedersächsischen Verfassung von 1994 aufgenommen wurde.

Welches werden aus Ihrer Sicht die gro­ßen Herausforderungen für das Katholische Büro und das Land Niedersachsen in den kommenden Jahren sein?

Die großen Herausforderungen werden wohl nicht mehr nur bundeslandspezifisch sein. Die Probleme z.B. des Umwelt- und Klimaschutzes, der Staatsverschuldung, der Generationengerechtigkeit, des Zusammenhalts in der Gesellschaft, des demografischen Wandels sowie die Folgen der Corona-Pandemie stellen sowohl nationale als auch internationale Herausforderungen dar. Nach unseren Möglichkeiten werden wir dabei unsere christlichen Orientierungspunkte ins politische Gespräch auf Landesebene einbringen. Auch wenn wir global denken, müssen wir doch lokal, vor Ort handeln.

Interview: Edmund Deppe