Bechers Provokationen

Pontifikal geht mir auf den Geist

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Unsere Provokationen schauen hinter Stein-Gewordenes und suchen nach der Glut unter der Asche, nach dem Kern der Botschaft, nach dem Feuer im Herzen. Dieses Mal geht’s ums Fremdeln im katholischen Zuhause. Von Johannes Becher.

Weihrauchschwenker Foto: kna-bild
Warum wird von kirchlichen Dienststellen ein Gottesdienst immer dann „feierlich“ oder „festlich“ genannt, wenn es ordentlich raucht und mindestens ein Prälat mitfeiert? Jede Eucharistie ist eine Feier. | Foto: kna

Ich auch! Das ist ein Bekenntnis. Ja, auch ich fremdel mit meiner Kirche. Zwar bin ich so katholisch imprägniert, dass mir der Weihrauchduft nicht mehr aus der Nase geht. Doch trotzdem gibt es so einiges, was mir zunehmend fremd wird in meiner Kirche, fraglich, mich frösteln lässt.

Am allermeisten stinkt mir, dass ich immer wieder als Mängel-Katholik unter Verdacht stehe. Wie oft heißt es, in der Kirche gebe es zu wenig Glauben, zu wenig Gottesfurcht. Immer ist zu wenig … Und immer bin ich mitgemeint, weil ja alle in Gesamthaftung genommen werden. Mir wird unterstellt, dass ich nicht gut genug bin, dass ich umkehren müsste (wobei sich zu hinterfragen ja nie schadet). Statt mir Raum zu geben, Vertrauen zu schenken, zuzutrauen, dass ich schon – bei aller Sündigkeit – in der Spur unseres Herrn Jesus laufe, wird kleingläubig mit Paragraphen herumgefuchtelt. Du musst, du darfst nicht, du sollst … Hört auf damit, sonst bin ich weg!

Überhaupt: Ich finde es befremdlich, dass die leitenden Kirchenbeamten auf einem Auge sehgeschädigt sind: Den Pius-Brüdern werden breite Brücken in ihr rechtes Denken gebaut, damit sie in eine Kirche zurückkehren, die niemals mehr ihren Vorstellungen entsprechen wird. Andere Freigeister, Querdenker und unkonventionelle Lebensentwerfer werden ausgegrenzt.

Johannes Becher, Redaktionsleiter Foto: privat
Johannes Becher,
Redaktionsleiter
Foto: privat

Ich mag es nicht mehr hören, das Gerede von der gleichen Würde aller Getauften, aller Männer und Frauen bei gleichzeitigem Fortbestehen einer krankmachenden, doppelbödigen und übergriffigen (Sexual-)Moral.

Ich fremdel mit einer Kirche, die Berufung und Begabung einseitig gleichsetzt. Warum zum Beispiel lassen wir Priester auf Menschen los, die nur wenig Sozialkompetenz haben? Oder warum sollte mit der Priesterweihe automatisch die Fähigkeit zur Leitung von Gemeinden verliehen werden? Und warum sollten nicht Laien, die sich dazu berufen fühlen, das besser können? Warum ist das so starr?

Ich mag nicht mehr ausgeliefert sein einem Kirchenrecht, das göttliche Offenbarung verwechselt mit menschengemachten Spielregeln und Tradition mit Traditionen.

Womit ich fremdel, ist das Faktum, dass nur Eucharistiefeiern mit „hohen Würdenträgern“ stets „feierlich“ genannt werden. Wo doch jeder Gottesdienst ein Fest ist, eine Eucharistie-Feier. Dieses pontifikale Getue geht mir auf den Heiligen Geist …

Überhaupt ist mir zu viel Brimborium, sind mir zu viel Rüschen und Spitzen, zu viel Marienerscheinung um 17.10 Uhr, zu viel Zwang zum Wunder, bevor ein glaubwürdiger Zeuge selig genannt werden darf …

Ich fremdel mit Geschwistern im Glauben, wenn ihnen das Vermögen der eigenen kleinen Pfarrgemeinde wichtiger ist als der Mut zum Zusammenwachsen in neuen Gemeindegrenzen. Ich fremdel mit meinen Glaubensgeschwistern, wenn sie politisches Reden für unkirchlich halten, wenn sie mir über Meinungsverschiedenheiten hinweg den Friedensgruß verweigern …

Ich fremdel mit doppelmoralischen Kanzelrednern, die von den Gläubigen ethischen Rigorismus verlangen und gleichzeitig dulden, dass ach so viele geweihte Häupter im Verborgenen eben auch „die Sünde“ leben.

Ich fremdel mit meiner Kirche, wenn sie zulässt, dass Menschen in ihrem Dienst sich nicht trauen zu bekennen, dass sie einen Menschen lieben. Mit Haut und Haaren. Von ganzem Herzen.

Und dann bin ich immer wieder respektvoll erstaunt, wie viele Menschen sich diese Kirche weiter antun, obwohl sie dort ständig in eine sündige Ecke gestellt werden. Auch deshalb bleibe ich. Denn wie heißt es im Johannes-Evangelium (14,12): „Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen.“ Da wird es auch eine für mich geben.

In der Ausgabe vom 18. März: Allerorten AndersOrte – Die Welt als zentraler Ort der Seelsorge – Eine Begehung