Auf „Aachenfahrt“ mit St. Martin Idsteiner Land

Pilgerfahrt 1. Klasse

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Pfarrei St. Martin Idsteiner Land
Nachweis

Foto: Domkapital Aachen/ Angelika Kamlage

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Die „Windeln Jesu“, eins der seit 1349 in Aachen verehrten Heiligtümer

Seit mehr als 660 Jahren machen sich Pilger auf den Weg zur Heiligtumsfahrt Aachen. Auf „Aachenfahrt“ war jetzt auch die Pfarrei St. Martin Idsteiner Land. Eine Buswallfahrt und viele Eindrücke – zum Beispiel von den „Windeln Jesu“. Von Ruth Lehnen

Um 16.30 Uhr sind alle geschafft. Es war ein langer heißer Tag. Der Bus füllt sich wieder fast bis auf den letzten Platz. Adolf Woitaschiok ist glücklich: „Ich fand das ganz toll“, sagt der Pilger aus dem Idsteiner Land: „Die Stadt ist ja so sehenswert.“ Woitaschiok war schon viermal in Lourdes und möchte im Herbst wieder nach Fatima. Aber an diesem Montag im Juni ist erstmal Aachen dran. Aachen war früher als Pilgerstadt so bekannt wie Santiago de Compostela, weiß Woitaschiok. 

 Herzlich willkommen! Wir freuen uns, dass Sie da sind!

Immer zur Heiligtumsfahrt war die Stadt proppenvoll. Dann wollten die Menschen die Aachener Heiligtümer sehen. Auch Woitaschiok hat jetzt die Windeln Jesu, das Lendentuch Christi und das Kleid Mariens gesehen. Das Enthauptungstuch Johannes des Täufers war an diesem Tag in eine Justizvollzugsanstalt ausgeliehen. Weil die Gefangenen sich ja nicht auf den Weg in den Dom machen können, kam die Reliquie zu ihnen.
Zwei Jahre haben die Pilger aus ganz Europa auf die Heiligtumsfahrt warten müssen, schuld daran war Corona. Gerade nach Corona, meint Pastoralreferentin Marlene Wynands, tut den Menschen eine Gemeinschaftsaktion so gut. Gläubigen aus verschiedenen Kirchorten, die jetzt unter dem Namen St. Martin Idsteiner Land eine Gemeinde geworden sind, können hier etwas Schönes zusammen erleben. 

Auf Pilgerfahrt im Bus
Die Bordcrew: Marlene Wynands, Benjamin Rinkart, Kathleen Hohl, Roland Büskens Foto: Ruth Lehnen

Schon am Morgen ist die Pilgerstimmung gut im Bus. Nach einem Morgengebet, Segen und Informationen übers Programm hatte Kaplan Benjamin Rinkart zum Mikrofon gegriffen und festgestellt, dass hier doch wohl alle erster Klasse unterwegs seien. Und deshalb gebe es jetzt Sekt, wahlweise auch alkoholfrei. 
Bei einem Vorbereitungsabend zum Thema Aachen hatten die Pilger schon Vieles erfahren, unter anderem über die berühmten Frauen von Aachen, die Ordensgründerinnen Franziska Schervier und Clara Fey zum Beispiel. Auch über die Heiligtümer wurden sie informiert. Dass die berühmten Reliquien, die in Aachen zuletzt 2014 gezeigt wurden, wirklich  „echt“  sind, behaupten nicht mal mehr die Verantwortlichen des Aachener Domkapitels. Für sie sind diese Textilien „Lebenskleider“, heilige Zeichen, die auf das reale Menschsein Jesu hinweisen. Diese Textilien kamen der Überlieferung nach schon an den Hof Karls des Großen, der 814 starb. Im berühmten Marienschrein erhielten sie 1238 ihren goldenen Aufbewahrungsplatz. Marienschrein und der Karlsschrein mit den Gebeinen des heiliggesprochenen Kaisers sind bis heute Hingucker im Dom.  
Die Aachener am Eingang des Doms geben alles, lächeln die Idsteiner Pilger an, rufen: „Herzlich willkommen! Wir freuen uns, dass Sie da sind!“ Das Gefühl, willkommen zu sein, zieht sich durch den Tag, vom Guten Morgen im Bus bis hinein in den Dom.  In der Kirche Karls des Großen geht es zu den Glaskästen, in denen die uralten Textilien an Bändern hängen. Daneben stehen Menschen, die ihre Dienste anbieten: „Sie können etwas, das Ihnen wichtig ist, mir geben, ich werde es in der Nähe der Reliquie auf ein Tuch legen.“ Ja, das machen viele. Es folgt ein kurzer intensiver Augenblick, Stille, Pause. Dann wird der Ehering zurückgegeben, oder das grüne Pilgertuch. Die Pilger haben sich in die Reihe der Generationen gestellt, die an die Wirkkraft der Reliquien geglaubt haben. Und was bewirkt das? Im Bus auf dem Heimweg beschreibt es jemand so: „Ich werde mein Pilgertuch auf jeden Fall in Ehren halten.“ 


„Lebenskleider“ – was lasse ich an mich ran?


„Lebenskleider“ – unter diesem Motto steht auch eine Ausstellung in Aachens Citykirche. Der Künstler Uwe Appold hat für einen Hochaltar, dessen Bilder verbrannt waren, neue Bilder geschaffen und zum Thema Taufe ein Taufkleid in den Altar integriert. Etliche Frauen der Pilgergruppe sind in die Citykirche gekommen, um seinen Ausführungen zu lauschen.
Kleider werfen die Frage auf: Was lasse ich an mich ran? Diese Frage haben die Christen aus dem Idsteiner Land sicher alle anders beantwortet. Gemeinsam aber sind sie gefahren, haben gebetet und gestaunt – das war ihre Aachenfahrt 2023.

Hintergrund: Sechs Tage bis zum 19. Juni 2023 fand die Heiligtumsfahrt Aachen statt. Im Mittelpunkt stehen vier Reliquien: die Windeln Jesu, das Kleid Mariens, das Lendentuch Jesu und das Enthauptungstuch Johannes des Täufers. Die nächste Heiligtumsfahrt findet 2028 statt.

https://heiligtumsfahrt-aachen.de/start/

Ruth Lehnen