Wie lebt man heute seine Taufe?

Mehr als ein nasses Ritual

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Was hat der Besuch beim Augenarzt mit der Taufe des Herrn zu tun? Eigentlich nichts, aber beim letzten Termin hatte Michael Maldacker ein eigentümliches Erlebnis. Und hat sich anschließend einige Gedanken gemacht.

Foto: kna/Vatican Media/Romano Siciliani
Am Fest „Taufe des Herrn“ tauft der Papst gerne auch selbst – hier ein Bild von 2019. Ob es hilft, die Taufberufung später besser zu leben? Foto: kna/Vatican Media/Romano Siciliani

Von Michael Maldacker

„So, so, Kapuziner sind Sie also. Ja, ja Ihr Kloster hier in der Stadt kenne ich. Das ist katholisch, ne?“ Gleichzeitig wird die Gesundheitskarte eingelesen. „Zum ersten Mal hier? Vorerkrankungen?“ Es folgen Datenschutzhinweise und so weiter.
 
Ich gebe zu, die Frau nervt mich. Sie ist Arzthelferin beim Augenarzt, den ich an jenem Tag aufgesucht habe. Und ganz nebensächlich reiht sie ein paar Fragen zu meinem Glauben hintereinander, wartet ungeduldig die Antwort ab, starrt auf ihren Bildschirm.

„Ich bin ja ungetauft“, säuselt sie jetzt, ihre Augen kleben weiter am Monitor. „Ich habe mir meinen Glauben zusammengebastelt. – Haben Sie Ihre Überweisung vom Hausarzt dabei?“ Und ich denke mir: Jetzt kommt bestimmt irgendetwas von einer Kraft des Universums, von einer höheren Macht, die man aber nicht Gott nennen könne oder irgend so etwas. Und dann schockiert sie mich. Ich bin völlig überrascht. Über den Gehalt ihrer Aussage. Sie sagt: „Das Allerwichtigste ist doch die Nächstenliebe.“
 
Ist meine Taufe ein Mehrwert?

Plötzlich schäme ich mich für meine Vorurteile gegenüber dieser Frau und ihrer vorgeblichen Naivität. Sie hat soeben die Essenz meines eigenen Glaubens zusammengefasst, anscheinend ganz beiläufig. Die Botschaft von Jesus, meinem Christus Gottes, perfekt knapp wiedergegeben! Seinen zentralen Wert. Egal, ob ungetauft oder getauft. „Das Allerwichtigste ist doch die Nächstenliebe.“

Mich hat diese Begegnung nicht losgelassen und jetzt, am Gedenktag der Taufe des Herrn, stelle ich meine eigene Taufe auf den Prüfstand. Ist meine Taufe ein Mehrwert? Ein Mehrwert im Glauben, ein Mehrwert in der Nächstenliebe? In welcher Hinsicht stehe ich durch meine Taufe tatsächlich besser da als ein ungetaufter Mensch? Und: Was bringt mir die Taufe auch 50, 60, 70 Jahre danach noch? 

Die Taufe ist nach christlichem Verständnis das Tor zum Leben und die Sinnentfaltung, die ich in Jesus Christus suche. Taufe ist nicht umkehrbar oder ungeschehen zu machen. Niemals. Selbst aus der Kirche Ausgetretene bleiben getauft und Teil der Gemeinschaft mit Jesus Christus.

Für mich ist die Erinnerung an meine Taufe aber vor allem der unmittelbare Aufruf zur Nächstenliebe. Ich bin Teil einer Gemeinschaft der Liebe. Und zwar dann, wenn ich als erwachsen Getaufter selbst mein Ja zu Christi Liebe ausspreche. Bewusst und selbst, denn als ich getauft wurde, haben dieses Liebesbekenntnis noch meine Eltern und Paten als Stellvertretende übernommen.

Der Eimer Wasser zum Wachwerden

Vielleicht ist das Taufwasser auf meinem Kopf ja tatsächlich vergleichbar mit dem Eimer Wasser, der Schlafenden über den Kopf gekippt wird, um wach zu werden. Das Taufwasser – auch die Erinnerung daran – weckt mich auf und ermahnt mich ein Leben lang zur Treue zu Jesus Christus und zu seiner Liebe zu den Menschen. Die Taufe zu leben, heißt, die Liebe zu leben. Genau das ist meine Taufberufung.

Einfacher gesagt als getan? Wie kann ich meine Berufung zur Liebe in meinem Alltag umsetzen? Mir fällt da ein Gebet ein, das ich in meiner Ordensausbildung in Italien gelernt habe. Es ist ein Dankgebet nach der heiligen Kommunion. Ich bete es bis heute möglichst täglich. Es ist mir eine gute Richtschnur, eine Lebensanweisung. Es lautet: 

Herr, mit Dir vereint, möchte ich nun denken, wie Du denkst.
Ich möchte sprechen, wie Du sprichst.
Und ich möchte handeln, wie Du handeln würdest.

Denken wie Jesus, Sprechen wie Jesus, Handeln wie Jesus! Das ist es. Nur: Was denkt, sagt, tut Jesus? Was würde er in konkreten Situationen an meiner Stelle tun?
 
Die praktische Tat – und die Kirche

Seine Antworten sind ganz einfach zu finden in den Evangelien unserer Bibel, mir sind sie oft konkrete Lebenshilfe. Ganz besonders geeignet finde ich dafür die Bergpredigt; Ausschnitte davon werden bald wieder an den Sonntagen verkündet. Sie ist das kleine Einmaleins des vorbildlichen Handelns.

Ganz greifbar steht dort: nachsichtig sein, barmherzig, gütig. Das Miteinander der Menschen stärken, die Gewaltfreiheit und Friedfertigkeit, die Treue untereinander, die Großzügigkeit, das Vertrauen. Aber woher nehme ich die Kraft hierfür? Ich bin ja nicht Christus! Diese Kraft nehme ich aus dem Glauben an das ewige Leben. Denn auch das bedeutet die Taufe. Sie ist ein Versprechen.

Aber noch etwas ist mir als Getauftem wichtig: Ich bin Teil der Kirche Christi, die auch meine Kirche ist. Bei allem, was mir dabei manchmal schwerfällt – ich bin durch die Taufe ein verbindlich Verbundener mit der Kirche. Diese Gemeinschaft der Getauften stärkt mich Getauften, in ihr kann ich meinen Glauben leben. Und ich stärke den Glauben der anderen in der Gemeinschaft.

Die Taufe zu leben, bedeutet für mich, Sinn zu stiften gegen die Sinnlosigkeit. Gegen die zunehmende Gleichgültigkeit und Egozentrik. Für christliche Positionen in der Gesellschaft zu kämpfen. Für mehr Bergpredigt in unserem Alltag.
    
Und so hat mir der Besuch beim Augenarzt mal wieder die Augen geöffnet. Er hat mir gezeigt, dass ich meinen Taufauftrag stets wachhalten und updaten soll. Wenn Jesus Christus für mich die Orientierung in meinem Alltag ist, dann ist die Taufe ein Mehrwert. Die Art und Weise, wie ich lebe, macht sie zum Mehrwert. Für mich und andere.

Ach, eines hab ich noch vergessen: Danke, Mama und Papa, für meine Taufe.