Der heilige Josef als Vorbild für Väter
Mein geliebtes Kind
Papst Franziskus hat das Jahr 2021 als Josefsjahr ausgerufen. Der heilige Josef soll als Vorbild für heutige Väter ins Licht gerückt werden. Ein Gespräch über Väter, Kinder und Glaube mit dem Theologen und Vater Martin Denger.
Herr Denger, Sie sind Vater von vier Kindern – zwei Söhnen, zwei Töchtern. Wann haben Sie denen zuletzt gesagt „Du bist mein geliebtes Kind“?
Es klingt vielleicht etwas kitschig, aber ich sage es sinngemäß den Kindern jeden Tag vor der Schule und abends, wenn sie ins Bett gehen. Manchmal geht es in der Hektik des Alltags auch unter oder es zeigt sich nur als kurze Umarmung. Für mich soll es aber der Grundton sein, der das Familienleben durchzieht.
Gibt’s da Unterschiede zwischen Söhnen und Töchtern?
Die Vorstellung, dass ein Sohn seinen Vater besonders stolz macht, wabert noch durch unsere Gesellschaft. Andererseits sagen auch viele, dass Väter ihre Töchter besonders verwöhnen. Ich versuche, mich von solchen Stereotypen freizumachen. Konkret muss ich aber schon aufpassen, dass ich den Schraubenzieher nicht immer zuerst an den Sohn, sondern auch mal an die Tochter gebe.
Kann ein Vater vielleicht einfacher stolz sein auf seinen Sohn, als ihm zu sagen, dass er ihn liebt?
Der Stolz gehört nicht unbedingt zu den christlichen Tugenden (lacht). Ich würde unterscheiden: Ich kann mich freuen oder stolz sein, wenn mein Kind etwas geschafft oder erreicht hat. Der Stolz bezieht sich auf bestimmte Leistungen, die Liebe bezieht sich auf die ganze Person – unabhängig von Erfolg oder Misserfolg. Ich fühle eher Dankbarkeit, wenn mein Kind sich gut entwickelt. Denn ich weiß: Dieses Glück ist ein Geschenk, zu dem ich nur wenig beitragen kann.
Warum fällt es vielen Vätern so schwer, ganz direkt oder sogar öffentlich zu sagen „Du bist mein geliebtes Kind“?
Ich kenne sehr viele junge Väter, denen das überhaupt nicht schwerfällt. Wer sich heute für ein Kind entscheidet, tut dies sehr bewusst. Ein Kind großzuziehen, erfordert viel Zeit und Aufmerksamkeit. Wer sich dafür entscheidet, ist meist mit vollem Herzen dabei.
Für unsere Ohren klingt das heute normaler als für Söhne vor 20, 30 und mehr Jahren. Woran liegt das?
Ich meine, dass der Nationalsozialismus, überhaupt der Militarismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und die Kriegstraumata hier viel zerstört haben. Die Ideale, die damals die Erziehung leiten sollten, entstammen einem kranken Menschenbild. Sich den eigenen Kindern liebevoll zuzuwenden, liegt doch in der Natur des Menschen. Nicht umsonst beschreiben biblische Texte Gott als liebende Mutter oder liebenden Vater. Heute sehe ich eine Rückkehr zu dem, was Eltern und Kinder schon immer verbindet.
Haben Sie ein Vorbild für Ihre Vaterrolle?
Der heilige Josef bietet sich hier an: Er steht für Treue und Verlässlichkeit. Viele Josefsfiguren, die ich kenne, haben weiche und liebevolle Gesichtszüge. Und wenn ich mit meinen Kindern bete, erlebe ich oft eine große Ruhe. Das stärkt uns.
Der Buchmarkt ist voll von Vater-Sohn-Geschichten. Um liebevolle Beziehungen geht es darin selten – eher um Probleme und Ratgeber. Warum?
Ich erlebe es so, dass die Beziehung zu meinen Kindern hoch dynamisch ist. Was heute gut läuft, ist morgen schon wieder angefragt. Kinder wachsen, entwickeln und emanzipieren sich. Das erzeugt eine ständige Spannung oder eben Probleme. Darum kann ich gut verstehen, wenn Eltern sich immer wieder ratlos fühlen.
Sie sind auch Pastoralpsychologe und Theologe. Welche Auswirkungen hat die gelingende oder auch gescheiterte Vater-Sohn-Beziehung auf die Gottesbeziehung?
Eine pastoralpsychologische Schlüsselfrage lautet: Wie entwickelt jemand ein Grundvertrauen ins Leben? Davon hängt meine spätere Sicht auf das Leben und auf Gott ganz entscheidend ab. Dieses Grundvertrauen entsteht, wenn Kinder Erwachsene erleben, bei denen sie sich geborgen fühlen. Der Vater oder die Mutter ist dafür prädestiniert, ein solcher Erwachsener zu werden. Zum Glück können aber auch andere hier für das Kind da sein. Nur wenn der Vater positiv erlebt wurde, kann das Bild vom Vater auch für die Gottesbeziehung hilfreich sein.
Was raten Sie Männern, die sich damit schwertun?
Mein Rat lautet, den Kindern möglichst viele stabile Beziehungen zu eröffnen. Als Vater spüre ich, welche Menschen meinen Kindern guttun. Leider wohnen diese Menschen, zum Beispiel die Großeltern, oft weit entfernt. Als Vater kann ich es aktiv unterstützen, dass die Kinder ein Beziehungsnetz knüpfen. Es hilft ungemein, wenn Väter sich so selbst entlasten und bei beruflichem Stress nicht ständig ein schlechtes Gewissen haben.
Interview: Michael Kinnen