Pro und Contra

Pfarrer-Projekt fördern?

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Wir sind Weltkirche. Christen sorgen sich um die Lebensbedingungen aller Menschen auf dem Globus. Wenn der arme Süden leidet, wird geholfen. In vielen Gemeinden wird ein Projekt unterstützt, das der dortige Pfarrer in seiner Heimat auf der südlichen Halbkugel angestoßen hat. Hans-Joachim Stoehr ist begeistert von solchem Engagement, Johannes Becher weniger. Ein Pro und Contra.



Entwicklungshilfe: Längst ist aus Patenschaften vielerorts eine Partnerschaft geworden.


PRO
Spenden ist Vertrauenssache. Und deshalb haben seriöse Spendenempfänger kein Problem damit, gegenüber Spenderinnen und Spendern über die Verwendung der Zuwendungen Rechenschaft abzulegen. Und sie wissen, dass ein Spendensammler oder eine -sammlerin eine Verantwortung gegenüber denen haben, die etwas spenden.
Rechenschaft und Vertrauenssache, beides wird auch gern im Zusammenhang mit Spenden an eine konkrete Person oder eine bestimmte Einrichtung genannt. Große Organisationen wie die Hilfswerke Misereor, Adveniat oder Missio oder auch die Caritas werden hingegen als anonym empfunden. Ich sage bewusst „empfunden“. Denn große Hilfswerke müssen mit Spenden verantwortungsvoll umgehen. Und sie müssen in der Lage sein, Rechenschaft darüber abzulegen. Spenden an Privatpersonen sind also eines nicht. Sie sind nicht „besser“ als an Organisationen, die als anonymer angesehen werden.
Bei Spenden an eine Person, die die Geber kennen, wird des-
halb meist die unmittelbare Nähe zum Empfänger oder aber – wo dies der Fall ist – zum Spendensammler oder der Sammlerin geschätzt. Denn ich verbinde beispielsweise mit seiner Spende ein Gesicht. Da die Empfänger ein Interesse an weiteren Zuwendungen haben, berichten sie oft, was konkret mit einer Spende passiert. Das wiederum ist nicht nur Rechenschaft, sondern auch Teilhabe, etwa an der Situation in einem Land Afrikas, Asiens oder Südamerikas. Dann kann über eine Geldzuweisung mehr entstehen als materielle Unterstützung. Da können über Kontinente hinweg Freundschaften wachsen, die den Blick weiten und neue Horizonte eröffnen. Die Spende ist da nur der Einstieg.
Aber wie schon gesagt: Es muss bei den Spenden immer Transparenz und Kontrolle geben. Wenn da der geringste Zweifel besteht, dann heißt es Finger davon. Denn jemandem Geld anzuvertrauen, und der missbraucht dieses Vertrauen, lässt einen wie einen Betrogenen zurück. Stimmt diese Voraussetzung, kann über eine materielle Zuwendung eine wunderbare Erfahrung von gelebtem Christsein entstehen.

Hans-Joachim Stoehr, Redakteur

 

CONTRA
Was soll man kritisch sagen, wenn Menschen durch ihr Handeln die Welt ein wenig besser machen und die Not einiger Erdenbürger lindern? Auf den ersten Blick gibt es da nichts zu mäkeln. Wer dem Hungernden Brot und dem nach Bildung Dürstenden eine Schule gibt, der macht ja nichts falsch. Respekt! Hut ab! Danke für diesen Einsatz.
Beim zweiten Blick auf manches Engagement in der Entwicklungshilfe stellen sich schon ein paar Fragen. Sind doch nicht wenige Projekte nach diesem Muster gestrickt: Da kommt ein Pfarrer „aus der Weltkirche“, genauer aus Indien, einem afrikanischen Land oder aus Polen, um hier auszuhelfen in der Seelsorge. Sozusagen die Umkehrung der einstigen Missionarsrichtung Nord-Süd.
Viele dieser Pfarrer bereichern durch ihre Arbeit die Lebendigkeit hiesiger Gemeinden. Und weil es ja anschaulich und glaubwürdig ist, wenn diese Priester aus ihrer Heimat berichten, wird die dortige Not sogleich offenbar. Schnell entstehen Förderkreise für ein Krankenhaus oder eine Schule in Asien oder Afrika. Einige aus der Gemeinde haben den Pfarrer beim Heimaturlaub begleitet und sich selbst überzeugt: Unser Geld kommt an – und es hilft.
Wo meine Kritik ansetzt: Wenn auf diese exklusive Weise kleine Inseln begrünt werden in einem Meer aus Sand; wenn eine Oase bewässert wird, statt allen Zugang zu Brunnen zu ermöglichen. Ist es fair, wenn aus Gemeinde X ein Priester nach Deutschland durfte und aus Gemeinde Y eben keiner? Pech gehabt?
Mein Einwand hat einen Namen: Misereor. Oder Missio. Brot für die Welt. Die Kirchen in Deutschland haben Hilfswerke aufgebaut, die mit ihrer strategischen Planung eine größere Fläche, eine Vielzahl von Menschen im Blick haben. Gefördert werden keine Musterprojekte, die den Nachbarn den Neid in die Augen treiben, sondern Menschen sollen in die Lage versetzt werden, die Strukturen dauerhaft zum Besseren zu verändern. Damit sie auch ohne die Morgengabe reicher Glaubensgeschwister im Norden besser leben können.

Johannes Becher, Redaktionsleiter