Der Krieg in der Ukraine und die Schule

Nachgefragt bei Schulseelsorgern

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Die Bilder vom Krieg in der Ukraine erschrecken und machen betroffen. Wie gehen kirchliche Schulen damit um? Hans-Joachim Stoehr hat bei Schulseelsorgerinnen und Schulseelsorgern im Bistum Fulda nachgefragt.



Stille für eine Minute: 800 Schülerinnen der Fuldaer Marienschule bei einer Aktion auf dem Schulhof. Einige formen das Friedenszeichen in den Nationalfarben der Ukraine.


Auch mal über andere Dinge sprechen

Andrea Koucky, Fritzlar: „Ein Krieg in Europa – so konkret und nahe haben das Erwachsene und Kinder noch nie erlebt“, sagt Andrea Koucky, Schulseelsorgerin an der Ursulinenschule in Fritzlar. Der Krieg mache Erwachsene wie Kinder betroffen und ohnmächtig. „Deshalb ist es einerseits gut, über auftretende Sorgen zu sprechen. Andererseits ist es wichtig, Fragen, auf die wir als Erwachsene auch keine Antwort haben, stehen zu lassen, unter Umständen in ein gemeinsames Schweigen oder Gebet zu nehmen.“
Damit die Jungen und Mädchen an der Schule einen Raum für Stille und Gebet haben, wurde in der Kirche des früheren Ursulinenklosters eine Gebetswand für den Frieden gestaltet in Form eines Friedensnetzes. Dort liegen ausgeschnittene Friedenstauben aus Papier bereit, auf die  Schüler Gebete und Fürbitten schreiben können.
Die Kirche wird von einzelnen Schülern in der Pause aufgesucht. Aber auch Gruppen oder Klassen verweilen in der Kirche. Einige Kinder und Jugendliche suchen das Gespräch mit der Seelsorgerin oder anderen Lehrern. Es gibt aber auch die Reaktion, dass Schüler genug haben von den Bildern und Nachrichten und lieber über andere Dinge sprechen möchten. „Eine Mutter sagte mir, dass ihre Kinder nicht mehr die Nachrichten am Abend schauen, weil sie danach nicht mehr schlafen können“, berichtet Koucky.

Klassentage gegen Seelenballast

Susanne  Kreuz  und  Wolfram Böhm, Fulda: 800 Schülerinnen der Fuldaer Marienschule schwiegen eine Minute lang auf dem Schulhof. „Da war echte Betroffenheit“, erinnert sich Schulseelsorgerin Susanne Krenzer an die Friedensdemonstration. Die Mädchen formten dabei ein Peace-Zeichen und hielten selbst gebastelte weiße Friedenstauben in die Luft.
Krenzer ist Lehrerin an der Fachschule für Sozialpädagogik. Moderator des Seelsorgeteams der Schule ist Wolfram Böhm, Lehrer für Latein und Religion. An diesem Morgen gestaltet er mit Krenzer zusammen ein wöchentliches Friedensgebet in der Kapelle des Schulgebäudes. Für diesen Moment des Innehaltens kommen Lehrer und Schülerinnen dort zusammen.
Böhm weist darauf hin, dass Schülerinnen zunehmend das persönliche Gespräch suchen. „Die momentane Situation ist für sie sehr belastend, mit vielen Ängsten verbunden“, sagt er. Da könne man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Dies gelte seit Beginn des Kriegs auch für den Unterricht. Besonders in den Klassenstufen 5 und 6 wurden dazu die Klassenlehrerstunden genutzt.
Zu den Angeboten, die Schulseelsorgerin Krenzer den Schülerinnen anbietet, gehören Klassentage. Sie sind dazu da, an einem Ort außerhalb der Schule über das zu sprechen, was den Mädchen auf der Seele liegt.
Die Schule, die sich dem geistlichen Erbe der Maria-Ward-Schwestern  verbunden  fühlt,  hat über diesen Orden auch Kontakte in die Ukraine. Dort leben Schwestern unter anderem in Kiew. Und dort wollen sie bei „ihren Leuten“ bleiben, um für sie da zu sein und mit ihnen zu beten.

Fürbitten in den Friedensandachten

Bruder Michael Blasek, Großkrotzenburg: Seit Beginn des Kriegs war am Franziskaner-Gymnasium Kreuzburg in besonderer Weise klar: „Wir wollen für unsere Schülerinnen und Schüler da sein.“ Konkret bedeutete dies, so berichtet Schulseelsorger Bruder Michael Blasek: „Der Fachunterricht wird zur Seite geschoben, wenn die Schülerinnen und Schüler über das Thema Krieg reden möchten.“
Neben diesen Gesprächen gab es weitere Möglichkeiten für die Kinder und Jugendlichen, das, was sie umtreibt, zur Sprache zu bringen – etwa in einem Fürbittbuch. Diese Bitten wurden bei den wöchentlichen Friedensandachten am Dienstagmorgen – jeweils eine Viertelstunde – vorgetragen.
Bruder Michael ist aufgefallen, wie differenziert die Schüler mit der Situation des Krieges umgehen: Etwa, wenn sie darum bitten, „dass Putin zur Vernunft kommt“ oder „dass russische Kinder hier nicht diskriminiert werden“.
Bruder Michael findet es zudem wichtig, auf die grundsätzlichen Ursachen von Gewalt und Konflikten hinzuweisen. „Das beginnt im Klassenraum, wie wir da miteinander umgehen“, betont er. Denn, so der Franziskaner: „Friede beginnt bei dem, mit dem ich in der Klasse sitze.“ Und dazu zählt inzwischen auch eine Ukrainerin. Sie lebt in einer Familie, deren Kind ebenfalls das Gymnasium der Franziskaner besucht.