Solidarität in der Corona-Krise
Maske und Abstand sollten bleiben
Die Corona-Krise in Deutschland bleibt kompliziert: Die Infektionszahlen steigen wieder, die Impfkampagne stockt, und viele wollen ihre Freiheiten zurückhaben. Doch wir sollten weiter die Schwachen schützen – das sind jetzt die Kinder.
Von Andreas Lesch
Die britische Regierung hat kürzlich alle Corona-Beschränkungen abgeschafft: die Maskenpflicht, die Abstandsregeln, die Grenzen für Massenveranstaltungen. Sie sprach von einem „freedom day“ – Tag der Freiheit. Kerstin Schlögl-Flierl, Moraltheologin an der Uni Augsburg und Mitglied des Deutschen Ethikrats, sagt: „Dieser Freiheitsbegriff ist zynisch.“ Die Freiheit, die da propagiert werde, sei die Freiheit, zu tun und zu lassen, was man will: „In der Pandemie geht es aber darum, Freiheit verantwortungsvoll zu gestalten – und sie auch mal einzuschränken, um die Freiheit aller zu schützen und andere vor schweren Erkrankungen zu schützen.“
Wie kann das gelingen: Freiheit und Verantwortung klug zu verbinden? In Deutschland denkt die Regierung zum Glück nicht über das sofortige Ende aller Corona-Regeln nach. Doch auch bei uns wird debattiert, wie wir in der Pandemie weiterleben wollen – jetzt, da die Infektionszahlen wieder steigen, die Impfkampagne stockt und eine Herdenimmunität in weiter Ferne liegt. Die Moraltheologin Schlögl-Flierl sagt, je mehr Personen geschützt seien, desto mehr Regeln könnten wegfallen: „Man sollte dabei aber vorsichtig vorgehen.“
Die Erwachsenen müssen Rücksicht nehmen
Konkret heißt das für Schlögl-Flierl: „Die Pflicht zu Maske und Abstandhalten sollte auf jeden Fall bleiben.“ Vor allem um Kinder und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen zu schützen, die sich nicht impfen lassen können. „Die Kinder und Jugendlichen haben lange Solidarität mit den Erwachsenen geübt“, sagt die Moraltheologin. „Jetzt müssen die Erwachsenen mit ihnen solidarisch sein.“ Und Masketragen und Abstandhalten seien „nun wirklich zumutbare Eingriffe“ in die persönlichen Rechte – erheblich geringere Eingriffe als etwa ein Lockdown.
Im Kern kreist die Corona-Debatte momentan um die Frage, was stärker gewichtet werden soll: Selbstbestimmung oder Gemeinwohl. Schlögl-Flierl sagt: „Aus christlicher Sicht ist das Gemeinwohl so wichtig, dass wir eine gewisse Zeit nicht ganz so großen Wert auf die Selbstbestimmung legen sollten.“
Je konsequenter sich weiterhin alle an die Corona-Regeln halten, desto geringer ist die Gefahr, dass die Schulen im Herbst wegen zu hoher Infektionszahlen wieder in den Wechselunterricht gehen. Schon die monatelangen Schulschließungen im vergangenen Schuljahr hätten tief in das Leben der Kinder eingegriffen, betont Schlögl-Flierl: „Wir haben schon viel zu lange die Interessen junger Menschen hintangestellt.“ Jetzt müsse alles dafür getan werden, dass die Schulen offen bleiben und gleichzeitig sicher sind.
Ein entscheidender Beitrag dazu ist auch, dass sich jeder Erwachsene impfen lässt. Damit schützt er nicht nur sich, sondern auch andere. Schlögl-Flierl sieht die Impfung als „eine moralische Pflicht“ und sagt: „Aus Nächstenliebe ist der Akt der Impfung geboten.“ Denn Corona ist nun mal da und bleibt gefährlich – auch dann, wenn eine Regierung wie die britische das zu ignorieren versucht. Es ist, wie Schlögl-Flierl es sagt: „Das Virus geht nicht weg, weil wir wollen, dass es weg ist.“