Die Pfingstpredigt des Petrus

Plädoyer eines Anwalts

Image

Mehrfach stammt in der Osterzeit die erste Lesung aus der Pfingstpredigt des Petrus. Was macht diese Predigt so besonders? Und wie schafft sie es, so viel zu bewirken? Eine Einführung.

Karl Andreae: Die Pfingstpredigt des Petrus, 1844, Foto: akg-images
Der Apostel kündigt die letzten Tage der Welt an (Karl Andreae: Die Pfingstpredigt des Petrus, 1844). Foto: akg-images

Eben waren sie noch heimlich, still und leise in einem Raum zusammen und haben gebetet, die Apostel. Am Anfang der Apostelgeschichte ist da wenig vom Auftrag Christi, das Evangelium der ganzen Welt zu verkündigen, zu spüren. Aber dann passiert das Unwahrscheinliche, das alles verändert und bis heute völlig zu Recht eines der größten Feste des Kirchenjahres bezeichnet: Die Apostel verlassen ihre kleine, versteckte Herberge, mischen sich unter die Leute und erzählen von Jesus – und jede und jeder versteht sie. Und sie sind am Ende so überzeugend, dass sich viele taufen lassen werden. So steht es im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte in wenigen Versen. 

Wie konnte das gelingen? Die Erklärung der Apostelgeschichte: Es lag an der Predigt des Petrus. Die nicht nur eine Predigt war, sondern geradezu ein Plädoyer. Wie das eines Anwalts, der beweisen will, dass dieser am Kreuz gestorbene Jesus nicht nur lebt, sondern auch bei Gott im Himmel ist und den Menschen einen Geist gesandt hat, der denen, die ihn annehmen, ein neues Leben schenken und sie erlösen wird.

Wie aber will Petrus das beweisen? Nun, als Jude redet er zu gläubigen Juden und argumentiert daher vor allem mit der Heiligen Schrift und dem, was in ihr schon vorausgesagt ist. Mit ihr will er das erklären, was die Leute am Pfingsttag auf der Straße sehen: ein paar Männer, die begeistert von der Erlösung durch diesen Jesus predigen. Die erste Reaktion der Leute ist: Die sind wohl betrunken. Auf den ersten Blick wahrscheinlich gar nicht so abwegig.

Petrus aber stellt sich vor alle hin und erklärt: Niemand ist betrunken! Begründung: Es ist ja erst die dritte Stunde, also 9 Uhr morgens! Dann aber setzt er mit einer ungeheuerlichen Behauptung ein: Die letzten Tage der Welt sind gekommen! Zeuge in der Heiligen Schrift ist der Prophet Joël. 

Davids Prophezeiung passt genau auf Jesus

Die Rede von den letzten Tagen war den Israeliten schon geläufig, bezeichnet sie doch den Tag des göttlichen Gerichts am Ende der Welt. Dieser wird bei mehreren Propheten beschrieben, bei Joël aber nun geht er mit der Ausgießung des Geistes Gottes einher: Ganz normale Menschen haben Visionen, reden prophetisch und haben Träume. Also genau das, was da eben gerade in Jerusalem passiert ist. Für Petrus ist das der Beweis: Es ist Gottes Geist, der die Apostel so verändert hat und so frei und für jeden verständlich predigen lässt. Zugleich aber rückt er damit das Gericht Gottes ins Blickfeld. Für jeden Israeliten bedeutet dies, dass jetzt der Tag gekommen ist, das eigene Leben darauf zu überprüfen, ob man vor Gott gerecht gewesen ist.

Als Nächstes kommt Petrus auf Jesus zu sprechen und beweist für gläubige Israeliten dessen Auferstehung ebenfalls mit der Heiligen Schrift. „... denn es war unmöglich, dass er vom Tod festgehalten wurde“, behauptet er. Sein Zeuge ist dieses Mal kein klassischer Prophet, aber ein für Israeliten noch viel bedeutenderer Gewährsmann: König David. 

Die Psalmen, die ihm schon zu Jesu Zeit in großer Zahl zugeschrieben wurden, wurden nicht nur als Gebete, sondern auch als Prophezeiungen betrachtet. Und so hält es auch Petrus, wenn er in Psalm 16 die Auferstehung Jesu vorhergesehen wissen will. Dort nämlich bedankt sich der Beter bei Gott für seine Rettung und dafür, dass er nicht in die Unterwelt gehen und verwesen, sondern ihm Gott vielmehr den Weg zum Leben zeigen wird. Petrus argumentiert nun, dass sich David als Beter des Psalms damit nicht selbst gemeint haben kann. Schließlich sei er ja gestorben. Wohl aber könne er einen seiner Nachkommen – einen Sohn Davids also – gemeint haben. Zumal man als Messias, den Erlöser der Israeliten, einen von den Nachkommen Davids erwartete. 

Für Petrus ist nun völlig einleuchtend: Das passt genau auf diesen Jesus von Nazaret, von dem die Apostel behaupten, dass sein Grab leer und er ihnen mehrfach erschienen sei. Also: Jesus ist zwar gestorben, aber von Gott nicht im Tod gelassen worden. So hat es David vorausgesagt. Mehr noch: In Psalm 110 spricht David nach Meinung von Petrus über den einen Herrn (Gott), der den anderen Herrn (Jesus) zu sich in den Himmel holt. Für den ersten Apostel ist damit völlig klar: Jesus ist der Messias, der Erlöser, der bei Gott ist.

Der Glaube breitet sich in der ganzen Welt aus

An dieser Stelle nun fragen die Zuhörer nach: „Was sollen wir tun?“ Petrus verbindet die Aussagen über Jesus und die angebrochenen Tage des Gottesgerichts zu der Forderung, dass sich alle auf den Namen Jesu taufen lassen sollten, denn dadurch würden sie wie die Apostel seinen Geist erhalten, sich zu Gott bekennen und vor dem kommenden Gericht von ihrer Schuld befreit werden. Und dies gelte nicht nur den Israeliten, sondern auch „denen in der Ferne“ – also allen Menschen – was auch schon beim Propheten Joël stand.
 
Zugegeben: Die Beweisführung des Petrus mit seinen Zeugen David und Joël ist für heutige Leserinnen und Leser nicht leicht nachvollziehbar, scheint manchmal sogar etwas an den Haaren herbeigezogen zu sein. Aber Petrus hat bei seinen damaligen Zuhörern wohl einen Nerv getroffen, denn nicht nur die Apostel waren auf einmal wie verwandelt, sie überzeugten auch viele Israeliten, dass sie sich auf den eben noch als Verbrecher gekreuzigten Jesus taufen ließen. 
Deshalb ist dieses 2. Kapitel der Apostelgeschichte der Beginn einer beispiellosen Ausbreitung eines Glaubens durch Verkündigung, die dann mit Paulus noch einmal so richtig Fahrt aufnahm – bis an die Enden der damals bekannten Welt. Was eine einzige gute Predigt alles bewirken kann …

Christoph Buysch