Papst Franziskus als Ideengeber
Nudeln für eine bessere Zukunft
Foto: epd/Almut Siefert
Die Straße führt durch grüne Landschaft, obwohl nur eine Bahnstation entfernt die Hauptstadt Rom mit all ihrer Hektik liegt. Am Ende des Weges angekommen, trennt ein hohes, braunes Tor die eine Welt von der anderen. In der einen herrscht der normale Alltag, in der anderen sitzen etwa 50 Menschen im Gefängnis Casal del Marmo hinter Gittern, verurteilt wegen einer Straftat, die sie in jungen Jahren begangen haben.
Diese Welten sollen trotz Mauern und verschlossener Tore einander näher gebracht werden – mit der Nudelfabrik der Zukunft, dem „Pastificio Futuro“. In einem kleinen, flachen, weißen Gebäude wird die Zukunftspasta in diesen Tagen erstmals vom Band laufen.
Den Samen für die Idee hat niemand Geringeres gesetzt als Papst Franziskus. „Habt keine Angst, Erschaffer von Träumen und Hoffnung zu werden“, hatte er den jungen Inhaftierten gesagt, als er ihnen am Gründonnerstag 2013 die Füße wusch. „Für diese jungen Leute müssen wir irgendwas tun, sagte er uns“, erinnert sich Alberto Mochi, der Präsident des Vereins „Gusto Libero“ und Verantwortliche des Projektes Zukunftspasta. Die Worte des Papstes an die jungen Menschen – die Inhaftierten sind zwischen 14 und 25 Jahre alt – haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen: „Auch wenn du Fehler machst, kannst du den Kopf immer wieder aufrichten und neu anfangen, weil niemand das Recht hat, dir die Hoffnung zu stehlen.“
Alberto Mochi schaut eindringlich in die Augen seines Gegenübers, wenn er davon erzählt. „In einem Gefängnis hat das Wort stehlen, rubare, durchaus noch mal eine stärkere Bedeutung“, sagt er. Und es ist genau dieser Satz des Papstes: „non lasciatevi rubare la speranza“ (lasst euch die Hoffnung nicht stehlen), der bereits auf mehrere hundert Tüten Pasta geklebt wurde.
Denn schon kurz vor der feierlichen Eröffnung der Pastafabrik stapeln sich in den zweckmäßigen Regalen in der kleinen Halle die Nudelpakete. Vier Inhaftierte arbeiten in Teilzeit hier. Elf unterschiedliche Formen werden produziert. Die nagelneuen Maschinen, die von ihren Probeeinsätzen den Glanz noch nicht verloren haben, schaffen es, 200 Kilo Pasta in der Stunde herzustellen. „Wir planen, bald zwei Tonnen Nudeln am Tag zu produzieren“, sagt Mochi.
Die Augen des Mannes mit dem graumelierten Bart strahlen, als er eine Tüte Paccheri-Nudeln aus dem Regal holt. „Die Pasta, das ist eine Rückbesinnung auf das Essenzielle“, sagt er. „Nicht nur auf die italienische Kultur, auch auf die Natur und die Einfachheit.“ Schließlich brauche es nur Mehl und Wasser für die Herstellung. Die Semola, der Hartweizengrieß, stamme aus der Region Lazio, in der die italienische Hauptstadt liegt. Die Pasta habe eine hohe Qualität, schwärmt Mochi. Das Geheimnis: Sie lagert etwa 16 Stunden in einer Kammer mit Luftzirkulation, um zu trocknen. In größeren Fabriken laufen die Nudeln über kilometerlange Bänder, alles geht schneller.
Schneller hätte sich Mochi die Umsetzung des Projektes gewünscht. Zehn Jahre sind vergangen seit dem ersten Papstbesuch. In einer ehemaligen Sporthalle, die seit Jahren leer stand, sollte die Pastafabrik der Zukunft entstehen. Doch vieles zog sich hin, vieles entsprach nicht den Vorgaben – so wurde das alte Gebäude abgerissen und eine neue Halle errichtet. Finanziert wird das Projekt von der Italienischen Bischofskonferenz und der Caritas. Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung hat dabei unterstützt, einen Kredit für die Gründung eines Sozialunternehmens zu bekommen.
Geld für die Familien oder für die eigene Zukunft
Die Nudelfabrik der Zukunft soll wie ein normaler Betrieb wirtschaften. Bis zu 20 Inhaftierte werden hier arbeiten können „und ein ganz normales Gehalt beziehen“, wie Mochi betont. Das sei für die jungen Leute besonders wichtig, „sie können Geld nach Hause an ihre Familien schicken oder etwas ansparen für ihre Zukunft. Sie fühlen sich damit bereits hier drinnen schon selbstständiger und das ist fundamental für ihre spätere Resozialisierung.“
Ein erster Schritt ins Leben auf der anderen Seite der Mauern. Die Ragazzi, wie Mochi die Inhaftierten beschützend nennt, müssen sich bewerben. Sie werden dann von ihm und dem Gefängnisseelsorger ausgewählt – und müssen sich auch beweisen. „Wie an jedem Arbeitsplatz. Das bringt sie in Verantwortung und auch in einen Arbeitsrhythmus.“
Zehn Jahre nach seinem ersten Besuch war Papst Franziskus in diesem Jahr erneut am Gründonnerstag im Gefängnis Casal del Marmo. Auch das hat Alberto Mochi darin bestärkt, mit der Pastafabrik der Zukunft auf dem richtigen Weg zu sein. Wie er es geschafft hat, in der langen Zeit und angesichts vieler Bürokratie nicht den Mut zu verlieren? Bei seiner Antwort strahlen seine Augen wieder. Er sagt: „Wir haben Geschmack daran gefunden, die Hoffnung der jungen Leute zu nähren.“