Interview zum silbernen Priesterjubiläum von Bischof Peter Kohlgraf

Nicht ohne weiteres Autorität

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Sein silbernes Priesterjubiläum feiert Bischof Peter Kohlgraf am Montag, den 18. Juni. Wie steht der heutige Bischof von Mainz zu seinem „Beruf“? Was hat sich in einem Vierteljahrhundert für ihn am Rollenbild verändert? Fragen an Peter Kohlgraf.

Sie sind viele Jahre im Schul- und Hochschulbereich tätig gewesen. Haben Sie dort das verwirklichen können, was Ihre Vorstellung von Priester-Sein ist? Wo und wie haben Sie Ihre Vorstellung umsetzen können? Hat Ihnen auch etwas gefehlt?

Bischof Peter Kohlgraf Foto: Sascha Braun
Ehrlich interessiert an Menschen zu sein, ist für
Bischof Peter Kohlgraf ein wichtiges Merkmal eines Priesters.
Foto: Sascha Braun

Sicherlich: Als ich mich entschlossen habe, Priester zu werden, hatte ich vor Augen, Gemeindepfarrer zu werden. Es ist dann anders gekommen und mein Weg führte an Schule und Hochschule, auch weil mein Bischof das so wollte. Aber gerade in den Jahren in der Schule war ich ja nicht nur Lehrer, sondern in erster Linie Seelsorger für eine „Schulgemeinde“.
Daneben habe ich als Pfarrvikar auch die „klassische“ Gemeindeseelsorge erlebt, etwa auch in der Zeit, als ich hier in Mainz Professor war.

Ich kann eigentlich nicht sagen, dass mir etwas gefehlt hat: Die Verbindung von wissenschaftlichem Arbeiten, Unterrichten und Lehren und zugleich in verschiedenen Kontexten seelsorglich tätig zu sein – das habe ich als sehr bereichernd und erfüllend erlebt, nicht zuletzt weil ich an Schule und Hochschule immer auch der jungen Generation sehr nahe war.

Wie hat sich Ihr Rollenbild des Priesters seit der Zeit Ihrer Priesterweihe bis heute verändert?

Ich habe schon stark erfahren, dass Priester heute noch mehr in Frage gestellt werden. Auch vor 25 Jahren war ein Priester schon nicht mehr so ohne weiteres als Autorität anerkannt, einfach weil er Priester war. Ich glaube, dies ist heute noch viel weniger der Fall. Gerade im Umgang mit Jugendlichen wurde mir das deutlich. Jugendliche neigen ja dazu, einen sehr ungefiltert mit ihren Einstellungen und Bewertungen zu konfrontieren und unmittelbar Rückmeldung zu geben. Als Mensch und Christ überzeugend zu sein – das ist, denke ich, für einen Priester heute noch wichtiger als früher.

Was sind für Sie die wichtigsten Merkmale eines Priesters?

Entscheidend ist die Beziehung zu Jesus Christus, sie trägt den Priester und prägt sein Leben und Handeln. Und ich glaube, Beziehungsfähigkeit generell ist ein wichtiges Merkmal. Sich ehrlich den Menschen zuwenden zu wollen, nicht nur an der Oberfläche, sondern ehrlich interessiert daran zu ein, was sie in der Tiefe bewegt, ihnen mit einer großen Offenheit zu begegnen – das sollte einen Priester auszeichnen.

Wer Bischof ist, bleibt Priester. Welche Möglichkeiten bleiben Ihnen in Ihrem Amt, Ihr Priestersein zu leben?

Natürlich bin ich auch als Bischof weiterhin Priester: Ich feiere Gottesdienst und spende Sakramente, ich verkündige und lege das Evangelium aus, vor allem in der Predigt, viele Gespräche, die ich als Bischof führe, sind auch seelsorgliche Gespräche. Es ist eine andere Ebene, ein größerer Rahmen, in dem ich jetzt als Bischof tätig bin, es sind andere Aufgaben hinzugekommen, aber es ist nicht grundsätzlich anders als Priestersein.

Weniger Priester, weniger Interesse an der Kirche: Wie muss sich das „Berufsprofil“ des Priesters ändern, damit Kirche zukunftsfähig bleibt?

Ich bin mir gar nicht so sicher, ob es wirklich am Berufsprofil liegt, dass sich immer weniger Männer für das Priestertum entscheiden. Priester ist wirklich ein spannender, erfüllender Beruf mit vielen Möglichkeiten, ganz unterschiedliche Begabungen und Fähigkeiten einzubringen und wirksam zu sein. Viel wichtiger als das Feilen an Berufsprofilen ist es aber, dass wir das Evangelium glaubwürdig leben. Das ist entscheidend! Wenn es gute Vorbilder gibt, die junge Menschen überzeugen, dann finden wohl auch wieder mehr Menschen den Weg zum Priestertum. Und das gilt insgesamt für die Kirche: Sie ist nur zukunftsfähig, wenn wir glaubwürdig sind.

Fragen: Anja Weiffen, Maria Weißenberger