Seelsorger bieten eine Messe für zu Hause an

Mit Gott im Garten

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Dieses Angebot ist ein Renner: In Steinfurt können die Menschen sich den Pastor nach Hause holen und in kleinen Gemeinschaften Gottesdienst feiern. Das ist so schön, dass es auch nach Corona-Zeiten so bleiben soll.

Ein Pfarrer spielt mit Kindern Fußball.
Nach dem Gottesdienst wirds gesellig: Der Pfarrer spielt eine Runde Fußball mit. 

Von Michael Bönte 

19 Uhr, in einer Steinfurter Wohnsiedlung: Der Duft von Grillwürstchen liegt in der Luft, zwischen Planschbecken, Rasensprengern und Blumenbeeten hört man Kinderlachen. Auch im Garten von Monika und Alfred Hille ist einiges los. Nach und nach treffen die Gäste ein, darunter die Kinder und Enkelkinder von nebenan. Doch hier startet keine Gartenparty. Die Menschen sind gekommen, um Gottesdienst zu feiern. „gottesdienst@garten“, heißt das Format, das seit zwei Monaten vom Pastoralteam der St.-Nikomedes-Pfarrei in Steinfurt angeboten wird. Die Corona-Pandemie war der Impuls für die Idee: Wenn nur wenige in die Kirche kommen dürfen, kommt die Kirche raus. 15-mal ist ein Seelsorger aus dem Team bereits gebucht worden. Mal für einen Wortgottesdienst, mal für eine heilige Messe – im Garten, im Wohnzimmer, in der Küche.

„Wer hält die Lesung?“, fragt Pfarrer Jochen Reidegeld. „Freiwillige vor!“ Die Gruppe, die zusammengekommen ist, ist aus einem Familienkreis entstanden. Ehrenamt in der Pfarrei, Liturgiekreis, Pilgerfahrten, Gottesdienst in außergewöhnlicher Umgebung: alles nichts Neues. „Ich merke schon, hier gibt es jede Menge Erfahrung“, sagt Reidegeld. Der Lektor ist schnell gefunden, die kleine Glocke für das Läuten während der Wandlung vergeben, die gerissene Seite der Gitarre noch schnell gewechselt.

Alles andere steht schon bereit. Die Tische sind am Nachmittag auf die Terrasse geschleppt, mit Blick auf die dunklen Wolken am Horizont ein zusätzliche Pavillon aufgebaut worden. Für den Blumen- und Kerzenschmuck hat sich Monika Hille etwas einfallen lassen. „Einweckgläser mit Sand aus dem Sandkasten der Enkel“, sagt sie. Dazu bunte Gartenpflanzen: „Alles was gerade so blüht.“

Eine Frau sprüht einem Mann Desinfektionsmittel auf die Hände.
Hygiene muss sein: Auch der Gottesdienst im
Garten findet untr Corona-Bedingungen statt. 

Reidegeld hat seinen schwarzen Koffer mittlerweile ausgepackt. Hostienschale, Kelch, Wasser, Wein, Hostien, Lektionar. Das weiße Spitzendeckchen dagegen kommt aus der Esszimmerschublade der Hilles, das Tischkreuz aus ihrem Wohnzimmerschrank, die Osterkerze vom Esstisch. Der Pfarrer nimmt auf dem Gartenstuhl am Ende der langen Tafel Platz, direkt vor den roten Geranien. Aus einer Kühlbox wird kaltes Wasser serviert. Dann kann es losgehen.

„Wir wollen mal sehen, ob wir mit unserem Gesang die Laube hier zum Wackeln bringen“, sagt Reidegeld noch. Dann greift der Gitarrist am anderen Ende des Tisches in die Saiten. Die Lieder stehen auf dem Blatt Papier vor ihm, jeder hat sein Gotteslob dabei.
Nicht nur das Singen ist lebendig, der ganze Gottesdienst lebt von einer besonderen Teilnahme aller. Die Predigt geschieht im gemeinsamen Gespräch. „Liebt einander – was geht da durch eure Köpfe?“, fragt der Pfarrer mit Bezug auf die biblische Lesung. „Wir haben mit der Pandemie alle ein gleiches Problem und sollten deshalb wieder zur Nächstenliebe zurückkehren“, ist eine Antwort. „Gerade jetzt sollten wir allen überflüssigen Hass stoppen“, eine andere.

Dann wird Eucharistie gefeiert. Einige Wespen schwirren umher. Reidegeld verscheucht sie mit einer sanften Handbewegung. „Auch ihr seid Geschöpfe Gottes“, sagt er lächelnd. Einen Garten ohne die Insekten gibt es derzeit ohnehin nicht. Nach dem Schlusslied bleiben alle noch sitzen. „Ich könnte noch stundenlang weiter so Gottesdienst feiern“, sagt Monika Hille. 

„Total schön, richtig innig“

Während Reidegeld seinen Koffer packt, kommen kühle Getränke auf den Tisch. Es wird gesellig, die Enkelkinder spielen vor dem Pavillon Fußball. „Eigentlich hätten wir das Angebot gar nicht nötig“, ist die einhellige Meinung. „Wir sind am Sonntag ohnehin wieder in der Kirche.“ Einig sind sich alle aber auch, dass sie das Projekt noch möglichst oft nutzen wollen. „Eine super Idee, total schön, richtig innig …“

Auch Pfarrer Reidegeld gefällt es. Das Pastoralteam will das Angebot aufrecht halten, sagt er. „Länger, als die Pandemie dauern wird.“ In den Zeiten vor Corona, sagt er, „haben wir uns doch mit vielem schwergetan – wir sollten die jetzige Krise nutzen, um umzudenken.“ Das Erleben der Gemeinschaft sollte gestaltet werden: „Nicht auf die Teilnehmer-Zahlen schauen, zusammenrücken zu einer erlebbaren Größe, Glauben in die persönlichen Räume holen.“ Natürlich sei das erst einmal ein größerer Aufwand, aber „vielleicht können wir am Ende auf einen Regelgottesdienst verzichten, um zwei- oder dreimal in großer Nähe vor Ort zu feiern“ sagt er. Dann packt er sein liturgisches Gewand ein und geht mit den Kindern noch etwas Fußball spielen.