215 Kinderleichen in katholischen Heim entdeckt

Papst "erschüttert" über Fund in Kanada

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Es ist eine schockierende Entdeckung: Auf dem Gelände eines ehemaligen katholischen Internats in Kanada sind 215 Kinderleichen gefunden worden. Nun hat sich Papst Franziskus zu dem Fall geäußert - entschuldigt hat er sich noch nicht. 

	Papst Franziskus betet während der Generalaudienz am 14. April 2021 in der Apostolischen Bibliothek im Vatikan.
Verfolgt die Nachrichten über einen Leichenfund in einem ehemaligen katholischen Internat in Kanada "mit Schmerz": Papst Franziskus 

Äußert sich der Papst zu den schockierenden Funden von Kinderleichen in Kanada? Wie reagiert er auf die Forderung von Regierungschef Justin Trudeau nach einer Entschuldigung? Das waren Fragen der vergangenen Tage. Am Sonntag sprach Franziskus erstmals zu den erschütternden Nachrichten aus British Columbia, wo auf dem Gelände eines früheren katholischen Internats die Überreste von 215 Kinderleichen gefunden wurden.

"Mit Schmerz verfolge ich die Nachrichten aus Kanada über den erschütternden Fund der Überreste von 215 von Kindern", begann Franziskus am Sonntag seine Ansprache nach dem Mittagsgebet auf dem Petersplatz. Gemeinsam mit der gesamten katholischen Kirche wolle er dem "kanadischen Volk, das durch diese schockierende Nachricht traumatisiert ist", nahe sein. Staatliche und kirchliche Stellen sollten weiter entschlossen zusammenarbeiten, "um Licht in diese traurige Angelegenheit zu bringen", sagte der Papst.

Vor einer möglichen päpstlichen Bitte um Entschuldigung sind sicher die genauen Umstände des Massengrabes auf dem Gelände der Kamloops Indian Residential School zu untersuchen. Zunächst, so etwa der Historiker Ulrich Nersinger auf dem Portal domradio.de, sei es Aufgabe von Forensikern und Historikern zu klären: "Was ist wirklich geschehen? Woran sind diese Kinder gestorben? Wann sind sie gestorben?" Dann könne man näher sagen, welche Verantwortung die damals Verantwortlichen trifft.

Die Kirche hatte das Internat nahe der Kleinstadt Kamloops im Westen des Landes 1890 eröffnet. In der Einrichtung waren Kinder indigener Familien zumeist zwangsweise untergebracht, um sie an die "christliche Zivilisation" heranzuführen. Das Internat war eines von 139 Umerziehungsheimen in Kanada, die überwiegend unter kirchlicher Leitung standen. 1969 übernahmen staatliche Behörden das Internat, 1978 wurde es geschlossen.

Nachdem der Bischof von Kamloops der indigenen Gemeinschaft bereits Unterstützung zusicherte, bekam Trudeaus Aufforderung an den Papst, auch dieser möge um Entschuldigung bitten, eine gewisse Dringlichkeit. Mit dem, was Franziskus am Sonntag sichtlich bewegt sagte, bekundete er einerseits Betroffenheit und Verständnis, versprach kirchliche Unterstützung bei der Aufklärung, wartet aber auch deren Ergebnisse ab.

Seine Reaktion hatte Franziskus tags zuvor sicherlich auch bei Treffen mit seinen beiden kanadischen Kurienkardinälen Marc Ouellet und Michael Czerny beraten. Bevor ein Papst für Vorfälle in der kirchlichen Vergangenheit um Entschuldigung bittet, will und muss er die Faktenlage genauer kennen. Sonst würden derartige Bitten inflationär und weniger glaubwürdig, aber auch zum Spielball außerkirchlicher Interessen.

Für den am Samstag ernannten neuen Päpstlichen Nuntius in Ottawa, den slowenischen Vatikandiplomaten Ivan Jurkovic, wird das Massengrab von Kamloops ein schwieriger Einstieg. Es wird also eine Weile dauern, bis der Papst über weitere Reaktionen entscheidet. Bisher sprach Franziskus solche Bitten um Entschuldigung aus, wenn er die betreffenden Länder besuchte.

Dies geschah etwa 2018 in Irland, wo es neben Missbrauch durch Kleriker in Gemeinden ein Heim-System gab, dessen Einrichtungen von der Kirche im Auftrag des Staates geführt wurden. Bei einem Besuch in Bolivien im Jahr 2015 entschuldigte sich Franziskus für die "vielen schweren Sünden, die im Namen Gottes gegen die Ureinwohner Amerikas begangen wurden". Mit Bezug auf die Umerziehungsinternate für indigene Kinder in Kanada entschuldigte sich die kanadische Regierung 2008 formell für das System.

In den kanadischen Umerziehungsinternaten gab es verbreitet Missbrauch und Misshandlungen. So wurde vergangene Woche bekannt, dass der Serviten-Orden, der ein College in Ayer'S Cliff (Quebec) betrieb, 11,6 Millionen Dollar zahlt, um eine Sammelklage ehemaliger Schüler beizulegen, die zwischen 1948 und 2007 Opfer sexueller Misshandlungen an der Schule wurden.

Für den Papst macht Kamloops noch einmal "das Bewusstsein über Schmerzen und Leiden der Vergangenheit" bewusst. Zudem sei der Vorfall eine dringende Mahnung "an alle, sich jeglichen kolonialen Verhaltens zu enthalten", auch jeglicher ideologischen Kolonisierung heute. Zum gegenseitigen Respekt der Kulturen gehöre auch die Anerkennung der Rechte und kulturellen Werte aller Töchter und Söhne Kanadas, mahnte Franziskus, bevor er um ein gemeinsames Gebet für die gestorbenen Kinder, für ihre Familien und alle indigenen Völker Kanadas bat.

(kna)