Prüfstand für Werte
Die Katholische Akademie Hamburg feiert ihr 50-jähriges Bestehen mit einem Jubiläumsprogramm. Der Blick ist dabei nicht zurück, sondern nach vorne gerichtet, um Kirche im Gespräch mit der ganzen Gesellschaft zu halten.
„Wir betreiben keine Vergangenheitsbewältigung“, sagt Stephan Loos. So gebe es auch keinen Jubiläumsband, in dem auf das 50-jährige Bestehen der Katholischen Akademie Hamburg zurückgeblickt werde, erklärt der Direktor der Bildungsinstitution. „Viel spannender ist doch die Frage: Wie gelingt es Akademie und Kirche, sich den Anforderungen der Zukunft zu stellen? Und: Welche Werte stehen heute zur Debatte, welche teilen wir?“
Bei dem Wort „Werte“ schwingt natürlich doch ein bisschen Geschichte mit. Denn die Katholische Akademie errregte 1976 besonderes Aufsehen, als sie die „Grundwertedebatte“ anstieß. Diese wurde ausgelöst durch eine Folge von Vorträgen des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt (SPD), des damaligen Oppositionsführers Helmut Kohl (CDU) und des damaligen Innenministers Werner Maihofer (FDP). „Genau so etwas kann man heute nicht mehr machen“, sagt Loos, der die Akademie seit 2007 leitet.
Aber man kann daran in aktueller Form anknüpfen. Und das machen Loos und sein Team zusammen mit dem Freundeskreis der Akademie gleich bei der Auftaktveranstaltung zum Jubiläum, einem Gesprächsabend am 5. Mai. „50 Jahre – 50 Köpfe“ heißt die Veranstaltung, deren Teilnehmer mit vier von 50 Persönlichkeiten Zweiergespräche führen können. Wer sich mit wem unterhält, wird ausgelost. Mit dabei sind unter anderem der Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), die CDU-Bundestagsabgeordnete Franziska Hoppermann und der Intendant der Deichtorhallen, Dirk Luckow. Auch Erzbischof Stefan Heße und Generalvikar Sascha-Philipp Geißler werden kommen. „Das ist eine Frucht der damaligen Grundwertedebatte“, sagt Stephan Loos.
Um Werte geht es auch in zwei weiteren prominent besetzten Jubiläumsveranstaltungen der Akademie: Am 29. Juni diskutieren unter anderem Kultursenator Carsten Brosda und Verfassungsrichter Henning Radte über das Thema „Meinungsfreiheit“ und am 20. September Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard und die Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland, Susanne Bentele über „soziale Gerechtigkeit“.
Als die Katholische Akademie 1973 eingeweiht wurde, formulierte Julius Kardinal Döpfner, sie solle „eine Stätte der Begegnung sein, wo die Kirche sich der Welt zuwendet“. Für Loos bedeutet das auch, dass die Akademie ein Ort ist, „wo Dinge gewagt werden können, wo kein vorab sondiertes Terrain beschritten wird, wo es gefährliche Dialoge gibt.“ Dabei wende sich die Akademie auch Menschen zu, die am Rande oder außerhalb der Kirche stünden.
Junge Akademie plant Besuch von Auschwitz
In der Hinsicht hat sich in den vergangenen 50 Jahren ebenfalls viel getan. In den 1970er Jahren erschien es noch „nicht üblich“, dass ein SPD-Kanzler in die Katholische Akademie komme, sagt Loos. „Und dann schauen Sie sich einmal an, wer alles heute bereit ist zu kommen, trotz Distanz zur Kirche.“ Es gebe ein Zutrauen, dass die Katholische Akademie ein Ort sei, an dem ein Gespräch gelinge. Viele kämen auch, weil sie ein freier Ort ohne besondere katholische Inszenierung sei.
Solche Diskussionen können auch durchaus heftig werden. Zu heftig allerdings ging es einmal im Publikum her nach einem Gespräch über den syrischen Bürgerkrieg zwischen dem syrisch-othodoxen Bischof von Aleppo, Mor Gregorius Yohanna Ibrahim, und einem Oppositionellen. Wenig später wurde der Bischof entführt, von ihm fehlt bis heute jegliche Spur. Um die Gefahr für alle Beteiligten gering zu halten, kommt daher am 25. Mai der derzeitige syrisch-orthodoxe Erzbischof von Aleppo, Mor Boutros Kassis alleine, um über die Lage in Syrien zu berichten.
Recht aufwendig ist auch ein Projekt der Jungen Akademie zum Jubiläumsjahr. Es befasst sich mit den Biografien der niederländischen Intellektuellen Etty Hillesum und der heiliggesprochenen Edith Stein. Sie entstammten beide jüdischen Familien und wurden während der Nazi-Herrschaft im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet. Neben einem Blockseminar sind dazu Fahrten nach Köln, zum Lager Westerbork in den Niederlanden sowie nach Posen, Auschwitz und Krakau geplant.
Das gesamte Jubiläumsprogramm der Katholischen Akademie ist in einer Broschüre zusammengefasst worden, die auch auf der Website der Akademie (https://www.kahh.de ) abgerufen werden kann.
Von Matthias Schatz