Kurzbesuch in Ungarn

Papst feiert Glaubensfest - und verteilt Kritik

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Keine Höflichkeitsfloskeln: Papst Franziskus übt bei seinem Besuch in Ungarn Kritik an der Regierung, der Kirchenführung und der Gesellschaft.

Foto: kna/Vatican Media/Romano Sicliani
Begrüßung am Flughafen von Budapest: Sieben Stunden war Papst Franziskus in der ungarischen Hauptstadt ehe er in die Slowakei reiste. Foto: kna/Vatican Media/Romano Siciliani


Nicht weniger als "eine Wiedergeburt der Kirche" haben sich die katholischen Bischofe in Ungarn vom Auftritt des Papstes in Budapest erhofft. Doch die Worte von Franziskus beim Eucharistischen Weltkongress sind keine bloße Ermutigung nach harten Monaten der Pandemie. Bei seinem siebenstündigen Kurzbesuch belässt es das Kirchenoberhaupt nicht bei diplomatischen Höflichkeitsfloskeln. Bei mehreren Auftritten übt er - mal mehr, mal weniger deutlich - Kritik an Regierung, Kirchenführung und der ungarischen Gesellschaft insgesamt.

Lange vor Beginn der 34. Auslandsreise des 84-Jährigen hat sich angedeutet, dass es keine ganz einfache Visite werden würde. Die Misstöne waren unüberhörbar und wurden vom Papst selbst durch wenig charmante Äußerungen verstärkt. Sein Auftritt in Budapest sei "kein Ungarn-Besuch", betonte er in ungewohnter Manier. So als wolle er sich im Land der rechtsnationalen Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban nicht länger als nötig aufhalten. Die zügige Weiterreise in die Slowakei, wo er gleich mehrere Tage verbringen wird, bestätigen diesen Eindruck.

Das mit Spannung erwartete Begrüßungstreffen mit dem Calvinisten Orban und dem katholischen Staatspräsidenten absolviert Franziskus mit auffällig großzügigem Sicherheitsabstand. Bei der rund halbstündigen Unterredung sitzt der Papst auf einem schmucklosen Holzstuhl inmitten des Museums der Schönen Künste. Flankiert wird er von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und dem päpstlichen Außenbeauftragten Erzbischof Paul Richard Gallagher. Die ungarische Führung sitzt meterweit entfernt. Nach "herzlicher Atmosphäre", wie der Vatikan die Szenerie im Nachgang beschreibt, sieht das nicht aus.

Eine Erklärung dürfte die Flüchtlingspolitik der regierenden Fidesz-Partei sein, die so gar nicht dem "geschwisterlichen" Gesellschaftsbild des Papstes entspricht. Migranten aus muslimischen Ländern sollen nach ihrem Willen möglichst fernbleiben. Der Vatikan indes mahnt die EU-Staaten immer wieder zu Aufnahme und Unterstützung.

 

Papst fordert Öffnung, Dialog und mehr Mut zur Veränderung

Orban veröffentlicht zu der Begegnung mit dem obersten Repräsentanten der katholischen Kirche nur einen einzigen Satz. "Ich habe Papst Franziskus gebeten, das christliche Ungarn nicht untergehen zu lassen", schreibt er auf Facebook und schenkt dem Papst das Faksimile eines Briefes von König Bela IV., der Papst Innozenz IV. vor einer Tartaren-Invasion warnt. Auch das wirkt nicht gerade herzlich.

Orban interpretiert die vielzitierten christlichen Werte offensichtlich anders als der Bischof von Rom. Pikanterweise befürworten große Teile des ungarischen Klerus den dezidiert konservativen Fidesz-Kurs - vor allem das propagierte klassische Familienbild kommt in kirchennahen Kreisen gut an. Selbst Orbans unverhohlene Ablehnung muslimischer Einwanderer stößt nicht selten auf Verständnis. Obwohl dies in eklatanter Weise der von Rom vorgegebenen Linie widerspricht.

Franziskus spricht das Problem in einer Rede vor ungarischen Bischöfen direkt an. Öffnung, Dialog und mehr Mut zur Veränderung seien das Gebot der Stunde, mahnt er die Geistlichen. Angesichts kultureller, ethnischer, politischer und religiöser Unterschiede gebe es zwei Haltungen: "Entweder verschließen wir uns in einer starren Verteidigung unserer sogenannten Identität, oder wir öffnen uns für die Begegnung mit dem Anderen und kultivieren gemeinsam den Traum einer geschwisterlichen Gesellschaft."

Und es kommt noch mehr Kritik hinzu. Bei einem Gespräch mit jüdischen Vertretern - ebenfalls im Museum der Schönen Künste - ruft der Papst zum Kampf gegen Antisemitismus auf, der "immer noch in Europa schwelt". Ungarn nennt er in diesem Zusammenhang nicht explizit, aber Gegner des Orban-Lagers werfen diesem immer wieder vor, mit antisemitischen Klischees Wahlkampf zu machen. Etwa im Falle einer fragwürdigen Kampagne gegen den ungarisch-amerikanischen Investor und Philanthropen George Soros.

Kurz bevor Franziskus in die Slowakei weiterfliegt, hätte er die perfekte Gelegenheit gehabt, die ungarische Seele zu streicheln. Gut 100.000 Gläubige haben sich bei Kaiserwetter auf dem Heldenplatz und ringsherum versammelt, um den Abschluss des Eucharistischen Kongresses zu feiern. Doch auch diesmal geht es nicht ohne mahnende Zwischentöne. "Zurschaustellung und Triumphalismus" seien nicht der Weg zu Gott, sagt der Papst und warnt zu Füßen des Milleniumsdenkmals vor dem "Götzen unseres Ichs", den es mit Jesu Hilfe zu überwinden gelte. Das Ergebnis könnte tatsächlich "eine Wiedergeburt der Kirche" sein. Auch wenn sich Ungarns Bischöfe das vermutlich anders vorgestellt haben.

kna