Franziskus schränkt Alte Messe ein
Reaktionen auf Papstschreiben
Traditionalisten üben Kritik an den Einschränkungen des außerordentlichen Messritus. Kirchenpolitische Beobachter hingegen finden sie konsequent.
Von Roland Juchem und Alexander Brüggemann
Der jüngste Papsterlass zur Einschränkung der sogenannten Alten Messe wird von Kritikern wie Beobachtern weltweit vor allem politisch analysiert und bewertet. Zwar regelt das Motu Proprio "Traditionis custodes" (Hüter der Wahrheit) eine liturgische Frage. Es ist aber stark kirchenpolitisch motiviert. In seinem Begleitbrief an die Bischöfe schreibt Papst Franziskus dies offen. Die Alte Messe sei oft missbraucht worden, um sich gegen das Zweite Vatikanische Konzil (1962 - 1965) zu positionieren.
Für den britischen Vatikan-Berichterstatter Christopher Lamb (The Tablet) und seinen französischen Kollegen Nicolas Seneze (La Croix) ist die Tatsache bemerkenswert, dass der Erlass zuerst nur auf Italienisch und in Englisch veröffentlicht wurde - inzwischen auch auf Spanisch. Dies, so Lamb, sei ein Indiz, dass die traditionelle lateinische Messe "vor allem im anglo-amerikanischen Raum genutzt wird, um Spaltung zu säen". Es seien anglo-amerikanische Traditionalisten gewesen, die Franziskus vom ersten Tag seines Pontifikats an attackiert hätten.
Ähnlich bewertet der langjährige Vatikan-Experte John Allen vom US-Portal "Crux" die Beweggründe für "Traditionis custodes". Zumindest "ein Teil von Franziskus' Abneigung" bestehe darin, dass viele Katholiken "am älteren Ritus festhalten, um ein politisches Statement abzugeben". Niemand komme zu einer Messe im Syro-malabarischen Ritus oder im Ambrosianischen Ritus, um eine politische Aussage über das Konzil oder etwas anderes zu machen, "aber dasselbe kann man sicher nicht über den Tridentinischen Ritus sagen", so Allen.
Überraschung in Frankreich
Allen weist auch daraufhin, die mit Abstand meisten Orte, an denen Messen in der alten Form angeboten werden, gebe es in USA: 657. Das seien mehr als dreieinhalb mal so viele wie in Frankreich (199). In den allermeisten Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas ist die lateinische Messe indes kein Thema.
In Frankreich, durchaus einer Hochburg von Anhängern des Traditionalismus, sorgte das Papstschreiben für einige Bewegung. In Sozialen Medien war von liturgischem Ausverkauf, Kurzsichtigkeit und gnadenlosem Ausdörren von Frömmigkeit und Tradition die Rede. Der Vize-Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Olivier Leborgne von Arras, äußerte sich überrascht über den für französische Ohren harten Ton des Papstes und lobte die Anhänger des Alten Ritus für ihre "sehr schöne Spiritualität".
In ihrer offiziellen Erklärung als Reaktion auf das Motu Proprio bemühen sich die französischen Bischöfe um Besonnenheit und Ausgleich - hatte doch auch die katholische Zeitung "La Croix" von zuletzt nachlassenden Spannungen zwischen Traditionalisten und Diözesen berichtet. Es gelte vor allem, so die Bischöfe, die bewährte Gemeinschaft aufrechtzuerhalten. Laut Leborgne muss der Gebrauch des außerordentlichen Ritus fortan "in völliger Gemeinschaft mit dem Bischof" erfolgen. In den allermeisten Orten Frankreichs sei dies der Fall; "nur an wenigen Stellen ist die Situation angespannter".
Benedikt XVI. habe mit der außerordentlichen Form des Messbuchs "eine absolut nicht-traditionelle Initiative ergriffen", so Leborgne. Alle katholischen Riten, der Römische, der Chaldäische, der Syro-Malabarische, hätten "ein festes Messbuch und keine außerordentliche Form". Benedikt XVI. habe den außerordentlichen Ritus um der Nächstenliebe willen eingeführt - doch leider hätten "einige Leute ihn gegen das verwandt, wozu er eigentlich dienen sollte".
"Harte neue Einschränkungen"
Die traditionalistische, vom Papst getrennte "Priesterbruderschaft Pius X." in Deutschland, Österreich und der Schweiz sieht in dem neuen Erlass einen "weiteren Beweis der Unsicherheit des gegenwärtigen Lehramtes". Wettere Franziskus sonst überall gegen Mauern, errichte er nun selbst welche, heißt es in einem Kommentar auf der Webseite der Organisation.
Una Voce, die internationale Vereinigung von Anhängern der Tridentinischen Messe, zeigte sich enttäuscht sowohl von der "Charakterisierung der Katholiken", die an der Alten Messe hängen, "als auch von den harten neuen Einschränkungen". Es seien "der Respekt vor dem Heiligen und der Sinn für die Kontinuität der Tradition", die Menschen in erster Linie zur traditionellen Messe hinzögen, "nicht theologische oder pastorale Diskussionen der Vergangenheit".
Der italienische Vatikan-Experte Sandro Magister nennt in seinem Blog "Settimo Cielo" den neuen Papsterlass eine "Rote Karte" für die alte Messform. Schon jetzt werde die Debatte hässlicher, Spaltungen würden tiefer.
Nach Aussage von Kardinal Gerhard Ludwig Müller ist es klare Absicht des neuen Erlasses, "die außerordentliche Form langfristig zum Aussterben zu verdammen". Franziskus' Begleitschreiben sei eine "Darstellung seiner subjektiven Reaktion", schrieb er in einem Gastbeitrag für das US-Portal "The Catholic Thing". Angemessener gewesen wäre eine "stringente und logisch verständlich theologische Argumentation". In der aktuellen Debatte jedoch könnten etwas mehr Kenntnis katholischer Dogmatik und Liturgiegeschichte der "unglücklichen Formierung" oppositioneller Lager entgegenwirken, so Müller.