Teil 3 unserer Fastenserie zum Tugenden

Mensch, bist du tapfer!

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Mit welchen Leitlinien kommen wir weiter gut durch die Corona-Krise? Welche Maßstäbe geben uns Orientierung für ein anständiges Leben? Die klassischen christlichen Tugenden können Wegweiser sein. Die Fastenserie stellt sie vor.

Eine Frau sitzt mit ihrer Tochter an einem Tisch. Beide arbeiten.
Zu Hause lernen und arbeiten ist schwierig. Familien müssen sich dem Problemen stellen und einen Umgang damit finden. 

Von Sandra Röseler 

„Tja, da müssen wir jetzt durch.“ Diesen Satz habe ich in den vergangenen Monaten oft gehört und gesagt. Seit einem Jahr dauert die Corona-Pandemie nun an. Alle sind genervt und ausgelaugt. Beim Telefonat mit meiner Familie vergleichen wir wie immer die Inzidenzzahlen. Die sind zuletzt wieder gestiegen, die Stimmung ist gedrückt. Um überhaupt noch etwas halbwegs Versöhnliches beizusteuern, sage ich also: „Ja, da müssen wir jetzt durch.“ 

An dem Satz ist erst mal nichts Falsches. Und trotzdem stört er mich schon seit Monaten. Jetzt, da ich mich für unsere Fastenserie mit Tapferkeit beschäftige, weiß ich auch warum. „Da müssen wir durch“ klingt träge, so, als würden wir diese Krise einfach passiv absitzen. Aber das stimmt nicht. Ich finde: „Wir machen das tapfer“ trifft es besser.

Tapferkeit ist eine Eigenschaft, die ich bislang selten gebraucht habe. Zum Glück! Wenn Tapferkeit gefragt ist, bedeutet das in der Regel Schmerz und Leid. Plötzlich werde ich mit einer schwierigen Situa­tion konfrontiert – ob ich will oder nicht. Weglaufen bringt da nichts, Verleugnen schon gar nichts. 

So gesehen stimmt der Satz, dass wir durch die Pandemie eben jetzt durch müssen. Aber die Frage ist, mit welcher Haltung wir das tun. Verkriechen wir uns und warten, bis es vorbei ist? Oder versuchen wir, uns von der Krise nicht unterkriegen zu lassen? 

Im vergangenen Jahr haben sich viele Menschen für Letzteres entschieden. Sie haben Nachbarschaftshilfen gegründet, sich gegenseitig unterstützt und tun nach wie vor ihr Möglichstes, um die Pandemie zu bekämpfen: indem sie Rücksicht nehmen, Kontakte meiden, Maske tragen. Damit beweisen sie Tapferkeit. 

Tapferkeit bedeutet, in einer schwierigen Situation trotz Rückschlägen durchzuhalten. Das tun die Ärztinnen und Pfleger, die auf der Intensivstation Doppelschichten schieben mussten; die Einzelhändler, die ihre Waren auch im Winter bei Eisregen auf dem Fahrrad ausfuhren; die Familien, die seit Monaten mit ihren Kindern Homeschooling und Homeoffice organisieren. 

Es ist tapfer, die Regeln einzuhalten 

Tapfer sind auch all diejenigen, die sich einfach nur danach sehnen, ihre Eltern wieder zu umarmen oder Freunde wieder zu treffen – aber dennoch die Kontaktbeschränkungen ein­halten, auch wenn die Versuchung groß ist, sie zu ignorieren. 

Die Tapferkeit verlangt von uns, dass wir für unsere Überzeugungen einstehen und für das Gute eintreten. Nicht umsonst ist sie eine der vier christlichen Kardinalstugenden. In diesem Sinn galt früher als tapfer, wer bereit war, sich schlimmsten Widerständen zum Trotz zum christlichen Glauben zu bekennen. Das Martyrium galt damals als ihr höchster Beweis. 

Sicher, so weit geht es heute nicht. Aber manches verlangt uns die Pandemie doch ab. Wissenschaftler müssen sich schlimme Anfeindungen und sogar Morddrohungen gefallen lassen. Auch privat müssen wir mitunter für unsere Überzeugungen einstehen: zum Beispiel, wenn jemand im Bekanntenkreis die Beschränkungen zu locker nimmt oder die Pandemie gar verharmlost und es deshalb Streit gibt. Das kann anstrengend sein. Und es wirft die Frage auf: Muss ich überhaupt tapfer sein? Und was, wenn ich mal nicht tapfer bin? Bin ich dann feige? 

Wer nicht tapfer ist, ist zumindest per Definition ängstlich. Aber Tapferkeit und Ängstlichkeit müssen sich nicht ausschließen. Natürlich darf die Pandemie mir Angst machen, natürlich dürfen mich die Konsequenzen überfordern, ich darf mir Sorgen machen, was die nächsten Jahre wohl bringen werden. Wie steht es um die Ausbildung der Kinder? Bleibe ich gesund? Ist mein Job sicher? 

Aber die Frage ist, ob ich mich von dieser Angst beherrschen lasse. Gehe ich missmutig durch die Fastenzeit und jammere andauernd, weil ohnehin alles schlecht ist? Oder versuche ich das Gute zu sehen? Suche ich Kraft in meinem Glauben? Und vor allem: Erlaube ich es mir, Hoffnung zu haben? 

Machen wir uns klar, was wir alles geschafft haben

Ja, die Mutationen machen mir Angst – aber  dass mein 92-jähriger Opa geimpft ist, lässt mich hoffen, dass er die Krise gut überstehen wird. Ja, ich bin genervt vom 248. Spaziergang bei fünf Grad und Nieselregen – dennoch freue ich mich über das Gespräch mit einer guten Freundin und hoffe, dass wir uns im Sommer wie­-
der entspannter treffen können. 

Eine tapfere Haltung kann uns helfen, gut durch die Fastenzeit und diese Pandemie zu kommen. Vielleicht sollten wir uns dafür bewusstmachen, was wir im vergangenen Corona-Jahr schon alles durchgestanden und was wir geschafft haben. Gestehen wir uns das ruhig mal gegenseitig zu: „Mensch, bist du tapfer!