Bechers Provokationen
Nur noch Eine(r) von Zehn …
Unsere Provokationen suchen nach der Glut unter der Asche. Heute geht’s um Teilnahme am Gottesdienst. Was „Quelle und Höhepunkt“ genannt wird, will nicht mal jeder zehnte Katholik erleben. „Hallo Kirche, wir haben ein Problem!“ Von Johannes Becher.
Gerade hat Papst Franziskus die Katholiken wieder mal daran erinnert, wie wichtig das Mitfeiern des Sonntagsgottesdienstes ist: „Das ist sehr wichtig: zur Messe zu gehen und die Kommunion zu empfangen. Denn die Kommunion zu empfangen bedeutet diesen lebenden Christus zu empfangen, der uns im Inneren verwandelt und uns auf den Himmel vorbereitet.“ Offenbar gibt es Grund für diese mahnenden Worte. Wobei: Neu ist solches Erinnern nicht. Schon in den Paulusbriefen mahnt der Apostel seine Gemeinde: „Lasst uns nicht unseren Zusammenkünften fernbleiben, wie es einigen zur Gewohnheit geworden ist, sondern ermuntert einander.“ (Hebräerbrief 10,25)
Es geht auch anders. „Der Rekord-Kirchgänger unter den Fußballtrainern“: So titelt das Internetportal „katholisch.de“ über Nico Kovac. Der neue Coach des FC Bayern schafft es nämlich 40 mal im Jahr in den Sonntagsgottesdienst – trotz Training. Damit wird er wahrscheinlich auch Teil der Statistik. Denn zweimal pro Jahr werden in Deutschland an einem Sonntag die Gottesdienstteilnehmer gezählt.
Und die aktuellen Zahlen sind erschütternd: Bundesweit gehen sonntags noch 9,8 Prozent der Katholiken zum Gottesdienst. In den hessischen Bistümern liegt Fulda besser als der Durchschnitt (12,8 Prozent), Limburg (9,4) und Mainz (8,8) leben knapp darunter. Bundesweit feiern rund 2,4 Millionen Katholiken sonntags Eucharistie. 1950 waren es noch 11,7 Millionen (von damals insgesamt 23,2 Millionen).
In all dem statistischen Gezähle fällt zuweilen ein Wort ins Auge, das einfach ärgerlich ist – und auch schon eine Problemanzeige: Die Rede ist nicht selten von „Gottesdienstbesuchern“. Nur zu Besuch – wir gehören gar nicht hierher … Von „tätiger Teilnahme“ oder gar einem „Mitfeiern“ ist da gar keine Rede.
Nur noch zehn von 100: Beim Betrachten der Zahlen beschwichtigen die einen, das sei doch noch immer eine beachtliche Zahl – „mehr Gläubige als Besucher in Fußballstadien“ – und letztlich komme es ja auch gar nicht auf die Masse an, sondern auf die Qualität. Die anderen sehen Alarmzeichen: Die „Sonntagspflicht“ aus dem Kirchenrecht (Canon 1247) wird nicht ernst genommen. Noch wichtiger aber: Wie kann es sein, dass etwas, das seit dem Konzil von Päpsten, Bischöfen und Theologen stets als „Quelle und Höhepunkt“ bezeichnet wird, bei den Getauften so wenig Resonanz findet?
Quelle und Höhepunkt. Vielleicht sollten wir genauer hinschauen: Ist damit vielleicht die katholische Liturgie in ihrer ganzen Fülle gemeint? Also von Andachten über Prozessionen bis zum Taizé-Gebet und noch zu findenden neuen Formen. Oder soll allein die Eucharistiefeier diese Quelle sein? Dann, Gute Nacht, Mutter Kirche! Zwar finden Tag für Tag viele Menschen Trost und Segen darin, doch an vielen Orten lässt die Wirklichkeit eben auch den letzten Hauch einer Feier vermissen. Wer will denn da hingehen? „Langweilig“, sagen die Kinder und die Erwachsenen bleiben einfach weg. Aber wie lässt sich Glaube feiern? Liturgisch. Freiwillig. Regelmäßig …
Nochmal zurück zum Papst. In seiner Ansprache fordert er auch den Liebesdienst im Alltag. Franziskus: „Das Glück der Menschen und das ewige Leben hängen davon ab, wie es gelingt, jene Liebe fruchtbar zu machen, die man in der Eucharistie empfängt.“
Es wäre lohnend, nochmal intensiv über die Quellen und die Höhepunkte im kirchlichen Leben nachzudenken.